Grüner Kapitalismus und eine mit sich selbst beschäftigte Linke

Seite 2: Das Dilemma der Linken

Daher ist es besonders absurd, wenn Mitglieder der Partei Die Linke noch immer für ein "sozial-ökologisches" Bündnis mit SPD und Grünen werben. Das Szenario ist heute sehr unwahrscheinlich, weil es keine Umfragen gibt, die eine Mehrheit für diese drei Parteien sehen.

Doch die Befürworter eines solchen Bündnisses sagen nicht, wie sie der teilweise noch russlandfreundlichen Basis der Linkspartei ein Bündnis mit einer Partei schmackhaft machen wollen, die dazu einen diametral entgegengesetzten Kurs einschlägt. Die schlechten Umfragewerte der Partei Die Linke, die sich teilweise gefährlich nahe an die Fünf-Prozent-Hürde bewegen, sind auch ein Ergebnis dieser unklaren Positionen. Die Linke will in vielen Punkten mit den Grünen um das junge, akademisch sozialisierte Milieu in den Städten konkurrieren.

Dabei gibt es partiell in einigen Universitätsstädten durchaus Erfolge. Doch die wiegen bisher die Verluste bei ihren langjährigen Stammwählern vor allem in Ostdeutschland, die wenig mit Gender-Debatten zu tun haben wollen, aber den Begriff "Putin-Versteher" als Schimpfwort ablehnen, weil sie darin lupenreine Kriegsrhetorik sehen, nicht auf. Die Tageszeitung junge Welt, die in Teilen dieses Milieu gerne gelesen wird, lag nicht falsch, als sie nach den Verlusten der Linkspartei bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt titelte: "Linke verjubelt SED-Erbe". Dabei stellt sie erst einmal nicht die Frage, ob das nicht ein vergiftetes Erbe ist. Die Wähler waren diffus für soziale Gerechtigkeit, aber haben Staat und Nation kaum in Frage gestellt.

In dem Augenblick, in dem sich Linke auch feministischer und ökologischer Fragen annimmt, wechseln dann manche dieser Wähler zur AfD, obwohl diese ganz eindeutig zum Eigentümerblock gehört und besonders lautstark für einen möglichst von sozialen Rechten unbehelligten Kapitalismus eintritt. Hier liegt auch der größte Schwachpunkt in Sahra Wagenknechts Befunden in ihrem vieldiskutierten Buch "Die Selbstgerechten". Sie erkennt, dass ein Teil der ehemaligen Linke-Wähler zur AfD wechselte, fragt sich aber nicht, ob der Grund nicht vielleicht darin liegt, dass die gar keine linke Politik wollen und sich daher in den Positionen der AfD durchaus wiederfinden.

Wagenknecht gibt vor, ein Konzept zu haben, die verlorenen Wähler zurückzugewinnen, hat aber in der Praxis nicht bewiesen, dass es gelingt. Die von ihr wesentlich bestimmte Bewegung "Aufstehen" scheiterte schließlich in erster Linie daran, dass die so umworbenen Massen gerade nicht aufgestanden sind. Auch mit ihren Buch hat Wagenknecht eher Menschen wie die Schriftstellerin Monika Maron positiv angesprochen, die die Linke nicht wählen würden.

Verprellt aber wird das von Wagenknecht als "Lifestyle-Linke" gescholtene akademische Milieu. Dabei geht beispielsweise die Gewerkschaft ver.di längst einen anderen Weg, in dem sie sich sowohl in der Berliner Krankenhausbewegung mit Beschäftigten aus Klinken und Pflege für bessere Arbeitsbedingungen einsetzt als auch mit der Klimabewegung kooperiert.

Eine solche Kooperation könnte es auch geben, wenn die Linke ihr ambitioniertes ökologisches Programm zur Bundestagswahl ernst nimmt. Gerade in einer Zeit, wo die Grünen deutlich machen, dass ihr Ziel eine Kooperation mit der Union ist, wäre auf der linken Seite viel Raum dafür. Doch wer redet schon über das ökologische Programm der Linken, ja wer kennt es überhaupt?

Provozieren Wagenknecht und Lafontaine ihren Parteiausschluss?

Stattdessen scheint Oskar Lafontaine, selbst Fraktionschef der Linken im Landtag des Saarlands, seinen möglichen Parteiausschluss geradezu zu wünschen, wenn er wenige Monate vor der Bundestagswahl in einem undurchsichtigen Intrigenspiel zwischen seiner Fraktion und dem Landesverband dazu aufruft, im Saarland nicht Die Linke zu wählen. Dabei handelt es zwar um ein kleines Bundesland. Doch das hatte auch wegen Lafontaine durchaus Wahlergebnisse im zweistelligen Bereich. Da könnten also entscheidende Stimmen fehlen.

Vor den Wahlen wird es jedoch keine Ausschlüsse geben - auch Kritiker von Sahra Wagenknecht stellten sich unlängst gegen einen Ausschlussantrag, den einzelne Mitglieder gegen sie eingereicht hatten, weil sie ihr Buch als Abrechnung mit der eigenen Partei verstanden. So müssen die verfeindeten Fraktionen vorerst unter einem Dach weiter existieren. Doch verliert die Linke stark oder bliebe sie gar unter der Fünf-Prozent-Hürde wäre es das Ende der Partei.

Anders als 1994, als die PDS schon mal an dieser Hürde scheiterte, könnte sie dieses Mal auch nicht mehr auf Direktmandate im Osten setzen, die ihr damals zumindest eine symbolische Präsenz im Bundestag ermöglichte. Angesichts der Grünen auf Regierungskurs und einer Linkspartei, die sich selbst vor den Wahlen eher über Intrigen als über ihr eigenes Programm streitet, bleibt dem staatskritischen Teil der Umweltbewegung gar nichts anderes übrig, als auf die außerparlamentarische Arbeit und Bündnisse der unterschiedlichen Art zu setzen. Einen Vorteil hat es, sie bekommen gar nicht erst die Illusion, mit parlamentarischer Arbeit viel bewegen zu können.