Grundeinkommen: "Viel besser als Beihilfen im Kampf gegen Armut"

Seite 2: "Das bestmögliche Projekt"

In Katalonien gibt es mit dem "Garantieeinkommen" (RGC) seit 2017 schon eine Art Sozialhilfe. Doch auf Druck der linksradikalen CUP wird die katalanische Regierung ein Pilotprojekt für ein bindungsloses Grundeinkommen starten, das Ihr Bruder leiten wird. Können Sie erklären, wie es aussehen wird?

Daniel Raventós: Es stimmt, das Projekt befand sich Wahlprogramm der CUP. Die hatte es für die Zustimmung zur Regierungsbildung zu einer ihrer Bedingungen gemacht und die Republikanische Linken (ERC) hat das akzeptiert. Wir befinden uns derzeit in der Ausarbeitungsphase. Über viele Details muss noch entschieden werden, viel Arbeit mit Befragungen steht an.

Doch in Grundzügen ist das ungefähr so geplant: Es soll Ende dieses Jahres starten, bis dahin soll das Design ausgearbeitet werden, unter anderem mit Beratern wie Guy Standing, über den wir schon gesprochen haben, der auf Pilotprojekte in den vergangenen 20 Jahren zurückblicken kann. Denn es soll das bestmögliche Projekt werden. Wir werden sicher Fehler machen, aber es geht darum, so wenige wie möglich zu machen.

Es sollen zwei oder drei Gemeinden mit insgesamt etwa 5.000 Bewohnern ausgesucht werden. Sie sollen repräsentativ für Katalonien sein, also zu verschiedenen Provinzen gehören, Innenland und Küste, rural oder industriell geprägt. Dazu braucht man dann vergleichbare Gemeinden mit ähnlichen Charakteristiken für die Kontrollgruppe. In den ausgewählten Gemeinden sollen alle das Grundeinkommen erhalten, in der Kontrollgruppe niemand.

Ausgeschlossen werden sollen als Bezieher aber etwa die 10 bis 15 Prozent der Reichen in den Gemeinden, das muss noch genauer definiert werden. Das hat damit zu tun, dass man auf unserer Ebene hier begleitend keine Steuerreform hat, damit auch die Reichen dann deutlich höhere Steuern bezahlen. Denn Reichen noch mehr Geld zu geben, ohne dass sie dafür höhere Steuern bezahlen, ist schwer zu vermitteln.

Das Projekt soll zwei Jahre, 2023 und 2024, laufen, um es danach auszuwerten. Wir möchten komplette Gemeinden auswählen, um auch feststellen zu können, wie sich das Projekt sozial und ökonomisch auf das Umfeld auswirkt. Was machen die Leute? Vereinigen sie sich zum Beispiel eher, gründen sie Kooperativen? Was passiert im Vergleich zu den Kontrollgemeinden? Die Gemeinden sollen in den Reaktionen auch untereinander verglichen werden.

Die Frage ist auch, welches Grundeinkommen ausgezahlt werden soll. Es soll an der Armutsschwelle liegen. Aber die ist sehr unterschiedlich. Es ist ein Unterschied, ob jemand als Single lebt oder fünf Personen gemeinsam in einem Haushalt. Die Kosten steigen dafür nicht um den Faktor fünf, was Miete, Stromverbrauch, Nahrungsmittel, etc. angeht. Bei einem Single wären das etwa 900 Euro, bei fünf Personen aber vielleicht nur etwa 600 Euro pro Person. Solche Sachen müssen wir noch definieren.

Wie erklären Sie sich, dass nach den vielen Pilotprojekten bisher kein Land ein Grundeinkommen eingeführt hat, auch reiche Länder wie Finnland nicht?

Wenn wir uns anschauen, welche Politik die verschiedensten Regierungen in den letzten Jahren umgesetzt haben, ist klar, wen sie begünstigt und wen sie benachteiligt. Zum Beispiel bei Verringerung von Steuern, Lohnsenkungen, das Einfrieren der Renten, die Zinspolitik der Zentralbank oder Arbeitsmarktreformen.

Jede Entscheidung schafft Begünstigte und Benachteiligte. In den letzten Jahrzehnten wurde eine Politik gemacht, die vor allem die Reichsten begünstigt hat. Anders lassen sich die großen sozialen Unterschiede nicht erklären.

Mit den Krisen sind die Reichen noch reicher geworden, was zeigt, dass die Politik die Reichen begünstigt hat. In einer neuen Studie zur Frage, es gibt davon schon viele, an der auch Thomas Piketty and Gabriel Zucman beteiligt waren, wurde in den Schlussfolgerungen klar, dass es weder ökonomische noch technische Probleme gibt, um Armut oder Ungleichheit zu beseitigen.

Das Problem ist politisch. Schon vor 80 Jahren erklärte Louis Brandeis, Richter am Obersten Gerichtshof in den USA: "Wir können eine Demokratie haben oder konzentrierten Reichtum in den Händen weniger - aber nicht beides." Ein großer Teil der Politiker, sehen wir uns die Ergebnisse an, hat sich für den konzentrierten Reichtum entschieden.

Sehen Sie eine Möglichkeit für ein universelles Grundeinkommen hier?

Daniel Raventós: Sicher wären im Königreich Spanien die Bedingungen technisch dafür im Baskenland und Navarra am besten, da beide über ein eigenes Finanzierungssystem verfügen. Höhere Steuern, die dann davon gezahlt werden, bleiben in den Autonomiegebieten und fließen nicht wie im Fall Kataloniens nach Madrid ab. Politisch ist aber die große Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) gegen ein solches Projekt, die spanischen Sozialisten auch.

Aber es wird über die Volksinitiative nun interessant, wie sich die verschiedenen Akteure im baskischen Parlament dazu positionieren. Ich wurde mehrfach in dieses Parlament eingeladen, um das bedingungslose Grundeinkommen zu erklären. Das war sehr aufschlussreich.

Die linken Formationen wie EH Bildu und Podemos begrüßen es, stellen sich aber offiziell auch nicht voll dahinter. Andere sind klar und deutlich dagegen. Meine Hoffnungen liegen zudem weniger im Bereich von politischen Parteien. Ich sehe eine Sensibilisierung in sozialen Bewegungen und auch allgemein in der Bevölkerung in dieser Frage.

Es kann inzwischen normal darüber debattiert werden und die Zustimmung wird größer, wie die Volksinitiative bei euch zeigt. Es gibt ein interessantes Phänomen: Umso mehr man sich mit dem bedingungslosen Grundeinkommen beschäftigt, umso stärker wird man von den Vorteilen überzeugt.

Wenn sich die Gesellschaft nicht damit beschäftigt, dann gleitet man in die Phrasen und Vorurteile ab: dass man Faulheit fördern würde, niemand mehr arbeiten würde, dass das sei ein nicht zu finanzierender Irrsinn sei und so weiter...

Doch schon ein wenig Beschäftigung mit der Materie zeigt, dass diese Kritiken sehr schwach begründet sind.