Grundlagenforschung für Quantencomputer

Physiker der Universität Bonn haben erstmals ein Quantenregister mit neutralen Atomen experimentell realisiert

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit Ende der 90er Jahren versuchen sich Physiker und Informatiker experimentell an dem Projekt "Quantencomputer". Das Forschungslabor in Los Alamos entwarf eine Roadmap zur Realisierung der neuartigen Hochleistungsrechner. Die Bonner Forscher erreichten nun mit der Realisierung eines Quantenregisters ein hier gestecktes Forschungsziel früher als erwartet.

Dominik Schrader im Laserlabor. Foto: Frank Luerweg

Quantencomputern sagen Forscher große Rechenfähigkeiten nach, gegen die herkömmliche Rechner ziemlich blass aussehen würden. Die Faktorisierung großer Zahlen etwa, bei der heutige Computer recht schnell an ihre Grenzen stoßen, wäre kein Problem mehr. Damit könnten etwa gängige Verschlüsselungsalgorithmen geknackt werden. In den USA investieren deshalb Banken in einschlägige Forschungsprojekte, um von der Entwicklung nicht eines Tages überrumpelt zu werden. In Deutschland wird die Forschung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Europäische Kommission unterstützt.

Mit dem Quantenregister haben die Forscher, wie sie in ihrem Artikel "Neutral Atom Quantum Register" in Physical Review Letters (93, 150501: 2004) schreiben, nun erstmals den Arbeitsspeicher des künftigen Quantencomputers realisiert. Es besteht aus einer Reihe von elementaren Informationszellen, die jeweils ein Bit an Information, das heißt eine logische Null oder eine Eins, aufnehmen können. In einem Register von acht Bit Länge lässt sich so beispielsweise eine Zahl zwischen 0 und 255 speichern.

"Wir verwenden für unsere Register neutrale Atome", erklärt Dominik Schrader vom Bonner Institut für Angewandte Physik. Ein Atom ist ein mikroskopisches Quantensystem und kann daher Quanteninformation speichern. In Anlehnung an das Bit nennt man es deshalb auch "Qubit". Qubits können neben den klassischen Informationszuständen Null und Eins auch beliebige Zwischenzustände, so genannte quantenmechanische Überlagerungszustände, annehmen.

Schrader hat das Register zusammen mit Dr. Arno Rauschenbeutel in der Arbeitsgruppe von Professor Dieter Meschede gebaut. Die Physiker kühlten zunächst Caesium-Atome so weit ab, dass sie sich fast nicht mehr bewegten. Fünf dieser Atome luden sie dann auf einen Laserstrahl. Der Strahl, eine stehende Lichtwelle aus vielen Bergen und Tälern, fixierte die Atome in den Wellentälern. Mit einer hochempfindlichen Digitalkamera konnten die Forscher dies kontrollieren. Mit Hilfe eines weiteren Lasers initialisierten die Forscher dann das Quantenregister. Das heißt, alle Qubits wurden mit Nullen beschrieben. "Anschließend konnten wir dann mittels Mikrowellenstrahlung in jedem Qubit die gewünschte Quanteninformation speichern", so Schrader.

Ziel der Forscher war es, die Qubits nun gezielt einzeln manipulieren zu können. Dafür erzeugten sie um ihr Register ein ortsabhängiges Magnetfeld. "Je nach lokaler Stärke des Magnetfeldes reagieren die Qubits nur auf Mikrowellenstrahlung von einer ganz bestimmten Frequenz. Durch Variation der Mikrowellenstrahlung konnten wir daher ganz gezielt nur die gewünschten Qubits beschreiben", erklärt Schrader.

Um zu kontrollieren, ob das Register tatsächlich die gewünschte Information gespeichert hatte, beschossen die Forscher die Atomkette mit Laserlicht, das nur mit Qubits im Zustand 0 wechselwirkt. Die Laser-Photonen schossen diese 0-Atome von dem Trägerstrahl, ließen die 1-Atome aber unberührt.

Im nächsten Schritt versuchen die Physiker nun, ein Quantengatter zu realisieren, in dem zwei oder mehr Qubits des Registers kontrolliert miteinander wechselwirken. Mit einer Kombination aus Register und Gatter stünden dann alle Grundbausteine für die Entwicklung eines Quantencomputers mit neutralen Atomen zur Verfügung. Wann der erste "Quantencomputer" seinen Dienst aufnehmen wird, der seinen Namen wirklich verdient, steht allerdings noch in den Sternen. Nach dem Mooreschen Gesetz verdoppelt sich die Dichte der Transistoren auf Chips alle 18 Monate. Dauert die Entwicklung an, werden die Baulängen von Transistoren spätestens im Jahr 2030 die Größe eines einzelnen Atoms erreichen. Damit werden die Transistoren aber nicht mehr von der herkömmlichen Festkörper-, sondern von der Quantenphysik beherrscht.

Obwohl in den USA Forschern mit jährlich 50 Millionen US-Dollar das fünffache Budget wie ihren europäischen Kollegen zur Verfügung steht, sind die Europäer bislang nicht ins Hintertreffen geraten. Bislang gibt es im Bereich der Quantencomputer und -kommunikation nur eine einzige kommerzielle Anwendung: In Genf bietet die Firma ID Quantique quantenkryptographische Geräte namens "Quantum Key Distributor" an, die Daten über 60 km übertragen können (Alice und die grinsende Schrödingerkatze). Mit ihrer Hilfe können kryptografische Einmalschlüssel ausgetauscht werden, die sonst nur per Kurier übermittelt werden.