Grundsteuer: Wie Sie das Chaos verstehen können
Bundesverfassungsgericht kippte alte Einheitswerte und gab Gesetzgebung bis Ende 2019 Zeit für Neuregelung. Aktuell wirkt die Lage chaotisch. Ein Überblick.
Aktuell kursieren Schockmeldungen über Eigenheimbesitzer, die durch die Neuberechnung der Grundsteuer finanziell ruiniert zu werden drohen. Teilweise soll es sich um Berechnungsfehler handeln.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Frühjahr 2018 die Verfassungswidrigkeit der veralteten Einheitswerte für die Grundsteuer festgestellt und der Gesetzgebung bis Ende 2019 Zeit für eine Neuregelung gegeben.
Die Grundsteuer wird für Häuser und Grundstücke erhoben. Die durch die Grundsteuer erzielten Einnahmen betragen über 15 Mrd. Euro jährlich.
Grundsteuer zählt zu Haupteinnahmequellen der Kommunen
Sie zählt zu den wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. Mithilfe der Grundsteuer werden Schulen, Kindergärten, Büchereien sowie die Erhaltung und der Ausbau der lokalen Infrastruktur finanziert. In den alten Bundesländern wurden sie zuletzt auf der Basis von Einheitswerten auf dem Stand vom 1. Januar 1964 berechnet, in den neuen Bundesländern galten die Werte von 1935.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte dann in seinem Urteil vom 10. April 2018 festgestellt, dass die Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer verfassungswidrig sei. Das Urteil des BVerfG betraf nur Grundstücke in den alten Bundesländern.
Wert von Grundstücken: So entstand die Verzerrung
Das System der Einheitsbewertung war in seiner Anlage dadurch geprägt, dass in regelmäßigen Zeitabständen eine allgemeine Wertfeststellung, die Hauptfeststellung stattfindet. Diese Hauptfeststellung sollte alle sechs Jahre für bebaute und unbebaute Grundstücke erfolgen. Es war das Ziel der Bewertungsregelungen, Einheitswerte zu ermitteln, welche dem Verkehrswert der Grundstücke nahekommen.
Je länger ein Hauptfeststellungszeitraum über die ursprünglich vorgesehenen sechs Jahre hinaus andauert, desto größer sind die möglichen Abweichungen zwischen dem tatsächlichen Verkehrswert und den veralteten Einheitswerten der Grundstücke. Die seit dem Jahr 1964 bestehende Aussetzung der Hauptfeststellung führt somit zu einer Wertverzerrung sowohl bei bebauten als auch bei unbebaute Grundstücken.
Da die Ampelkoalition in Berlin erst am 7. Dezember 2021 ihre Arbeit aufnahm, erscheint es müßig, sie für die derzeit so umstrittene Grundsteuerreform zur Verantwortung zu ziehen.
Fristen für die Anpassung der Grundsteuerreform
Mit dem Grundsteuer-Reformgesetz (GrStRefG) vom 26. November 2019 sollte eine verfassungskonforme und rechtssichere Fortentwicklung der Grundsteuer und der damit verbundenen Bewertung der Grundsteuerobjekte formuliert werden, damit die Grundsteuer als verlässliche Einnahmequelle der Kommunen erhalten bleibt. Der Bundesrat hatte am 8. November 2019 der Grundsteuerreform zugestimmt.
Mit der Reform der Grundsteuer sollte eine aufkommensneutrale Lösung gefunden werden, die keinesfalls eine strukturelle Erhöhung des Grundsteueraufkommens bewirkt. Dass die vom BVerfG im Jahre 2018 geforderte Neuregelung der Grundsteuer aufkommensneutral sein sollte, bedeutete nicht, dass eine Belastungsgleichheit im Einzelfall erzielt werden sollte.
Umverteilung der Steuerlasten: Eine zwingende Folge
Daher wird die Grundsteuerreform zwingend zu einer Umverteilung der Steuerlasten führen. Wie dies im Einzelfall ausfällt, ob dies somit für den einzelnen Steuerpflichtigen zu Mehr- oder Minderbelastungen bei der Grundsteuer führt, lässt sich erst beantworten, wenn das Verfahren abgeschlossen ist. Maßgeblich für die Wertermittlung sind die Verhältnisse zum 1. Januar 2022.
Waren bisher die Herstellungskosten zum Bewertungsstichtag von entscheidender Bedeutung, wird in Zukunft ein Ertragswert ermittelt, der sich am möglichen Mietertrag einer Wohnimmobilie orientiert. Liegt die erzielte Miete unter diesem Wert, kann das Finanzamt die steuerliche Anerkennung von Betriebskosten mindern.
Neue Grundsteuer wird ab 2025 erhoben
Die reformierte Grundsteuer soll dann ab dem 1. Januar 2025 erhoben werden. Bis dahin müssen die Besteuerungsgrundlagen festgestellt und die notwendigen Besteuerungsverfahren eingeführt werden.
An die Gemeinden wurde appelliert, die aus der Neubewertung des Grundbesitzes resultierenden Belastungsverschiebungen durch eine gegebenenfalls erforderliche Anpassung des Hebesatzes auszugleichen. Somit sollte ein konstantes Grundsteueraufkommen gesichert werden.
Ob die Gemeinden sich an diese Empfehlung halten oder aufgrund knapper Kassen die Gelegenheit nutzen werden, ihre Hebesätze anzuheben, kann derzeit noch nicht flächendeckend beurteilt werden. Eine Tendenz zur Anhebung der Hebesätze lässt sich jedoch schon vor Umsetzung der Reform feststellen.
Spielräume der Länder nach Grundsteuerreform
Durchaus vergleichbar mit der föderalen Umsetzung bei der Datenschutzgrundverordnung wurde den Ländern zeitgleich mit der vom Bund vorgenommenen Reform über eine Ergänzung in Artikel 72 Absatz 3 GG eine umfassende abweichende Regelungskompetenz eröffnet.
Während alle Länder im Bereich der Land- und Forstwirtschaft das weitestgehend unveränderte das Bundesmodell anwenden, weichen mehrere Landesregelungen bei bebauten Grundstücken hiervon ab. Die Grundsteuer A gilt für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke. Die Grundsteuer B für baulich genutzte und kommt bei bebauten und unbebauten gewerblichen und privaten Grundstücken zur Anwendung.
In den alten Bundesländern Ländern sind Wohngebäude oder Gebäudeteile, die innerhalb einer land- und forstwirtschaftlich genutzten Hofstelle zu Wohnzwecken genutzt werden, künftig dem Bereich des Grundvermögens zuzurechnen. Sie erhalten als eigenständige wirtschaftliche Einheit dann ein separates Aktenzeichen. In den ostdeutschen Ländern führt die Grundsteuerreform zu einem Wechsel von der Nutzer- zur Eigentümerbesteuerung.
Bei der Grundsteuer B haben die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen jeweils die Öffnungsklausel genutzt und die Bewertung des Grundvermögens landesspezifisch geregelt. Die Bundesländer Saarland und Sachsen haben die Öffnungsklausel genutzt, um vom Bundesgesetz abweichende Steuermesszahlen einzuführen, was auch Berlin vorgesehen hat.
Was verbirgt sich hinter der Grundsteuer C?
Neben der Grundsteuer A und B gibt es künftig auch eine Grundsteuer C oder Baulandsteuer. Hintergrund ist die in den vergangenen Jahren mit dem erheblichen Wohnungsmangel verbundene Entwicklung, baureife Grundstücke als Spekulationsobjekt zu halten.
Dabei werden Grundstücke nur aufgekauft, um eine Wertsteigerung abzuwarten und diese anschließend gewinnbringend weiter zu verkaufen. Diese Spekulation mit Bauland verhindert, dass dringend benötigter Wohnraum entsteht.
Künftig können Gemeinden in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen für baureife, aber unbebaute Grundstücke einen höheren Hebesatz festlegen, wenn dort keine Bebauung erfolgt. Mit der Grundsteuer C soll die Spekulation verteuert werden. Gleichzeitig will man so finanzielle Anreize schaffen, auf baureifen Grundstücken auch Wohnraum zu errichten.