Gruppenblog mit Prominenten

Mit 300 Prominenten und anderen Bloggern geht die Journalistin Arianna Huffington mit einer neuartigen Online-Publikation an den Start, mit der sie die Blogosphere, aber auch den traditionellen Journalismus verändern könnte

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Noch immer gibt es den Hype um die Blogger, die den Journalismus, die Öffentlichkeit und die Informationsströme verändern, wenn nicht gar revolutionieren sollen. Und wie so immer wird, was einmal Avantgarde oder zumindest Innovation war und ein neues, zunächst nicht primär kommerzielles Moment ins Spiel brachte, "entschärft", wenn es zur Mode stilisiert und von Massen nachgeahmt wird. Plötzlich müssen alle bloggen, also irgendwie irgendwas ein bisschen Subjektives einigermaßen kontinuierlich von sich geben, weil das für Aufmerksamkeit sorgt und möglicherweise auch Geld einbringt. Man will ja nichts verpassen.

Was einst von "unten" kam – oder zumindest diesen Mythos mit sich schleppte – und auch aufgrund der Leidenschaft der Anhänger imponierte, die die globalen Informations- und Kommunikationsströme auf ihre Weise selektieren und bewerten, neue Informationen eingeben oder die Öffentlichkeit auf bestimmte Themen aufmerksam macht, wird in seiner Dynamik ausgezehrt, wenn dann nicht mehr nur die "Nobodies" (Rankism), sondern die Prominenten und Aufmerksamkeitsprofis hereindrängen.

Seit geraumer Zeit müssen – wenn auch Deutschland hier noch ein Entwicklungsland ist (Blogger Raskal Trippin mit einigen Vermutungen, warum das so ist) – natürlich Journalisten bloggen, um zu zeigen, dass sie mit vorne dabei sind – ob nun offiziell als Vertreter ihres Mediums oder nebenbei. Dazu kommen Politiker und manchmal auch Regierungsmitglieder und schließlich Prominente oder Unternehmen und Manager, die glauben, so ein wenig von der Aufmerksamkeit da draußen zu erhalten, die bislang an ihnen vorbei gegangen ist. Mittlerweile scheint es, trotz mancher noch immer aufgeregter Beschwörungen der Blogosphere und mancher tatsächlichen Anstöße, einfach schon so zu sein, dass man einen Weblog haben muss, wie man früher ein Telefon, dann ein Fax, dann eine Email-Adresse und schließlich eine Website haben musste. Daneben gibt es natürlich auch bereits Berufsblogger, die eingestellt werden, um eine Marke, ein Unternehmen, einen Politiker oder was auch immer bekannt zu machen (Soziale Software, Firmen-Wikis und bezahlte Blogger).

In der medialen Spirale: Aufmerksamkeit für die Aufmerksamkeit

Ganz konsequent auf die Spitze treibt diese Entwicklung nun Arianna Huffington mit einem geplanten "Gruppenblog" – "where some of this country's most creative minds will weigh in on topics great and small, political and cultural, important or just plain entertaining." Das frühere Mitglied der Republikanischen Partei wurde auch über die USA hinaus bekannt, weil sie als unabhängige Kandidatin zu der Gouverneurswahl 2003 in Kalifornien antrat. Die Journalistin und Buchautorin bezeichnet sich als "progressive Demokratin", unterstützte Kerry im Wahlkampf und hatte nun die Idee, den Hype um die Blogs auszubeuten, indem sie 300 Prominente aus allen Sparten dafür gewinnen konnte, unter dem Dach von Huffingtonpost Blogs zu schreiben. Der von ihr bislang geschriebener Blog ist allerdings nicht sehr vielversprechend, sondern verweist eigentlich nur auf ihre eigenen Kommentare.

Arianna Huffington auf dem Partei der Demokraten in Boston 2004

Finanzieren soll sich die weder rechts noch links stehende Online-Publikation mit den prominenten Schreibern aus Werbung. Huffington rechnet damit, dass Prominenz diese anzieht, womit sie vermutlich nicht falsch liegt, schließlich sind Prominente ja die wichtigen Akteure der Aufmerksamkeitsökonomie (Die Aufmerksamkeitsökonomie und das Netz - Teil II). Und weil diese auch wieder darauf angewiesen sind, weiterhin Aufmerksamkeit zu schaffen, um als Namen – als "Somebody" – vorhanden zu sein, sollen die Prominenten hier ihre prominente Bühne erhalten, dafür aber kein Honorar erhalten.

Interessante Meinungen, interessante Themen, interessante Prominente

Ergänzen sollen die Prominentenblogs Nachrichten und Kommentare, beispielsweise über Medien (Eat the Press). Huffington will damit aber auch anderen Blogs oder Websites Konkurrenz machen, beispielsweise dem Drudge Report, der immer mal wieder Skandale losbricht und schnell auf etwas hingewiesen hat, was dann die Mainstreammedien übernommen hat. Zur Crew gehört denn auch der ehemalige Drudge-Mitarbeiter Andrew Breitbart, der diesen Stil und das Gespür mit einbringen soll. Manche Rubriken der Nachrichten werden wiederum von Prominenten wie dem einstigen demokratischen Präsidentschaftsbewerber Gary Hart, der für Nationale Sicherheit zuständig ist, oder professionellen Journalisten betreut.

Prominente haben nun eigentlich wenig Schwierigkeiten mit der Öffentlichkeit, sie sind Partner und Fundament der Mainstreammedien und haben so an sich Blogs als einer Alternative zur traditionellen Medienöffentlichkeit nicht notwendig. Da aber zu Prominenten die Fans gehören, die die Aufmerksamkeit von diesen suchen und gewisse kommunikative Gegenleistungen fordern, können Blogs gute Ergänzungen zu den sowieso gepflegten Mitteln der Fanbetreuung sein. Hier können die Fans, wenn man sie lässt, auch Kommentare zu den Äußerungen der Stars und Prominenten schreiben, die vielleicht sogar auch einmal direkt reagieren.

Gefunden hat Huffington die Bereitschaft von Prominenten wie Diane Keaton, Walter Cronkite, David Mamet, Nora Ephron, Warren Beatty, Arthur M. Schlesinger Jr., Norman Mailer and Mortimer B. Zuckerman. Für den konservativen Geist sollen Leute wie Tony Blankley von der Washington Times, John Fund vom Wall Street Journal oder David Frum, der ehemalige Redenschreiber von US-Präsident Bush, sorgen.

Allerdings dürften die Prominenten, wenn sie überhaupt schreiben und mit der Internetöffentlichkeit zurecht kommen, nur für das notwendige Häubchen zur Attraktion von Aufmerksamkeit für den Start sorgen. Huffington hat, um das Projekt zu sichern und für die Anbindung an die Blogosphere zu sorgen, auch zahlreiche Blogger eingeladen, unter ihrem Dach weiter zu schreiben. Sie könnten einfach das weiter machen, was sie schon immer gemacht hätten – "interessante Meinungen und neue Ansichten von den interessanten Tagesthemen liefern", sie würde nur das "Megaphon" zur Verfügung stellen, also die Gewähr für größere Aufmerksamkeit bieten, die die Blogger ja suchen. Man sei, so Huffington, deswegen auch nicht auf ein paar Menschen angewiesen, die täglich schreiben, da so viele "interessante Menschen" teilnehmen, so dass immer jemand etwas zu berichten haben wird. Zu erwarten ist, dass die Blogger, die sich für das Projekt gewinnen ließen, neben den Nachrichten aus der "Redaktion" die Publikation wesentlich prägen werden.

Wenn das Projekt, das am 9. Mai ans Netz geht, tatsächlich Erfolg haben und keine Bauchlandung sein wird, die dann vermutlich auch einen Teil des Hypes der Blogs mit sich reißen würde, so dürfte es interessant zu beobachten sein, wie man mit den Kommentaren der Leser umgeht. Bislang scheint man dies den einzelnen Bloggern überlassen zu wollen. Neben der Werbung sollen Einnahmen auch aus dem Verkauf von Inhalten erzielt werden. Dabei rückt man allerdings von den Blogs haben, die sich ja dadurch gegenüber den herkömmlichen Medien auszeichnen, dass die Autoren ihre Inhalte direkt und ohne jede redaktionelle Kontrolle veröffentlichen können. Die Artikel und Kommentare, die aus dem Gruppenblog an andere Medien verkauft werden, sollen hingegen auf Belege überprüft und redigiert werden. Sind es aber dann noch Blogs? Aber vielleicht schafft Huffington mit ihrem Gruppenblog oder ihrer Website etwas Neues zwischen Blog und traditionellem Medium, auch wenn ihr Projekt zunächst den Unterschied einschmilzt.