Gut wirtschaften im Ruhrgebiet
Zum Beispiel Hamm
Im Ruhrgebiet steht der Schuldenforscher vor einem Rätsel: Drei fast gleich große Städte (siehe Grafik) haben derart unterschiedliche Schulden, dass zu fragen ist, ob tatsächlich allein der seit Jahrzehnten bekannte Strukturwandel die Stadtsäckel leert. Die Stadt Hamm steht in Sachen Haushalt vergleichsweise gut dar. Einige Gründe dafür nennt Bernd Maßmann, Referatsleiter für Grundsatzfragen und Öffentlichkeitsarbeit im Büro des Oberbürgermeisters.
Herr Maßmann, was hat Hamm richtig gemacht?
Bernd Maßmann: Wir konsolidieren seit fast 20 Jahren unseren Haushalt. Seitdem haben wir rund ein Fünftel unseres Personals abgebaut. Das heißt aber nicht, dass diese Stellen einfach eingespart wurden. Ein solcher Stellenabbau funktioniert nur, wenn er mit einer Optimierung der Arbeitsabläufe einhergeht. Auch eine gute Arbeitsplatzausstattung beispielsweise mit EDV ist in diesem Zusammenhang wichtig. Schließlich haben wir uns stets kritisch hinterfragt, welche Aufgaben eine Kommune überhaupt und in welchem Umfang selbst erledigen sollte.
Sie haben doch hoffentlich nicht die Arbeit Ihrer Reinigungskräfte privatisiert …
Bernd Maßmann: Nein, wir reinigen nach wie vor mit eigenem Personal. Allerdings steht gerade dieser Bereich unter großem Privatisierungsdruck. Nicht zuletzt die Gemeindeprüfungsanstalt NRW als "kommunale Prüfinstanz" hat eine Privatisierung ins Gespräch gebracht. Wir sind aber überzeugt, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genauso gut und genauso günstig reinigen können. Das setzt allerdings voraus, dass die Arbeitsleistung, also die pro Stunde zu reinigende Fläche, genauso hoch ist wie in privaten Reinigungsunternehmen.
Wie groß ist diese Fläche?
Bernd Maßmann: In Klassenzimmern 250 Quadratmeter. In Kindergärten und Toiletten erheblich weniger.
Das funktioniert aber nur, wenn die Stühle hochgestellt sind...
Bernd Maßmann: Davon gehen wir aus.
Sie haben eine besondere Bäder-Story.
Bernd Maßmann: Ja, haben wir. Ende der 1990er Jahre haben wir einen Teil unserer Bäder geschlossen. Das führte natürlich zu großem Unmut in der Bevölkerung. Im Gegenzug haben wir allerdings versprochen, ein modernes Sport- und Freizeitbad zu bauen. Heute stellen wir fest, dass wir deutlich mehr Besucher haben als vor der Schließung. Das neue Bad, das Maximare, ist heute mit jährlich 470.000 Gästen das zweitbestbesuchte Bad im Ruhrgebiet.
Da gibt's auch Wellness, Gastronomie und Sauna.
Bernd Maßmann: Genau. Die reinen Schwimmbecken bringen wenig, wenn es um die Deckung der Kosten geht. Unterm Strich hat sich das Ganze gelohnt, weil ein neues Bad mit Wellness- und Saunaangeboten einen viel höheren Kostendeckungsgrad hat als herkömmliche Bäder. Der liegt so zwischen 80 und 90 Prozent der Betriebskosten im Vergleich zu 10 bis 15 Prozent.
Hagen hat etwa genauso viel Einwohner wie Hamm, aber 1000 öffentlich Bedienstete mehr. Zeigt sich das in der Haushaltssituation?
Bernd Maßmann: Aber klar. Wir hatten bis 2009 ausgeglichene Haushalte, während andere Städte in dieser Zeit eine hohe Verschuldung angehäuft haben. Bei diesen "Überziehungskrediten" gibt es in NRW nur drei kreisfreie Städte, die eine geringere Pro-Kopf-Verschuldung haben als wir. In der Gesamtverschuldung, also mit den Investitionskrediten, belegen wir sogar den dritten Platz.
Darf ich nach dem Zins fragen?
Bernd Maßmann: Das ist ganz unterschiedlich. Für langfristige Investitionskredite zahlen wir weniger als ein Prozent.
Was muss man tun, um die Bonität einer Stadt wie Hamm zu erlangen?
Bernd Maßmann: Das funktioniert nicht anders als im Privatleben. Man muss solide wirtschaften: heute, morgen und übermorgen. Denn die Banken bewerten die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Vergangenheit und prognostizieren diese auch weitestgehend für die Zukunft. Davon machen sie abhängig, ob man als Privatperson oder als Kommune kreditwürdig ist. Die Geldgeber brauchen die Sicherheit, dass sie ihr Geld zurückbekommen.
Sie haben sieben Bürgerbüros.
Bernd Maßmann: Ja, uns ist wichtig, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern die Leistungen der Stadtverwaltung direkt in den Bezirken anbieten können - ohne weite Wege in Kauf nehmen zu müssen.
Sind die Hammer nun zufriedener mit der Verwaltung?
Bernd Maßmann: Ich glaube, dass die Menschen in Hamm mit ihrer Stadtverwaltung im Großen und Ganzen zufrieden sind. Allerdings werden wir für ein Strafmandat oder eine abgelehnte Baugenehmigung sicherlich niemals Applaus bekommen. Das Problem einer Stadtverwaltung ist außerdem, dass man die riesige Bandbreite an Aufgaben nicht vermitteln kann. Die Bürger wissen nicht, was die 2500 öffentlich Beschäftigten eigentlich machen. Daher werden viele Menschen zu der Pauschalbeurteilung kommen, dass im Rathaus immer noch zu viele Menschen arbeiten. Ich bin aber davon überzeugt, dass die Bürger die Ergebnisse guter Arbeit durchaus registrieren. Beispielsweise in Form niedriger Gebühren oder die sichtbaren Erfolge in der Stadtentwicklung.
Und sind die Stadtbeschäftigten glücklicher?
Bernd Maßmann: Die Stadt bietet sichere Arbeitsplätze und vergleichsweise gute Arbeitsbedingungen. Objektiv betrachtet also Rahmenbedingungen, mit denen man durchaus zufrieden sein kann. Viele spüren auch, dass die Arbeit der Stadtverwaltung sinnvoll und erfolgreich ist. Aber natürlich wird es auch Mitarbeiter geben, die über den Arbeitgeber Stadt Hamm stöhnen.
Sie schließen Hauptschulen?
Bernd Maßmann: Unser Ziel ist es, alle Schulformen in Hamm anzubieten. Dennoch müssen wir uns auf zurückgehende Schülerzahlen einstellen. Wir haben heute deutlich weniger Schüler als noch vor wenigen Jahren. Daher bleibt uns gar keine Alternative, als Schulen zusammenzulegen.
Wie sehen Sie die Zukunft von Deutschland?
Bernd Maßmann: Deutschland ist im Vergleich zu allen anderen europäischen Mitgliedsstaaten hervorragend aus der Krise gekommen. Auch wenn die Wachstumsprognose für das kommende Jahr eher mau ausfällt, so kündigen die deutschen Unternehmen dennoch an, Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist ein entscheidendes Signal. Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland - und auch meine Stadt - den Bürgern in Zukunft Sicherheit, Wohlstand und eine hohe Lebensqualität bieten wird.
Herr Maßmann, vielen Dank für das Gespräch!
Alexander Dill ist Vorstand des Basel Institute of Commons and Economics, das sich mit der Messung von Sozialkapital und der Verschuldung von Staaten und Kommunen beschäftigt.