H2-Ready: Wie Deutschland seine Kraftwerke für die Zukunft rüstet
Deutschland stellt die Energieversorgung auf Wasserstoff um. Kraftwerke werden zukunftsfähig gemacht. Aber was bedeutet eigentlich "H2-ready"?
Die Nutzung von Wasserstoff spielt im regenerativen Energiesystem Deutschlands eine besondere Rolle zur Sicherung der Stromerzeugung. Neue und bestehende Kraftwerke müssen daher für den Betrieb mit Wasserstoff vorbereitet werden. Sie sollen H2-ready werden.
H2-Readiness: Was Kraftwerke jetzt benötigen
Der Um- und Neubau von Kraftwerken, die zu 100 Prozent mit Wasserstoff betrieben werden können, steht jedoch vor großen Herausforderungen. Zudem ist der Begriff H2-Readiness regulatorisch bisher nicht eindeutig definiert.
Forscher des Reiner Lemoine Instituts (RLI) haben in einer Studie von August bis November 2023 die technischen Anforderungen für die Umrüstung von Kraftwerken ermittelt und in einem Policy-Briefing 14 Kernaussagen mit Vorschlägen für den klimafreundlichen Einsatz von Wasserstoff in der Stromerzeugung formuliert.
Die Rolle von H2-Ready-Kraftwerken in der Stromversorgung
Sogenannte H2-Ready-Kraftwerke sollen zur Dekarbonisierung der Stromversorgung beitragen, wenn Windkraft und Fotovoltaik nicht ausreichend Strom aus erneuerbaren Quellen liefern. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat in seinem "Rahmen für die Kraftwerksstrategie" die Förderung dieser Gaskraftwerke angekündigt und zwischenzeitlich ein Ausschreibungsvolumen von zehn Gigawatt (GW) für den Zeitraum 2024 bis 2026 ausgeschrieben.
In einer zweiten Runde sollen weitere fünf GW für neue oder die Modernisierung bestehender Gaskraftwerke ausgeschrieben werden. Diese sollen mit Erdgas und später mit grünem Wasserstoff betrieben werden. Bis spätestens 2035 müssen diese Kraftwerke vollständig auf den Betrieb mit Wasserstoff umgestellt sein. Soweit die gesetzlichen Vorgaben.
Definition und Bedeutung von H2-Ready
Wer an dieser Stelle eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs H2-Ready erwartet, wird enttäuscht. Die gibt es hierzulande bislang nicht. Der TÜV Süd hat inzwischen eine erste Beschreibung veröffentlicht, die als Grundlage für entsprechende Zertifikate dienen soll.
Auch in den gesetzlichen Regelungen der EU ist H2-Readiness für Kraftwerke nicht definiert. Die EU-Taxonomie gibt aber den Rahmen für grüne Investitionen und damit auch für H2-Kraftwerke ab 2035 vor.
Die einzige nationale deutsche Regelung, die implizit die H2-Readiness von Kraftwerken definiert, ist das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz in seiner aktuellen Fassung. Hier wird als Voraussetzung für die Gewährung des KWK-Zuschlags festgelegt, dass Anlagen mit einer elektrischen Leistung von mehr als 10 MW ab 2028 mit bis zu 10 Prozent der Neubaukosten auf 100 Prozent H2-Betrieb umgerüstet werden können.
Gaskraftwerke im Wandel: Anpassung an den Wasserstoffboom
Gaskraftwerke spielen in der deutschen Stromwirtschaft sehr unterschiedliche Rollen. Besonders deutlich wird dies am Kraftwerksstandort Irsching bei Vohburg an der Donau.
Während die Blöcke 4 und 5, die von der verstaatlichten ehemaligen E.on-Tochter Uniper betrieben werden, inzwischen wieder am Strommarkt teilnehmen sollen, soll Block 6 schneller hochgefahren werden und innerhalb von 8 Minuten aus dem Kaltstart auf Volllast gehen. Innerhalb von 30 Minuten soll er Volllast erreichen können.
Er wird nicht am Strommarkt teilnehmen, sondern bei Engpässen als sogenanntes ″besonderes Netzbetriebsmittel″ eingestuft, das die Versorgungssicherheit im Netz gewährleisten soll.
Block 6 geht auf eine Ausschreibung der Netzbetreiber Tennet, Amprion und TransnetBW im Jahr 2018 für vier Gaskraftwerke zurück, für die sich Uniper mit dem Standort Irsching beworben und den Zuschlag erhalten hatte.
Von Gas zu Grün: Kraftwerkstypen für den Wasserstoffbetrieb
Für den Betrieb mit Wasserstoff kommen grundsätzlich Gas- und Dampfturbinenkraftwerke (GuD), Gasturbinenkraftwerke oder Gasmotorenkraftwerke in Betracht. Die RLI-Studie konzentriert sich auf die beiden turbinenbasierten Kraftwerkstypen, da diese in den vergangenen 20 Jahren den größten Anteil der neu installierten Leistung ausmachten.
Große Gasturbinen haben elektrische Wirkungsgrade von etwa 40 Prozent. Durch die Ergänzung mit einem Dampfkraftprozess kann die Abgasenergie der Gasturbine zusätzlich zu etwa 50 Prozent der Gasturbinenleistung genutzt werden, sodass GuD-Anlagen Wirkungsgrade von etwa 60 Prozent erreichen.
Beim Einsatz von grünem Wasserstoff, der zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, steht dieser Wirkungsgrad nur im Wettbewerb mit Brennstoffzellen, die heute in dieser Größenordnung bisher nicht verfügbar sind.
Neben der mangelnden Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff ist die Tatsache, dass Gasturbinen für den Einsatz von 100 Prozent Wasserstoff in Großkraftwerken heute noch nicht kommerziell verfügbar sind, ein Hemmnis für den Einsatz von grünem Wasserstoff.
Siemens Energy hat inzwischen als erster deutscher Hersteller ein Zertifikat für ein "H2-Ready"-Kraftwerkskonzept erhalten und liefert zwei Gasturbinen vom Typ SGT-800 mit je 62 Megawatt elektrischer Leistung und nachgeschalteter Abwärmenutzung für das EnBW-Heizkraftwerk in Stuttgart-Münster.
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