Habeck-Absage: Wie ein TV-Duell mit AfD-Kandidatin Weidel hätte enden können

Bild zeigt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck

Robert Habeck hätte beim TV-Duell mit Weidel weder viel zu verlieren noch etwas zu gewinnen. Foto: penofoto / Shutterstock.com

Schlagabtausch zur Selbstvergewisserung von AfD und Grünen: Warum keiner von beiden die gegnerische Zielgruppe erreicht hätte. Ein Kommentar.

Als Spitzenkandidat der Grünen konnte Robert Habeck in Kauf nehmen, dass ihm vorgeworfen wird, vor dem TV-Duell mit der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel zu "kneifen".

Denn deren Zielgruppe hätte er sowieso nicht umgestimmt – auch und gerade, wenn er aus der Sicht seiner Unterstützer brillant argumentiert hätte. Ein Teil seiner eigenen Zielgruppe hätte ihm aber übel genommen, dass er überhaupt "mit Nazis redet" – egal, wie gut oder wie schlecht er sich dabei argumentativ geschlagen hätte.

Warum Habeck es mit einer linken Kontrahentin schwerer hätte

Insofern kann er durch seine Weigerung, Weidel im "Duell" bei ARD und ZDF gegenüberzutreten, nicht viel verlieren.

Mit einer linken Kontrahentin hätte Habeck es bei medialer "Waffengleichheit" zumindest schwerer, seine eigenen Wähler bei der Stange zu halten, denn sie hätte ihn vielleicht vor laufender Kamera daran erinnert, dass auch die Grünen in Regierungsverantwortung viel weniger Klimaschutz betreiben, als der Weltklimarat für nötig hält – und schon gar keinen sozialen Klimaschutz.

Aber Die Linke hat keine Kanzlerkandidatin aufgestellt und muss laut Umfragen um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen.

Weidel dagegen hätte im TV-Duell einfach geleugnet, dass es irgendein Problem mit dem Klima gibt, den Verbrennungsmotor als Segen und Migration als größtes Problem dargestellt, das sich aber zum Glück durch eine "Abschiebeoffensive" lösen ließe – und damit den Seelenfrieden ihrer eigenen Zielgruppe sichergestellt.

Scholz und Habeck konkurrieren direkt um Stimmen

Vielleicht hätte sie Habeck auch noch "Ökosozialismus" unterstellt – und ihm damit aus Versehen ein paar Sympathiepunkte von Linken beschert, was dann vielleicht den Makel des "Redens mit Nazis" wieder ausgeglichen hätte. Stimmentechnisch hätte sich dadurch unter dem Strich für beide nicht viel geändert.

Einen handfesten Nachteil muss Habeck allerdings dadurch befürchten, dass es voraussichtlich kein "Triell" zwischen ihm und Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie dem Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz geben wird. Denn anders als Weidel und Habeck konkurrieren Scholz und Habeck sehr wohl um Stimmen von Unentschlossenen, denn SPD und Grüne stehen nicht für völlig unterschiedliche Weltbilder.

Viele, die inhaltlich die Grünen, Die Linke oder eine Kleinpartei bevorzugen, würden taktisch vielleicht auch SPD wählen, wenn sie darin eine reelle Chance sähen, Merz im Kanzleramt zu verhindern. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die SPD bis zum 23. Februar um mehr als zehn Prozentpunkte zulegt und die Unionsparteien einholt.

Triell hätte Scholz Stimmen kosten können

Angeblich war es Scholz, der ein "Triell" aktiv verhindert hat, um dem in Umfragen stärksten Herausforderer Merz exklusiv gegenübertreten zu können. Laut einem Bericht der Plattform Table Media soll Scholz die Sender unter Druck gesetzt und seine Teilnahme an diese Bedingung geknüpft haben.

In den Umfragen der letzten Wochen war die SPD selbst nur die drittplatzierte unter den vier Parteien, die Kanzlerkandidaten aufgestellt haben – die CDU stand in einer Forsa-Umfrage zuletzt bei 30 Prozent, die AfD bei 19 Prozent, die SPD bei 17 Prozent und die Grünen bei 13 Prozent.

Habeck jedenfalls lehnte die Einladung zum separaten Duell mit Weidel ab – und erntet dafür hauptsächlich Kritik und Spott von Personen und Gruppen, die nie im Verdacht standen, die Wahl der Grünen auch nur zu erwägen.

Lob, Kritik und Spott für Habecks Entscheidung

Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch bezeichnete ihn in diesem Zusammenhang auf der Plattform X als "Schwachkopf" und "Jammerlappen", der "lieber Pseudo-Interviews" im Stil verknallter Teenager möge.

Gelobt wurde Habecks Entscheidung sowohl von Parteifreunden als auch von dem langjährigen CDU-Politiker und früheren Generalsekretär Ruprecht Polenz, der inzwischen fast als linksliberaler Außenseiter in seiner Partei gilt und Mitglied des Vereins KlimaUnion ist.

"Diese Entscheidung finde ich richtig. Alle demokratischen Parteien sollten Habeck darin beipflichten, keinen Beitrag zu einer Aufwertung der rechtsextremistischen AfD leisten zu wollen", kommentierte Polenz auf X.

Lob und Kritik für den ÖRR von ungewohnten Seiten

Interessant ist aber auch, dass die öffentlichen-rechtlichen Sender nun von jeweils ungewohnter Seite gelobt und kritisiert werden – nicht nur wegen der Einladungspolitik, sondern auch wegen eines Tagesthemen-Kommentars, in dem der NDR-Redakteur Thomas Berbner sowohl gegen Scholz als auch gegen Habeck ausgeteilt hatte.

Letzterem warf er vor, "Klimapolitik mit der Abrissbirne" zu betreiben und mitten in einer Energiekrise Atomkraftwerke abgeschaltet zu haben, weil ihm "die grüne Ideologie wichtiger war als das Wohl des Landes". Scholz warf er vor, dies gestattet zu haben. Dafür gab es sogar von Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt, der sonst kaum ein gutes Haar am ÖRR lässt, einen Smiley mit Herzchen auf X.

Von Grünen, die sich zum "Team Habeck" zählen, gab es dagegen zahlreiche Unmutsäußerungen im Netz – bis hin zum Vorschlag, den Presserat einzuschalten. "Das war doch kein Kommentar, das war doch Verleumdung", schrieb eine Unterstützerin der grünen Spitzenkandidaten.

Ex-Grünen-Chefin bleibt cool: So sei die Natur von Kommentaren

"In den Tagesthemen einen unterirdischen Kommentar von Thomas Berbner ausstrahlen, der seinen Hass faktenfrei über Habeck äußern darf", empörte sich auf X ein Nutzer, der dort mit grünem Herzchen und Sonnenblume firmiert und den Sendern "Machtmissbrauch" vorwarf. "Was ist denn los beim ÖRR? Neutralität verlassen und aktiv Wahlkampf betreiben?" Auch AfD- und BSW-Slang wurden dem Kommentator vorgeworfen.

Viel gelassener reagierte die Ex-Ko-Chefin der Grünen, Ricarda Lang, die kürzlich im Talk mit Caren Miosga erleichtert über ihren eigenen Rücktritt gewirkt und hatte. "Sie reden ja nach ihrem Rücktritt so viel freier", hatte die Moderatorin sie gelobt.

"Vielleicht können wir uns auch einfach darauf einigen, dass man manche Tagesthemen-Kommentare großartig, manche langweilig und manche ganz schrecklich findet", schrieb Lang auf X. "Geht mir auch so. Das liegt in der Natur von Kommentaren. Und nichts davon ist ein Grund zum Ausrasten."

Die öffentlich-rechtlichen Sender scheinen jedenfalls darum bemüht, ihr "linksgrünes" Image loszuwerden, während absehbar ist, dass der nächste Bundeskanzler Friedrich Merz heißen wird. Einen Gegenbeweis für den Vorwurf des Opportunismus erbringen sie damit natürlich nicht.