Habemus Papandreou!

Papandreou übersteht seine Vertrauensfrage

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Griechenland steht vor der Pleite und die Parlamentarier streiten sich, ob die Demokratie 1974 oder 1981 ins Land zurückkam oder ob sie noch vor der Tür des Parlaments steht. Mit 155 zu 143 Stimmen bekam Papandreou das Vertrauensvotum des Parlaments. Ein Abgeordneter der Kommunisten war gestern verstorben, Oppositionspolitikerin Dora Bakoyianni weilte privat im Ausland. Ihr "Nein" wurde deshalb nicht gewertet. Die Voten von Abgeordneten, die auf einer vom Parlament organisierten Reise im Ausland waren, zählten hingegen.

Die Regierungsumbildung der vergangenen Woche hat die Fraktion der regierenden PASOK kurzfristig wieder zusammengeschweißt. Mit der Wahl seines innerparteilichen Gegners, Evangelos Venizelos, zum zweiten Vizepremier neben Thodoros Pangalos hat Ministerpräsident Giorgos Papandreou machtpolitisch eine gute Wahl getroffen.

Bei der Diskussion der Vertrauensfrage für die Regierung des Sozialistenführers Giorgos Papandreou kam es dennoch zu kontroversen Debatten. Venizelos, der außer Vizepremier auch Finanzminister ist, hatte sich vor der Sitzung telefonisch bei einigen oppositionellen Parteien um Unterstützung für seine Verhandlungen mit den Kreditgebern bemüht. Venizelos sprach mit dem konservativen Parteichef der Nea Dimokratia, Oppositionsführer Antonis Samaras, mit Dora Bakoyianni, die aus der Nea Dimokratia ausgeschlossen eine neue Partei gründete und mit dem Rechtspopulisten Giorgos Karatzaferis.

Diesen Umstand nutzte der Vorsitzende des Linksbündnisses Syriza, Alexis Tsipras, um genüsslich darauf hinzuweisen, dass die ursprünglich linke PASOK nun nur mit den Rechten spreche und nur bei diesen Unterstützung suche. Denn weder die Partei von Tsipras noch die PASOK-Abweichlerpartei "Arma Politon" und Giannis Dimaras und erst recht nicht die Kommunisten wurden von Venizelos angerufen. Interessanterweise wurde aber auch nicht die Partei von Fotis Kouvelis kontaktiert. Kouvelis war im Frühsommer 2010 mitsamt einer Gruppe Parteigänger aus dem Linksbündnis ausgeschieden und hatte die "Demokratische Linke" gegründet. Er war seinerzeit einigen Reformvorschlägen des Premiers nicht abgeneigt

Kouvelis hatte aber Papandreou auch mit gemeinsamen Wahllisten bei den Kommunal- und Regionalwahlen im November 2010 buchstäblich gerettet. Nur mit Kouvelis Hilfe konnte Papandreou die beiden größten Städte Athen und Thessaloniki gewinnen und somit ein totales Wahldebakel vermeiden. "Die wahre Demokratie ist auf dem Vorplatz und wartet darauf gehört zu werden", konstatierte Tsipras.

Kritik am Sparprogramm und kleinliche Streitereien

Alle Parteien übten harsche Kritik am Sparprogramm. Viele kritisierten vor allem Venizelos Meinungswechsel. Vor seiner Beförderung, noch Anfang der vergangenen Woche, hatte Venizelos selbst noch Zweifel am Sparprogramm der Regierung geäußert und verlangt, es müssten 180 der 300 Abgeordneten für die einschneidenden Sozialkürzungen stimmen. Als Finanzminister ist er nun anderer Meinung. Jetzt reichen ihm nach eigenen Angaben 151 Stimmen.

Mit solchen kleinlichen Streitereien plätscherte die mehrstündige Debatte dahin, bis es zum handfesten Eklat kam. Wie üblich provozierte Thodoros Pangalos die Opposition mit seinen Äußerungen. "Die Demokratie kam zum ersten Mal 1981 ins Land", sagte er zu Anfang einer Rede. 1981 wurde die nun regierende PASOK zum ersten Mal Regierungspartei und die Periode der explodierenden Staatsverschuldung begann.

Die Militärregierung wurde jedoch bereits 1974 von Konstantinos Karamanlis abgelöst. Er wurde demokratisch unter dem Motto "Karamanlis oder die Panzer" gewählt und 1977 bestätigt. Da er von den scheidenden Obristen geradezu ins Land gerufen wurde, ist Pangalos Statement seit jeher Thema von Stammtischdebatten. In einer Parlamentssitzung, die auch auf die von der EU verlangte Einigung der Parteien abzielt scheint es jedoch fehl am Platz.

Aus Protest zogen sich die Abgeordneten der von Karamanlis einst gegründeten Nea Dimokratia aus dem Plenum zurück. Papandreou versuchte sie mit Bitten um Zurückhaltung aufzuhalten. Sein Vize habe eine umstrittene Meinung geäußert, aber der Protest dagegen sei ein Eklat. "Das gesamte Ausland schaut auf uns. Was sollen wir denn für ein Bild abgeben, wenn wir uns in dieser Situation um historische Fragen streiten?", sagte er. Die Nea Dimokratia blieb vor der Tür.

Venizelos ergriff das Wort und konnte mit diplomatischen Äußerungen sowie einer flüssig und selbstsicher gehaltenen Rede die Gemüter besänftigen. Er bat erneut um Unterstützung für die Bemühungen der Regierung. Die zurückgekehrte Oppositionsfraktion konnte hören, dass Papandreou seine Schlussrede mit "1974 kam die Demokratie wieder nach Griechenland!" eröfffnete. Er fügte hinzu, dass erst mit der Wahl seines Vaters die bisher unterdrückten an die Macht gekommen seien. Über 30 Minuten folgte danach eine holprig vorgetragene Rede. in der sich Papandreou erneut für seine Sparprogramme entschuldigte. Er wolle damit das Land retten.

Es folgte die namentliche, offene Abstimmung. Giannis Dimaras, bis zum Mai 2010 PASOK-Abgeordneter, nutzte die Gunst seines Votums, um zu rufen: "Die Demokratie kam mit dem Studentenaufstand 1973 ins Land zurück!"

Auf dem Parlamentsvorplatz, dem Syntagmaplatz waren wie seit 28 Tagen tausende Bürger versammelt. Sie riefen im oberen Teil des Platzes: "Diebe, haut ab!" und "Papandreou, du Wichser, wir sind nicht zum Spaß hier!" Etwas weiter unten tagte das "Unterhaus" der griechischen Demokratie. Basisdemokratisch wird dort über Aktionen und Stellungnahmen diskutiert.