Halbzeit bei der Expo

Ein wenig Licht und mancher Schatten auf der Weltausstellung

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Die EXPO-Generalkommissarin Birgit Breuel hat beim 1. deutschen Länderspiel nach der EM-Pleite die deutsche Flagge im Niedersachsenstadion hochgehalten. Begleitet wurde sie von "Fahnenträgern" aus den anderen Nationen. Mit dieser entschlossenen Geste soll für die 2. Halbzeit der EXPO 2000 geworben werden. Auch wenn die Grundstimmung der Besucher und der beteiligten Nationen durchweg positiv erscheint, ohne ein reinigendes Donnerwetter wird auch diese Weltausstellung nicht ihren Abschluss finden. Vielleicht färbt der Sieg der deutschen Mannschaft ja auch auf die Expo2000 über.

Die EXPO und die Medien

Viel Schelte gab es in der ersten Hälfte der Expo nicht nur von den Medien, sondern auch für sie. Die negative Berichterstattung hätte mit zu dem Besucherausfall beigetragen. Das vielfach beklagte negative Stimmungsbild in den Medien spiegelt sich allerdings nicht in der Zahl der Berichte wieder. Immerhin seien nach Angaben von Pressechef Lampersbach nach einer Auswertung 90 Prozent aller Veröffentlichungen neutral formuliert. Nur sechs Prozent behandelten die EXPO kritisch, vier Prozent hätten eine positive Tendenz.

Demnach hätte die EXPO kein Medienproblem, diskutiert würde oftmals nur über kritische Stimmen, aber die vielen Reportagen über die Inhalte der Weltausstellung und die Nationen würden die Masse der Artikel ausmachen. Um die Journalisten ebenfalls in die positive Grundstimmung der Besucher zu versetzen, fanden an zwei Tagen umfangreiche Veranstaltungen rund um das sogenannte Bergfest der EXPO statt. Die Journalisten sollten die imposanten Möglichkeiten einer Weltausstellung noch einmal richtig schätzen lernen, um endlich positivere Schlagzeilen zu produzieren.

Eine Halbzeitbilanz

Die eigentliche Pressekonferenz fand am Tag des offiziellen Bergfestes nach weiteren Führungen in der "Postbox" und der "cyclebowl" statt. Angetreten zur Berichterstattung waren neben Birgit Breuel auch weitere Mitglieder der Geschäftsführung. Insgesamt äußerte man sich nach 73 Tagen Weltausstellung zufrieden. Nach einem Traumstart mit Beginn der Weltausstellung sei die Expo "sehr schnell in Turbulenzen geraten", sagte Birgt Breuel durchaus selbstkritisch. Solche Töne waren in der Vergangenheit von der Generalkommissarin der Weltausstellung selten zu hören. Sie betonte sogar, dass die Debatte um die prognostizierten 40 Millionen Besuchern notwendig gewesen sei.

Zur Zeit erreicht man eine durchschnittliche Besucherzahl von 130.000 bis 150.000. Ursprünglich war man im Wirtschaftsplan in den Monaten August und September von 300.000 bis 400.000 EXPO-Gästen pro Tag ausgegangen. Selbst eine Spitzenzahl von 450.000 Besuchern wurde ins Auge gefasst, denn damit wäre aus Sicherheitsgründen die Kapazitätsgrenze des Geländes erreicht worden und weitere Personen hätten am Eingang umkehren müssen. Inzwischen berichtet der EXPO-Geschäftsführer Reinhard Volk, im Vorverkauf würden täglich bis zu 100.000 Karten abgesetzt. Aus diesem Grund hat man die optimistische Prognose, dass die Eintritte in der zweiten Hälfte der Weltausstellung deutlich höher ausfallen werden als in der ersten Halbzeit. Auf eine genaue Zahl wollte man sich auf der Pressekonferenz allerdings nicht mehr festlegen lassen.

Hervorheben wollte das EXPO-Management auch sein flexibles Handeln, als die erwarteten Besucherzahlen ausblieben. Man habe sehr schnell mit Sonderangeboten für Familien, mit dem verbilligten Abendticket und mit der Aufhebung der Parkgebühren am Weltausstellungsgelände reagiert. Alle Vergünstigungen bleiben inzwischen bis zum Ende der Weltausstellung am 31. Oktober erhalten. Selbst auf den ursprünglich geplanten Zuschlag für den Abschlusstag will man verzichten.

Keine Bilanz findet ohne konkrete Zahlenspielereien statt. So wird eine aktuelle Umfrage präsentiert, nach der 96 Prozent der Besucher die EXPO 2000 weiterempfehlen und 43 Prozent der Gäste gern ein zweites Mal wieder kommen wollen. 19 Prozent der Befragten wollen die Weltausstellung eventuell noch einmal besuchen. Publikumsmagnete und damit auch am stärksten frequentiert sind der Deutsche Pavillon, der Niederländische Pavillon und "planet m" von Bertelsmann. Bertelsmann verkündete, täglich hundertprozentig ausgelastet zu sein. Am besten gefallen hat den Besuchern der Deutsche Pavillon, die Afrika-Halle, die Atmosphäre und die kulturelle Vielfalt auf dem Gelände. Ebenfalls hervorgehoben wird der Themenbereich "Planet of Visions". Hier bilden sich jeden Tag lange Schlangen mit einer durchschnittlichen Wartezeit von einer bis eineinhalb Stunden.

Wohl auch, damit die zukünftige Berichterstattung nicht von einer Warteschlangendiskussion geprägt wird, empfahl Frau Breuel, sich nicht auch noch an den zehn stark frequentierten Pavillons anzustellen. Die Besucher sollten auf andere schöne Stellen ausweichen, riet sie. Jeden Tag werde auf der Expo das friedliche Miteinander "unterschiedlicher Religionen, Rassen und Gesellschaften gefeiert". Darum wird zum Beispiel auch zur Halbzeit ein Fest der Völkerverständigung veranstaltet. Zuerst wird Frau Breuel in das Niedersachsenstadion ziehen und dort die deutsche Flagge schwenken. "Die erste Weltausstellung in Deutschland ist ein lebendiges Forum der Völkerverständigung", sagt Birgit Breuel. "Toleranz und Solidarität sind hier eine Selbstverständlichkeit. Über ein friedliches Miteinander wird hier nicht geredet, es wird gelebt." Der Startdonner zur Aktion wurde auf der größten Trommel der Welt gegeben (Trommeln für Toleranz und Völkerverständigung).

Sehr zufrieden äußerte man sich auch über die hohe Zahl von Staatsoberhäuptern und königlichen Hoheiten. "Die hohe Anzahl von Staatsbesuchen zeigt, dass das wiedervereinigte Deutschland ein guter Gastgeber für die Welt ist", sagt EXPO-Generalkommissarin Birgit Breuel. Bislang gibt es keine repräsentative Untersuchung, aber ein erster Trend zeigt, dass auch die Zahl der internationalen Besucher ansteigt. So stammen 73 Prozent der Besucher aus Europa, 9 Prozent aus Asien und Nordamerika, 4 Prozent aus Südamerika und Asien und 1 Prozent aus Australien.

Besonders erfolgreich war das Kultur- und Ereignisprogramm. Über 10.000 Events sind bis zur Halbzeit veranstaltet worden. Von besonderem Interesse waren dabei die authentischen Beiträge der Nationen. Selbst die abendlichen Partys sind leider auch kein Geheimtipp mehr. Jeden Abend geht auch lange nach dem allabendlichen Flambée (30.000 Besucher pro Abend) noch die Post beim Mexikanischen Pavillon ab. Doch auch bei den Iren und Australiern gibt es abends noch manche spontane Party. Die Stimmung im Oktoberfestzelt hat sich inzwischen auch eingestellt. Die hochkarätigen und kostenlose Konzerte in der BeatBox sind inzwischen heiß begehrt. Erwartet werden in der zweiten Halbzeit zum Beispiel noch die Kelly Family und die EXPO-Botschafterin Nina Hagen. Das umfangreiche Kulturprogramm wird bis zum Ende der Weltausstellung noch durch 74 weitere Nationentage mit authentischen Darbietungen bereichert.

Wenn es schon nicht mit der Prognose der Gesamtbesucherzahl geklappt hat, ist man wenigstens stolz, dass von den erwarteten 1.25 Millionen Schülern inzwischen schon 891.000 gekommen sind. Bei den Jugendlichen steht ein Besuch der Funsporthalle auf dem Pflichtprogramm.

Auch mit dem intellektuellen Teil der sonst sehr farbigen, bunten und manchmal auch schrillen Weltausstellung ist man inzwischen zufrieden. Im Global House werden ca. 80 weltweite Projekte vorgestellt, und die Veranstaltungen werden inzwischen auch deutlich besser besucht. Weitere 155 Projekte werden in den Pavillons von 63 Nationen vorgestellt. Beim Global Dialogue steigen ebenfalls die Teilnehmerzahlen. Hier waren besonders die öffentlichen Talk-Shows mit der Moderatorin Sabine Christiansen gut besucht, in denen eine Bilanz der Konferenz gezogen wird. 30.000 Interessierte haben die Veranstaltungen im Internet verfolgt.

Die Schattenseite der Halbzeitbilanz

Die erste Halbzeit wird dennoch blamabel beendet. Das ist auch durch noch so nett gemeinte Aktionen nicht wegzudiskutieren. 40 Millionen Besucher der Weltausstellung wurden prognostiziert, doch zur Halbzeit sind es gerade einmal 6.8 Millionen.

Die EXPO schrumpft noch weiter. Einige Gastwirte könnten in den nächsten Wochen die Segel streichen, weil sie an ihren Standorten mit den deutlich weniger Besuchern keine schwarzen Zahlen schreiben können. Bisher seien nur die Hälfte der Gastronomiebetriebe auf der Expo den Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Expo-GmbH pünktlich nachgekommen. Von über 30 Betrieben seien noch keinerlei Zahlungen eingegangen, erklärte Thomas Borcholte, Marketingchef der Expo-GmbH. Noch wird mit der EXPO GmbH um eine geringere Konzessionsabgabe verhandelt, doch wird diese Maßnahme wohl für einige zu spät kommen. Inzwischen geht man davon aus, dass gut ein Dutzend Betriebe schließen müssen. Andere stehen aber schon wieder auf dem Sprungbrett, um die schon leerstehenden Räumlichkeiten für den Rest der EXPO nutzen zu können.

Frau Breuel spricht immer gern von dem strukturellen Gewinn, den Hannover und die Region erzielt haben und kennzeichnet dies als Erfolg. Doch auch diese Aussagen stimmen nur noch bedingt, denn durch die deutlich geringere Anzahl von Besuchern sind die Gasthöfe, Hotels und auch die Privatquartiere nicht ausgelastet. Restaurants im Großraum und der Stadt Hannover können von einem EXPO-Boom nur weiter träumen. Der Stadt und dem Land Niedersachsen stehen daher deutliche Steuerausfälle ins Haus. Dennoch rechnet die EXPO-GmbH immer zwischen drei und dreieinhalb Milliarden DM an Steuermehreinnahmen vor und meint, damit entstehe rein rechnerisch kein Verlust. Vielmehr müsse man der EXPO anrechnen, dass sie mit "schwarzen Zahlen" abschließen werde.

Noch wird optimistisch die Zahl verkündet, dass es für zwei Drittel der Pavillons bzw. deren Flächen eine konkrete Nachnutzung gebe. Doch auch darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen worden. Bislang sieht es so aus, dass das Ost-Gelände lediglich am Tag genutzt werden würde. Am Abend und in der Nacht wird sich das EXPO-Gelände als "tote Gewerbe- und Industriebrache" zeigen.

Frau Breuel wird weiterhin im Mittelpunkt der Kritik stehen und sich nach Abschluss der EXPO der Verantwortung stellen müssen. Und wer erst einmal den Ärger am Hals hat, wird den Spott auch nicht los. Nun erklärte sie sogar Harald Schmidt zum "Liebling des Monats August" und wird sicher jeden Sendetag im August "liebevolle" Worte finden. Schon in der Sendung am 7. Juni spendete Schmidt seine Einnahmen - in Höhe von 4,20 DM - an die EXPO. Auch sonst wird sich die EXPO weiterhin ihren Kritikern stellen müssen. So hat zum Beispiel amnesty am Nationentag der Türkei umfangreiche Proteste angekündigt. Greenpeace hatte pünktlich zum EXPO-Bergfest ein McDonaldŽs-Dach unmittelbar am EXPO-Gelände besetzt und protestierte in unmittelbarer Nähe zum EXPO-Themenpark "Ernährung" gegen die Verwendung von genmanipuliertem Futter.

So ist es erstaunlich, dass Frau Breuel von Besuchern spontan um Autogramme gebeten und zur EXPO beglückwünscht wird. Auch auf der öffentlichen Pressekonferenz schallte von teilnehmenden Besuchern Beifall zur schwarzverkleideten Bühne, die man trotz ihrer Tristesse als Plattform für eine Jubelpressekonferenz gewählt hatte. Eine Besucherin traute sich gar eine Frage zu stellen und verkündete stolz, dass sie zum 15. Mal auf der Weltausstellung sei und auch in Zukunft mit ihren "unersättlichen" Enkeln die EXPO besuchen würde.