Hamastan, Fatahstan und Israel?

Arabische Reaktionen auf den Konflikt

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Cui bono? - Wem nützt es? - ist die klassische Frage, die Klarheit in schwierige Verhältnisse bringen soll. Und im Nahen Osten sind die Verhältnisse selten leicht zu durchschauen, auch der gegenwärtige Konflikt zwischen Hamas und Fatah ist kompliziert. Kein Wunder also, wenn arabische Medien hier keine gemeinsame Agenda haben, wie der amerikanische Fachmann für Öffentlichkeiten im Nahen Osten, Marc Lynch, feststellt. Ein paar Wahrheiten, im Grunde schon Gesetzmäßigkeiten, sind allerdings unübersehbar, wie andere Spezialisten für arabische Verfasstheiten bemerken: Die palästinensische Bevölkerung ist der Leidtragende im Konflikt, die Gewaltspirale dreht sich weiter, ein Plan für eine bessere Zukunft der Palästinenser liegt weder in den Kommandozentralen in Hamastan noch in Fatahstan vor.

Beim Kommando setzt auch ein viel beachteter Kommentar zum internen palästinensischen Krieg an. Erschienen ist er Mitte vergangener Woche in der arabischen Zeitung al-Hayat, der Autor heißt Khaled al-Hroub, ein Palästinenser, an der englischen Universität Cambridge tätig. Al-Hroub nimmt die politische Klasse der Palästinenser ins kritische Visier. Klarere Verhältnisse wird es seiner Meinung nach erst geben, wenn von dieser Seite das Verwirrrung stiftende Spiel gestoppt würde, wonach Politiker und militärischer Flügel der beiden Organisationen wild durcheinander agieren und reden würden. Nur eine von zwei Bedingungen für eine nicht-dunkle Zukunft der Palästinenser, die al-Hroub aufstellt.

Die erste Bedingung verlangt von der Hamas, dass sie sich zu einer Entscheidung durchringt, die im nationalen Interesse der Palästinenser liegt: zur Zusammenarbeit zwischen Gaza und der West-Bank. Selbst wenn das für die Hamas heißt, die bittere Pille zu schlucken und also mit dem korrupten Führungsstab der Fatah zu kooperieren. Alle anderen Optionen führen nach Ansicht des Autors auf eine Straße, an deren Ende ein katastrophales Ergebnis steht: die Drei-Staaten-Lösung mit einem starken Israel und zwei schwachen palästinensischen Staaten.

Über die Antwort auf die cui-bono-Frage muss Autor al-Hroub (zitiert nach einer Übersetzung) nicht lange nachdenken:

Vor allem liegt es in Israels Interesse, dass die Spaltung (zwischen Hamas, die den Gazastrefien kontrolliert und der Fatah, die (noch) die Westbank kontrolliert, Anm. des Verf.) weiter erhalten bleibt und Israel mit größter Wahrscheinlichkeit an diesem Ziel arbeiten wird: Weil die Spaltung für die Palästinenser eine ganze Serie von Problemen aufwirft, die sie lösen müssen, die aber nichts mit ihren traditionellen nationalen Ambitionen zu tun haben. Wenn die Spaltung weitergeht, wird sie diese Ambitionen langsam unterhöhlen.

Das nationale Thema der Palästinenser wird demnach völlig in der Aufgabe untergehen, Gaza und West-Bank unter einer gemeinsamen Führung zu vereinen. Das wird viel Kraft, Aufwand und Mühe kosten, die das andere, traditionelle Thema verdrängen: die Befreiung von der israelischen Besatzung. Schon jetzt zeichne sich ab, je länger die Spaltung andauere, desto hartnäckiger halten die beiden Parteien daran fest, keinen Dialog zu führen und sich stattdessen gegenseitig zu beschuldigen. Je mehr sich die Trennung bestätige, desto schwieriger werde es, sie aufzuheben, desto mehr Energie werde sie kosten.

Ob Israel tatsächlich so sehr daran gelegen ist, dass die Hamas ihre Herrschaft in der unmittelbaren Nachbarschaft ausgebaut hat, ist allerdings nicht so klar, wie es al-Hroub nahe legt. Auch in manchen Teilen der arabischen Medien hat die rabiate Machtübernahme der Hamas in Gaza Unbehagen ausgelöst; zwischendrin wurde das sogar so gesehen, als ob die Hamas den "Krieg in den arabischen Mainstream-Medien" verlieren würde.

Vieles spricht aber dafür, dass sich im Konflikt zwischen Hamas und Fatah die Lager bilden, die sich schon im Krieg zwischen der Hisbullah und Israel im letzten Jahr gezeigt haben. So wie seinerzeit Medien aus Jordanien und Saudi-Arabien vor allem die Hisbullah attackiert haben, würden sie jetzt Erzählweisen pflegen, in denen die Hamas schlecht weg kommt, berichtet Marc Lynch. Nach seinen Beobachtungen verfolgen die arabische Medien gegenwärtig keinen einheitlichen Kurs. Zugute kommt dies den USA: Jedesmal, wenn sich arabische Satellitensender und große Zeitungen auf ein Thema in den Kommentaren und Leitartikeln einigen, zeige sich als gemeinsamer Nenner immer eine verschärfte Abneigung gegen amerikanische Politik. Diesmal, so Lynch, zeige man Interesse an allerhand Ablenkungen.