Hambach und die Kommission: Der Kampf um die Kohle

Seite 2: Kein Kompromiss in der Kohlekommission

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In Berlin gab es unter anderem eine Blockade der nordrhein-westfälischen Landesvertretung am vergangenen Wochenende und Proteste vor dem Treffen der Kohlekommission am gestrigen Dienstag.

Einige Zeitungen hatten zuvor berichtet, dass sich dort ein Kompromiss abzeichne, der auf einen Kohleausstieg im Jahre 2038 hinauslaufe.

Das weisen die in der Kommission vertretenen Umweltverbände zurück. In einer gemeinsamen Stellungnahme vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Campact, Deutsche Umwelthilfe, Germanwatch, Greenpeace, NABU, Naturfreunde, WWF und vom Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) wird auf die "anhaltende Rekorddürre und die verheerenden Taifune und Hurrikane in Asien und den USA" verwiesen, die erneut verdeutlichen würden, wie "wichtig die Umsetzung unserer völkerrechtlich verpflichtenden Klimaziele ist".

Will Deutschland seine Verpflichtungen im Klimaschutz wissenschaftsbasiert umsetzen, muss die Kohleverstromung bis 2020 halbiert werden. Bis 2030 muss der Ausstieg aus der Kohle weitestgehend abgeschlossen sein. Dabei gilt: Wir reden nicht über abstrakte Zieldaten, sondern über reale Emissionsbudgets. Je entschlossener mit dem Ausstieg begonnen wird, desto moderater gestaltet sich deshalb das Enddatum.

Wir stehen für Verbindlichkeit. Einerseits für einen sozial gerechten, strukturpolitisch begleiteten Kohleausstieg, andererseits für die wissenschaftsbasierte Umsetzung der Temperaturlimits des Pariser Klimaabkommens. Dafür braucht es die ambitionierte zusätzliche Abschaltung von Kapazitäten. Was nun öffentlich als "Kompromisslinie" skizziert worden ist, wäre klimapolitisch ein Schlag ins Wasser. Ein solcher Ausstiegspfad, der lediglich einen vorhersehbaren, marktgetriebenen Prozess beschreibt, ist für uns inakzeptabel.

Kai Niebert, DNR-Präsident

Greenpeace, der BUND und andere Umweltverbände planen für den 6. Oktober eine Demonstration vom Dorf Buir zum Hambacher Forst unter dem Motto "Wald retten! Kohle stoppen!".

Real-Satire aus dem Umweltministerium

Während im Hambacher Forst geräumt wird, lädt das Bundesumweltministerium gemeinsam mit der Nationalen Klimaschutzinitiative zu einer Aktionswoche unter dem Motto "So geht Klimaschutz" ein. (Ernsthaft. Das Leben ist manchmal das beste Kabarett.)

Abbildung Umweltbundesamt

Im Rahmen der Klimaschutzinitiative leisteten "über 25.000 Projekte in ganz Deutschland einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der nationalen Klimaziele. Jährlich werden so über eine Million Tonnen CO2 eingespart." Tatsächlich wird Deutschland das Klimaschutzziel für 2020 um mindestens 100 Millionen Tonnen CO2 verfehlen.

Eine Millionen Tonnen CO2 wird von den neun Blöcken des Kraftwerk Niederaußem mit ihren zusammen knapp 3,4 Gigawatt Leistung, in denen die Kohle aus dem Hambacher Tagebau verbrannt wird, in ca. 14 Tagen aus dem Schornstein gepustet. Was also Zehntausende Bürger in 25.000 lokalen Initiativen jährlich schaffen, wird mit der Verbrennung der Hambacher Kohle in zwei Wochen zunichte gemacht.

Hambacher Forst könnte noch gerettet werden

Dabei sind die Anlagen in Niederaußem noch nicht einmal voll ausgelastet, wie die Daten des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme zeigen. In den letzten Jahren lieferten sie übers Jahr gemittelt nur jeweils zwischen 70 und 80 Prozent der möglichen Leistung, womit sie sogar noch zu den Spitzenreitern unter den Braunkohlekraftwerken gehörten.

Real hat Niederaußem 2016 laut Emissionsdaten knapp 25 Millionen Tonnen CO2 emittiert (und jede Menge Quecksilber, Feinstäube, Cadmium, Arsen, Stickoxide, Schwefeldioxid und so weiter).

RWE meint ja, dass seine Kraftwerke und die Ausweitung des Hambacher Tagebaus für die Versorgung der Region unablässig seien. Deren geringe Auslastung - die meisten laufen noch weniger als Niederaußem - spricht aber eher dagegen.

Ebenso die Tatsache, dass Deutschland von Jahr zu Jahr mehr Strom exportiert und dass ein erheblicher Teil - 2017 rund 27 Prozent der Nettoausfuhren - davon aus dem Rheinland in die Niederlande geliefert wird, wo der billige Braunkohlestrom dortige Kraftwerke niederkonkurriert.

Zuletzt wurden 2017 52,27 Milliarden Kilowattstunden netto exportiert. Das war mehr als das Doppelte der Jahresproduktion von Niederaußem oder über ein Drittel des gesamten Braunkohlestroms. Würden also einige der ältesten und ineffektivsten Kraftwerke sofort stillgelegt, wie es die Umweltverbände und auch die Linke sowie die Grünen im Bundestag fordern, dann könnte nicht nur der Hambacher Forst gerettet, sondern auch noch das 2020er Klimaschutzziel erreicht werden.