Hamburg: Terroristen-Jagd wie in den 1970ern?
Seite 2: Olaf Scholz: "Es gab keine Polizeigewalt"
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Angesichts dieses Szenarios bleibt dann doch ein Gefühl der Dankbarkeit: Nämlich dankbar zu sein dafür, dass nicht Menschen zu Tode kamen in jener Chaosnacht. Das Ergebnis war ein Scherbenhaufen: Im wahrsten Sinne des Wortes in einigen Straßenzügen im Stadtteil Sternschanze und politisch, sowohl auf Seiten der Protestierenden als auch im Rathaus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hielt sich von Anfang an dezent zurück, obwohl es ihre Show war.
Sie überließ es Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Der vermag das Problem indes bis heute nicht so recht zu erkennen. "Es gab keine Polizeigewalt" ist sein Mantra, obwohl die versammelte Weltpresse schon in den Tagen vor Beginn des Gipfels das Entsetzen über die Brutalität nicht leugnen konnte, mit der die Einsatzkräfte z. T. gegen die Protestierenden vorgingen, dabei Gerichtsbeschlüsse ignorierten und friedliche Zusammenkünfte sabotierten und gewaltsam auseinandertrieben, wo immer sich die Gelegenheit dazu ergab.
Mehr als 100 Verfahren gegen Polizeibeamte widersprechen ebenfalls diesem von Scholz gezeichneten Bild der friedlichen Polizei. Das Organisationsbündnis der Proteste wies von Anfang an jede Verantwortung weit von sich. Klar, Protest ist ein verfassungsmäßig garantiertes Recht. Die erwartbar aufgeladene Stimmung in dem Wohngebiet zusätzlich anzuheizen, indem eine Demo mit kalkuliert Hunderttausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern direkt vor den Tagungsort in eben jenem dicht besiedelten Wohngebiet geführt werden sollte, jedoch der helle Wahnsinn.
Die Mehrheit der Menschen im Stadtteil, sowohl die Anwohnenden als auch die Gewerbetreibenden, wollten weder den Gipfel vor ihrer Haustür noch die Proteste. Weil sich jede und jeder ausmalen konnte, wohin das führen würde. Und selbst die schlimmsten Befürchtungen wurden bei weitem übertroffen.
Dieses unüberschaubare Chaos zu entzerren, ist nun Aufgabe des Hamburgischen Senats und der hanseatischen Polizei. Der Bund hält sich immer noch gepflegt aus allem raus. Der entstandene materielle Schaden sollte durch Bereitstellen einer immensen Summe Geld aufgefangen werden. Dafür muss jemand haftbar gemacht werden.
Zwar ist bei denen, die eventuell der Mittäterschaft in jener Chaosnacht überführt werden können, vermutlich finanziell nichts zu holen - aber wenigstens können dann der Öffentlichkeit Schuldige präsentiert werden. Nachdem die Gefangenen, die z. T. bis heute noch einsitzen, diesen Part mangels Beweisen nicht erfüllt haben. Also muss die Polizei andere Saiten aufziehen.
Die Bevölkerung soll aktiv werden
Möglicherweise fiel jemandem zufällig alte Plakate mit Fahndungsfotos aus den 1970ern, wo mit Steckbriefen nach RAF-Terroristinnen und -Terroristen gesucht wurde, in die Hände, vielleicht war es auch eine Eingebung beim Brainstorming in der Polizeizentrale, jedenfalls kam die Polizei auf die glorreiche Idee, mittels Fahndungsfotos und -Videos, die der Öffentlichkeit präsentiert werden, zu arbeiten. Interaktive Terroristen-Hatz à la 1977 sozusagen. Alle dürfen mitmachen, der Denunziation sind keine Grenzen gesetzt.
Fotos und Videos sind auf der Webseite der Polizei Hamburg einzusehen, thematisch geordnet nach 5 Gebieten: "Straftaten im Bereich der Elbchaussee", "Straftaten im Bereich der Straße Rondenbarg", "Stein- und Flaschenwurf", "Plünderungen", "G 20 Not Welcome!". Timo Zill, Pressesprecher der Polizei Hamburg, sprach von 3.340 Ermittlungsvorgängen und bekannten Namen von mehr als 100 Personen. Schätzungsweise waren laut Zill 5-6.000 Personen aktiv an den Vorkommnissen rund um den G20-Gipfel beteiligt.
Die Fahndungsfotos sind mit Informationen versehen wie: "Die Person ist dabei, Tatkleidung gegen andere, mitgeführte Kleidung auszutauschen" oder "männlich, mitteleuropäisches Erscheinungsbild, Glatze, Dreitagebart". Den Gesuchten wird gefährliche Körperverletzung, schwerer Landfriedensbruch oder Brandstiftung vorgeworfen.
Damit ist jetzt der Bevölkerung der Ball zugespielt, aktiv für Aufklärung zu sorgen. Super, dann muss sich die Politik keinen Kopf mehr darum machen, wie es überhaupt so weit kommen konnte.