Handel mit menschlichen Stammzellen
Eine US-Universität gründet ein Institut für den Vertrieb von menschlichen Stammzellen, Ressource für möglichen Gewebe- oder Organersatz
Nicht nur genetische Informationen bilden den Rohstoff der boomenden Biotechnik, sondern ganz entscheidend für einen der wichtigsten Zukunftsmärkte sind menschliche Stammzellen, aus denen sich alle anderen speziellen Zellen des menschlichen Körpers bilden können. Könnte man Stammzellen gezielt zu bestimmten anderen Körperzellen entwickeln, so ließ sich nach Bedarf Zell- oder Organersatz erzeugen, ohne auf Transplantation zurückgreifen zu müssen. Kombiniert mit dem vom Roslin-Institut entwickelten Zellkerntransfer, könnte man in Stammzellen auch die Kerne der Zellen von erwachsenen Menschen einbauen. Und nebenbei könnte man natürlich mit Stammzellen auch Klons herstellen. Zunächst einmal aber muss die Technik weiter entwickelt werden, wozu man Stammzellen benötigt, die man aus menschlichen Embryos erhält.
Eine der beiden Forschergruppen, die 1998 erstmals eine Möglichkeit entwickelten, Stammzellen zu kultivieren und sich differenzieren zu lassen, war neben dem Team von John Gearhart von den John Hopkins Medical Institutions, verbunden mit Geron, das Team von James A. Thomsom von der University of Wisconsin-Madison (Zell- oder Organersatz auf Bestellung?). Bei dem vom Wisconsin Regional Primate Research Center zunächst bei Rhesus-Affen und dann auch mit menschlichen Zellen entwickelten Verfahren wurden isolierte Stammzellen aus Blastozyten verwendet, die im Zuge der Embryogenese ein paar Tage nach der Empfängnis entstehen. Für das Experiment benutzten sie Blastozyten, die im Verlauf einer In-Vitro-Fertilisation entstanden, aber nicht der Mutter eingesetzt wurden. "Diese Zellen unterscheiden sich von allen anderen menschlichen Stammzellen, die bis heute isoliert wurden", sagt James Thomson. "Als Ursprung aller Zelltypen tragen sie das große Versprechen in sich, in der Transplantationsmedizin, der Suche und Entwicklung von Medikamenten und der Erforschung der menschlichen Entwicklungsbiologie eingesetzt werden zu können." Das Team von den John Hopkins Medical Institutions setzte für ihre Forschung hingegen Zellen von abgetriebenen Embryos ein.
Die Forschung an Stammzellen ist natürlich nicht unumstritten. Da aber ein großer Markt erwartet wird, man Sorge hat, die jeweils heimische Bio-Tech-Branche könnte Wettbewerbsnachteile haben, wenn man die Forschung an menschlichen Stammzellen verbieten würde, beginnt sich die Front der Gegner aufzuweichen. In Deutschland wäre diese Art von Forschung mit menschlichen Embryonalzellen noch verboten, in den USA gibt es dafür bislang lediglich keine öffentlichen Gelder, in Großbritannien etwa will man die Forschung zulassen. Aber woher erhalten die Wissenschaftler die nötige Ressource, also die Stammzellen aus abgetriebenen Embryonen oder nicht mehr gebrauchten Blastozyten?
In diese Bresche will jetzt die University of Wisconson-Madison einspringen und hat ein Institut unter der Leitung von Thomson gegründet, das die begehrten Zellen an "qualifizierte Wissenschaftler" verteilen will. Natürlich gibt es für die von Thomson entwickelte Stammzellentechnik entsprechende Patente, die von einem nicht profitorientierten Unternehmen der Universität namens WARF als geistiges Eigentum gehalten und zugunsten der Universität lizenziert werden. Letztlich ist hier also die Universität das Unternehmen, das über den Umweg durch WARF Gewinne durch Lizenzen des geistigen Eigentums erzielt. Freilich ist auch das neue gegründete WiCell-Institut wieder nicht profitorientiert, dessen primäre Aufgabe es sein soll, "Zellen für die Forschung an akademischen und privatwirtschaftlichen Instituten zur Verfügung zu stellen", wie Carl Gulbrandsen, Direktor von WARF, sagt. "Unsere Absicht ist es, diese Zellen allgemein und für Universitätswissenschaftler zu geringen Kosten zugänglich zu machen." Auf jeden Fall eine gute Idee, sich eine gute Ausgangsposition für die vielversprechenden möglichen Anwendungen zu sichern. Man verspricht sich von der Forschung an Stammzellen "eine Revolutionierung der Transplantationsmedizin und eine Grundlage für eine lebenslange Behandlung von vielen Krankheiten".
Die Stammzellen werden, wie gesagt, aus Embryos gewonnen, die weniger als eine Woche alt sind und gewissermaßen bei der In-Vitro-Fertilisation als "Abfall" anfallen, da die Paare, für die sie erzeugt wurden, diese nicht mehr brauchen. Angeblich werden sie von diesen speziell für dieses Projekt nach informierter Zustimmung gespendet. Jetzt muss also möglichst die Reproduktionstechnik sich ausweiten, um die nötigen "überflüssigen" Embryos zum Handel mit den Wisconsin-Zellen zu erhalten.
Angeblich gab es schon mehr als 100 Anfragen bei Thomson, besonders hervorgehoben wird, dass "mindestens ein Dutzend Unternehmen" Interesse an der Stammzellentechnik gezeigt hätten. Ende des letzten Jahres wurden von den National Institutes of Health (NIH) neue Richtlinien für die Verwendung von Stammzellen in der mit öffentlichen Geldern unterstützten Forschung ausgerarbeitet und erwartet offensichtlich einen Nachfrageboom, wenn diese in Kraft treten. Doch die Initiative für einen weltweiten Handel mit menschlichen Stammzellen will die Technik und das Wissen über Stammzellen voranbringen, was dann sicher auch wieder der Universität und ihrem geistigen Eigentum zugute kommt. Bislang habe nur eine Handvoll von Instituten in den USA und in Europa mit Stammzellen gearbeitet. Wie die Lizenzbedingungen genauer aussehen, wird noch nicht gesagt, aber es gäbe einige Beschränkungen für die Verwendung der Zellen. Beispielsweise dürfe man sie nicht zum Klonen verwenden oder in intakte Embryonen einbauen. Aber das wird vielleicht auch nur vorübergehend der Fall sein, denn ethische Einschränkungen gehen gerne mit dem Stand des technisch Möglichen mit.