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Zweifel an der Wirksamkeit des Kyotoprotokolls

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Das Kyotoprotokoll schreibt verbindliche Werte zur Reduzierung der Treibhausgase wie Kohlendioxid fest. Beschlossen wurde das Abkommen im Jahr 1997 und ratifiziert in 2005, inzwischen sind 170 Staaten dem Abkommen entweder beigetreten, haben es ratifiziert oder ihm formell zugestimmt. Es fehlt indes die Teilnahme von führenden Industrienationen wie den USA oder auch Australien. Der Kohlendioxidausstoß betrug in Deutschland im Jahr 2004 umgerechnet auf die Einwohnerzahl gut 12 Tonnen pro Person. Das ist mehr, als die Richtlinien einer Nation erlauben. Damit sie sich nicht einschränken müssen, sollen Industrienationen, die zuviel Kohlendioxid ausstoßen, Emissionstitel von Staaten erwerben können, die nicht so viel schädliche Gase in die Atmosphäre pusten.

Dieses Geld wird unter anderem in Aufforstungsprojekte gesteckt und soll auch der Landbevölkerung zugute kommen, damit sie sich aktiv am Waldschutz beteiligen. Pionierland ist Costa Rica, das dafür im Jahr 1997 den nationalen Fond zur Waldfinanzierung FONAFIFO einrichtete. Bereits seit zehn Jahren lockt das mittelamerikanische Land also bereits umweltbewusste Investoren.

Erste Erfolge

Annährend 20 Prozent des in den 50iger und 60iger Jahren für Rinderherden abgeholzten Regenwaldes sei so wieder aufgeforstet worden, berichtet Alexandra Saénz vom Forstfond FONAFIFO, der diese Projekte koordiniert. Größter Investor in den Fonds ist der costaricanische Staat, der das Geld vor allem durch eine Ökosteuer auf Benzin einsammelt. Davon fließt ein guter Teil in den Forstfond FONAFIFO als Hauptquelle der jährlich 15 Millionen US-Dollar, die dieser zur Projektförderung ausgeben kann,

Diese Waldprojekte schaffen ein Naturkapital, welches in Emissionszertifikate umgewandelt werden kann. Ein Beispiel ist das Projekt COPOAGRI im Süden Costa Ricas. Dort geht es um Wiederaufforstung und Regeneration des Ökosystemes. Es partizipieren zudem 4000 kleine und mittlere Produzenten.

Alexandra Saénz (Forstfond FONAFIFO)

Die kleinen und mittleren Produzenten beteiligen sich direkt an dem Projekt, sie pflanzen auf ihren Höfen Bäume zur Holzgewinnung oder als Mischkultur mit Kaffeepflanzen. Dafür bekommen sie ein Honorar, welches zu einem guten Teil von Unternehmen gezahlt wird, als freiwillige Wiedergutmachung für ihre ökologischen Schandtaten.

Vorreiter ohne Akzeptanz

Bereits ein Jahr bevor das Kyotoabkommen zur Reduzierung der Treibhausgase beschlossen wurde, führte Costa Rica im Jahr 1996 die erste Transaktion im Geiste von Kyoto durch. Die norwegische Regierung investierte in ein Wasserkraftwerk in dem mittelamerikanischen Land und bekam dafür ein Zertifikat. Doch der Kyotohandel, der damals so hoffnungsfroh begann, kam sehr bald ins Stocken. Der costaricanische Staat bietet weiterhin Investitionsmöglichkeiten, aber der Exekutivrat für sogenannte CDM-Projekte des Kyotoprotokolls erkennt diese nicht an. CDM steht für „Clean Development Mechanism“ und definiert die Spielregeln für Klimaschutzprojekte in den Staaten des Südens.

Costa Rica hat bis heute offiziell keine einzige Transaktion nach dem Kyotoprotokoll vornehmen können, weil die Mechanismen sehr kompliziert und teuer sind. Die entwickelten Länder sind skeptisch, ob wir die Auflagen tatsächlich erfüllen können. Seit mehr als einem Jahr versuchen wir, dass unsere Überwachungsmechanismen von der internationalen Kontrollinstanz anerkannt werden. Aber wir stoßen auf taube Ohren, obwohl die Mechanismen Transparent gewährleisten und wir alle Auflagen erfüllen.

Alexandra Saénz (Forstfond FONAFIFO)

Das Kyotoprotokoll bestrafe die Länder, die sich bereits vor dessen Verabschiedung um Regeln für den Handel mit Emissionszertifikaten gekümmert haben, indem es diese Erfahrungen nicht anerkennt. Einen anderen Verdacht nährt das auf Emissionshandel spezialisierte Internetportal Point Carbon mit Hauptsitz in Oslo: Es zitiert Insider, die berichten, dass die Kyotoauflagen in den Ländern des Südens unverhältnismäßig streng kontrolliert werden, während man in Europa nicht so genau hinschaue. Unternehmen und Privatpersonen, die in Costa Rica Emissionszertifikate erstehen, machen dies, weil sie an das Konzept glauben.

Projekte umstritten

Umstritten sind indes bei vielen Umweltschützen Costa Ricas die Projekte, die Mensch und Natur zugute kommen sollen. Einer ist der sehbehinderte Biologe Robert Almeida. Er stammt aus Brasilien und lebt seit 12 Jahren auf der abgelegenen Osa-Halbinsel im Süden des Landes, nahe dem Nationalpark Corcovado. Hier arbeitet er zusammen mit der Bevölkerung eines kleinen Ortes und berichtet von einem gescheiterten Projekt, das er für exemplarisch hält.

Die Projektverantwortlichen brachten den Kleinbauern Saatgut, das gar nicht der Gegend angemessen war. Eine Zeit lang wurde viel Geld in das Projekt gepumpt, dann zog man sich aber plötzlich zurück. Die Gemeinde blieb auf sich alleine gestellt mit neuen Pflanzungen, mit denen sie sich nicht auskannten. Das Projekt scheiterte auf ganzer Linie und die Wirtschaft des Ortes kollabierte.

Robert Almeida, Biologe, Osa-Halbinsel

Auch wenn es anderenorts nicht so katastrophal läuft und Kleinbauern tatsächlich von den Zahlungen profitieren, sehen sich Kritiker durch solche Berichte bestätigt: Emissionshandel sei ein Zahlenspiel zur Profitmaximierung von Spekulationsfirmen und diene nur sehr bedingt dem Klimaschutz. Das denkt zumindest Javier Baltodano von Amigos de la Tierra, der costaricanischen Partnerorganisation des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland BUND.

Hier wird versucht, das Problem des Klimawandels durch einen Marktmechanismus zu lösen. Das ist ein neoliberales Konzept, das sich voll und ganz auf den Markt konzentriert, um ein Problem zu lösen, das eben dieser Markt geschaffen hat mit seinem Konsumwahn und der ungerechten Güterverteilung weltweit.

Javier Baltodano, Amigos de la Tierra

Fundierte Zweifel

Javier Baltodano hat mit Umweltschützern aus acht Nationen konkrete Rechenbeispiele beigesteuert für ein Buch zum Thema namens Carbon Trading (Seite 247-254). Seiner Rechnung zufolge sind die Bilanzen beim Handel mit Treibhausgasen dubios; die Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes sei um ein vielfaches geringer als angenommen. Anstatt sich auf den Emissionshandel zu konzentrieren, sollte es internationale politische Initiativen geben, um verbindliche Regelungen zum Klimaschutz durchzusetzen. Dabei lobt der Umweltschützer die Ökosteuer auf Benzin, durch die in Costa Rica Umweltschutzprojekte finanziert werden.

Auch die deutsche Umweltschutzorganisation Pro Regenwald beäugt das Konzept des Emissionshandels mit großer Skepsis:

Costa Rica ist eines der Länder mit den meisten Projekten im Rahmen der CO2-Reduktion. Dort ist es mittlerweile möglich, beim Staat Kohlenstoff-Gutschriften zu kaufen, anstatt direkt in einzelne Projekte zu investieren. Die Mittel werden hauptsächlich für Schutz vorhandener Wälder, nachhaltige Waldwirtschaft und die Anlage von Plantagen eingesetzt. Viele Entwicklungsländer lehnen das Konzept ab und bezeichnen es als Öko-Kolonialismus. Anreize zum Energiesparen in den Industrieländern seien wichtiger. Denn wer im Ausland sparen kann, wird zu Hause weiter prassen.

An den Maßnahmen beteiligte Energieversorgungsunternehmen profitieren doppelt: Erstens vermeiden sie in den Industrieländern den Umbau der Energiewirtschaft in Richtung Energiesparen und damit Verkaufsverluste. Andererseits erschließen sie sich auf diese Weise neue Märkte in den Entwicklungsländern oder den Ländern des ehemaligen Ostblocks.

Dokumentation Pro Regenwald

Kyoto im Kleinen neu definiert hat derweil die offizielle Regierungspolitik in Costa Rica: Durch vermehrte Investition in Wiederaufforstungsprojekte und andere Umweltschutzmaßnahmen soll die Ökobilanz für Urlauber - zum Beispiel aus Deutschland - ausgeglichen werden. Auch der Fernreisende soll so das gute Gefühl haben, dass die Treibhausgase, die durch seinen Transport anfallen, zumindest rechnerisch aus der Welt geschafft werden.

Torge Löding (Voces Nuestras, Costa Rica)