Hanseatische "Völkerverständigung" im "Tansania Park"
In Hamburg sollen Kolonialkriegerdenkmäler aus der Nazi-Zeit zu neuen Ehren kommen
In Hamburg sollen mehrere Kolonialkriegerdenkmäler aus der Nazi-Zeit zu neuen Ehren kommen - als "Zeichen für Völkerverständigung". Zur Einweihung des "Tansania-Parks" am 5. September hat auch Tansanias Ministerpräsident eine Einladung erhalten. Kritiker bemängeln das unbedarfte Vorgehen der Initiatoren. Weil eine angemessene Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte fehlt, befürchten sie eine romantisierende Symbolwirkung.
Unter dem harmlosen Titel "Tansania-Park" plant der Kulturkreis Jenfeld seit gut einem Jahr, das zehn Meter hohe "Schutztruppen-Ehrenmal" für die in den deutschen Kolonien gefallenen Soldaten, das zweiteilige Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmal (sogenanntes Askari-Relief) sowie den Tansania-Pavillon der Expo 2000 einträchtig nebeneinander aufzustellen. Ort: Das Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne in Jenfeld, in der bis 1999 die Bundeswehr stationiert war und heute der Bundesgrenzschutz residiert. Jetzt sollen die 1939 aufgestellten Denkmäler nicht mehr nur den Soldaten vorbehalten sein, sondern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Morgen nun eröffnen der Zweite Bürgermeister, Mario Mettbach (Schill-Partei), Tansanias Ministerpräsident, Frederick Sumaye, den Park. Offizieller Titel: Gedenkstätte in der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne, Untertitel: "Tansania-Park".
Von Anfang an war das Projekt höchst umstritten. Mehrere Initiativen verlangten erfolglos die Verschiebung der Parkeröffnung. Die GAL kritisiert die Konzeptlosigkeit des Vorhabens und beantragte, dass eine fachlich kompetente Arbeitsgruppe Vorschläge für ein geschichtsdidaktisches Konzept der Anlage entwickeln solle.
Wir glauben nicht, dass eine kleine kommentierende Tafel ausreicht, die deutsche Kolonialvergangenheit in Afrika aufzuarbeiten. Wir wollen an diesem Ort auch keine Pilgerstätte der Ewiggestrigen haben
Frank Hiemer, GAL-Sprecher im Wandsbeker Kulturausschuss
Zwar wurde nach den Protesten vor rund einem Jahr ein wissenschaftliches Kuratorium gebildet, in dem neben Vertretern der zuständigen Behörden auch die beiden Initiatoren, Horst Junk, Vorsitzender des Kulturkreis Jenfeld und Jürgen Gotthardt, Hamburger Kaufmann und Honorarkonsul von Tansania, sitzen. Auch eine Vertreterin des Völkerkundemuseums sowie des Eine-Welt-Netzwerkes und zwei Wissenschaftler vom Sonderforschungsbereich Umbrüche in afrikanischen Gesellschaften und ihre Bewältigung an der Hamburger Universität arbeiteten in diesem Gremium an einem Konzept für die Anlage. Letztere legten allerdings ihre Arbeit nieder aus Protest gegen die mangelnden Umsetzungsmöglichkeiten. Zudem hatte der Kulturkreis Jenfeld in einer Nacht und Nebel Aktion - trotz erheblicher Einwände von Kuratoriumsmitgliedern - kurzerhand das Askari-Relief aufgebaut.
Zeit, um in breiten Diskussionen die schwierige Frage zu beantworten, welche Rolle Denkmäler bei der kritischen Aufarbeitung der Verbrechen der Kolonialzeit spielen könnten, wurde sich nicht genommen und ist offensichtlich auch nicht gewünscht. Zwar grenzen sich die Initiatoren des Parks gegen Kolonialrevisionismus ab und wollen den Park nicht für Besucher öffnen, "die nach braun riechen", so Horst Junk, der Vorsitzende des Kulturkreises.
Dennoch offenbart das Vorgehen eine gewisse Naivität. Zum einen ist es kein Geheimnis, dass gerade in rechten bis rechtsextremen Kreisen ein großes Interesse besteht, die Denkmäler wieder zu neuen Ehren kommen zu lassen. So sammelte der "Traditionsverband ehemaliger Schutz- und Überseetruppen" Geld für das Askari-Relief. Zum anderen wundert es, dass Horst Junk so sehr überrascht über die Reaktionen war: "Uns ging es am Anfang nur um die Denkmalpflege, denn die Arbeit des Bildhauers Ruckteschell ist eine künstlerische Leistung, die sehr wertvoll ist. Es war nicht vorauszusehen, dass wir so angegriffen werden." Die geäußerte Kritik halte er für völlig überzogen.
Der "Tansania-Park" werde nun trotz Kritik eingeweiht, denn zwei wichtige Schritte seien getan, sagt der Wandsbeker Bezirkamtsleiter Gerhard Fuchs (CDU). "Es wird zwei Informationstafeln der Kulturbehörde geben", so Fuchs. Zudem habe das Kuratorium eine Begleitbroschüre erstellt. Ein dritter Schritt stehe noch aus: Der Expo-Pavillon werde so lange nicht aufgestellt, bis nicht ein museumspädagogisches Konzept vorliege. "Die Debatte im Verlauf des letzten Jahres hat gezeigt, dass die Öffentlichkeit ein Defizit in der Bewertung dieser Denkmäler und ihrer heutigen Einordnung hat", sagt Fuchs. Es sei nun Aufgabe der Historiker und nicht der Politik die Kolonialzeit aufzuarbeiten. Offensichtlich ist für ihn damit die öffentliche Auseinandersetzung um die Kolonialvergangenheit in Hamburg beendet, einer Stadt übrigens, die neben Berlin zur wichtigsten Metropole des wilhelminischen Kolonialreiches zählte. "Es ist erfreulich, dass diese schmerzliche Auseinandersetzung jetzt eine einvernehmliche Lösung gefunden hat", sagt Fuchs und legt besonderen Wert auf das Wörtchen "einvernehmlich".
Kritiker wie Frank Hiemer (GAL) bemängeln, dass es nie eine ernsthafte Debatte mit den Initiatoren gegeben habe: "Weder reden sie inhaltlich darüber, noch setzen sie sich mit der Kritik auseinander." Heiko Möhle vom Sonderforschungsbereich "Umbrüche in afrikanischen Gesellschaften und ihre Bewältigung" an der Hamburger Universität, kritisiert jedoch nicht nur die Konzeptlosigkeit des Vorhabens, sondern auch den geplanten Standort.
In der Lettow-Vorbeck-Kaserne war das Traditionsbatallion der "Schutztruppe" für Deutsch-Ostafrika stationiert, das auch der Initiator für die Errichtung der beiden Monumente, die jetzt im Tansania-Park stehen sollen, gewesen sein dürfte. Bei der Einweihung der beiden Ehrenmäler im August 1939 gedachte General Paul von Lettow-Vorbeck den "Heldentaten der Schutztruppe" Er selbst hatte am Vernichtungskrieg gegen die Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwest teilgenommen und war ab 1914 Kommandeur der "Schutztruppe" in Deutsch-Ostafrika, die im Ersten Weltkrieg gegen alliierte Truppen kämpfte. Zu seiner "Schutztruppe" gehörten neben 3.600 Deutschen auch etwa 15.000 Askaris, loyale afrikanische Soldaten, sowie 45.000 einheimische Hilfskräfte, die als Träger, Boten und Späher eingesetzt wurden.
Noch heute hält sich die Legende, dass die afrikanische Bevölkerung hinter Lettow-Vorbeck gestanden habe. Insbesondere die "Treue der Askaris" wird dafür als Beleg angeführt. Tatsächlich aber waren die Askaris hoch bezahlte und privilegierte Söldner aus Regionen wie dem Sudan oder dem südlichen Afrika (v.a. Zulus), die Träger wurden in der Regel von der "Schutztruppe" verschleppt und zum Arbeiten gezwungen.
Die Nationalsozialisten nährten den Askari-Mythos, indem sie die schwarzen Soldaten als plumpe, aber treue Ergebene zeigten, wie in dem Askari-Relief von Walter von Ruckteschell, das jetzt zu neuen Ehren kommen soll. Fünf überlebensgroße Soldaten schwarzer Hautfarbe, vier schwarze Lastenträger und ein weißer Soldat marschieren dort im Gleichschritt. Das Kriegerdenkmal rückt nicht etwa Tod und Leiden ins Blickfeld, sondern lässt Assoziationen an abenteuerliche Safari-Romantik wach werden und erweckt den Eindruck großer Eintracht.
Der Askari Mythos hinderte die Nationalsozialisten übrigens nicht daran, einzelne schwarze Kriegsveteranen, die in Deutschland beispielsweise als Kellner, Sprachlehrer oder Statisten in Kolonialfilmen arbeiteten, zu ermorden. Der in Daressalam geborene Mohammed Hussein Bayume war einer dieser ehemaligen Askaris. Als Kindersoldat diente er in der Truppe unter General Lettow von Vorbeck. Mitte der Zwanziger Jahre kam er nach Deutschland. Er wurde 1941 wegen angeblicher "Rassenschande" mit einer "Arierin" ins Vernichtungslager Sachsenhausen geschafft, wo er 1944 starb.
Deshalb möchte ein Zusammenschluss einiger Wissenschaftler und entwicklungspolitischer Initiativen das Gelände der Lettow-Vorbeck-Kaserne in Mohammed Hussein Bayume Park umbenennen. Außerdem wollen sie dort eine Tafel anbringen - im "Gedenken an die Opfer kolonialer Ausbeutung und rassistischer Gewalt".