Hat Angela Merkel die Klimapolitik abgeschrieben?

Die Energie- und Klimawochenschau: Von einer zahnlosen Umweltministerin, Österreichs Versäumnissen, Frankreichs Solarplänen, BMWs Ärger mit der Staatsanwaltschaft, radioaktiven Wildschweinen und vollautomatischen Solarfabriken

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Zwei Jahre nach dem Abschluss der Pariser Klimaübereinkunft hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am gestrigen Dienstag zu einer Jubiläumsfeier, einem One-Planet-Gipfel, in seine Hauptstadt eingeladen. Zahlreiche Wirtschaftsvertreter, UN- und Weltbank-Repräsentanten sowie 50 Staats- und Regierungschefs waren gekommen.

Darunter Großbritanniens Premierministerin Theresa May, Bulgariens Präsident Rumen Radev, Finnlands Premierminister Juha Sipilä oder seine Amtskollegin aus Bangladesch. Auch UN-Generalsekretär António Guterres war gekommen, Weltbankchef Jim Yong Kim, Bill Gates, Richard Branson, Kaliforniens Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger, New Yorks ehemaliger Bürgermeister Michael Bloomberg, zahlreiche Bürgermeister von Hauptstädten aus aller Welt und so weiter. Nur Bundeskanzlerin Merkel fand die Veranstaltung nicht so wichtig und schickte lediglich ihre geschäftsführende Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD).

Diese machte mit leeren Händen und ohne ernsthaftes Mandat eine eher klägliche Figur, indem sie einen höheren Preis für Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) forderte, ohne allerdings einen konkreten Preis zu nennen. Bemerkenswert daran ist, dass die Bundesregierung im Rahmen der EU in den vergangenen Jahren die Gelegenheit gehabt hätte, im Emissionshandelssystem für höhere Preise zu sorgen.

Stattdessen hat man sich dafür eingesetzt, dass die Verursacher ihre Kontingente zunächst lange Zeit kostenlos bekamen, dass diese genehmigten Summen nicht rechtzeitig nach unten korrigiert wurden und dass daher seit Jahren ein Überangebot den Preis für die Emissions-Zertifikate in den Bereich einiger weniger Euro drückt.

Dadurch kann Kohlestrom an der Leipziger Börse zu Niedrigstpreisen verkauft werden, was unter anderem die von den Verbrauchern zu zahlende EEG-Umlage in die Höhe treibt.

Derweil hat Chinas stellvertretender Premierminister Ma Kai in Paris angekündigt, dass sein Land ebenfalls ein Emissionshandelssystem einführen wolle. Man darf gespannt sein, ob in der Volksrepublik tatsächlich das eher kontraproduktive EU-Modell kopiert wird, oder ob sich Beijings Umweltökonomen etwas Effektiveres haben einfallen lassen. Das System solle schrittweise eingeführt werden, so Ma, und den Unternehmen Marktanreize zum Vermindern der Emissionen bieten.

Ansonsten gab es auf dem Pariser Gipfel zahlreiche Ankündigungen von Unternehmen, Banken, Versicherungen und anderen institutionellen Anlegern. Die Weltbank will zum Beispiel nur noch in Ausnahmefällen Projekte in der Öl- und Gasförderung und -verarbeitung finanzieren, zahlreiche Anleger wollen sich aus den fossilen Energieträgern zurückziehen und Städte verpflichteten sich auf Klima-Aktionspläne. Im nächsten Jahr will man sich im US-Staat Kalifornien zu einem Climate-Action-Gipfel wieder treffen.

Auch Österreich

Dennoch ist es in vielen Ländern um den Klimaschutz nicht gut bestellt. Hierzulande stagnieren die Emissionen seit Jahren auf immer noch viel zu hohem Niveau und auch beim Nachbarn Österreich sieht es nicht viel besser aus.

Dort wird derzeit wie auch in Berlin über eine neue Regierung verhandelt, und auch dort scheint bei den potenziellen Koalitionären von der konservativen ÖVP und der xenophoben sowie nationalistischen FPÖ der Klimaschutz nicht gerade hoch im Kurs zu stehen.

Die österreichischen oekonesw.at sehen entsprechend die "Klimapolitik noch auf der Kriechspur". "Bekenntnisse zum Pariser Abkommen und zu 100 Prozent Erneuerbarem Strom bleiben Marketing-Folklore, solange keine konkreten Projekte auf Schiene gebracht werden", wird Karl Schellmann vom WWF Österreich zitiert.

Österreich werde die für 2020 gesteckten Klimaschutzziele verfehlen, heißt es bei der Umweltschutzorganisation Global 2000. Die Treibhausgasemissionen seien zuletzt wieder angestiegen und Österreichs Treibhausgasbudget schon fast aufgebraucht.

Nun auch BMW?

Und immer wieder der Abgasskandal: Am Dienstag meldete die Welt, dass nun auch beim VW-Touareg, manipulative Software nachgewiesen wurde. Das Kraftfahrtbundesamt habe einen Rückruf vorgeschrieben.

Den Fahrzeugen, Geländewagen, wie man sie ja heutzutage in der modernen Großstadt unbedingt braucht, soll neue Software eingespielt werden. Betroffen seien in Deutschland 25.800 und weltweit insgesamt 57.600 Wagen. Inzwischen soll in Neuwagen bereits die neue Software eingespeist werden, aber nach dem Welt-Bericht geht es bei den zurück gerufenen Wagen um die Modelljahre 2014 bis 2017. Demnach hat der Konzern auch nach Bekanntwerden seiner Manipulationen vor mehr als zwei Jahren bis in die jüngste Vergangenheit weiter einen Teil seiner Produkte mit der Mogelsoftware ausgestattet.

Wie das Blatt aus dem Springer-Verlag berichtet, geht es in diesem Fall darum, dass im Normalbetrieb der sogenannte SCR-Katalysator nur beschränkt zum Einsatz kommt. Gemeinsam mit einer ins Abgas eingespritzten Harnstofflösung, der AdBlue-Lösung, soll er die gesundheitsschädlichen Stickoxide aufspalten und in Stickstoff und Sauerstoff verwandeln.

Letzte Woche hatte der Abgasskandal auch den anderen großen deutschen Automobilhersteller BMW erreicht. Die Deutsche Umwelthilfe hatte zusammen mit dem ZDF-Magazin "WISO" einen BMW 320d im Straßenbetrieb getestet. Das Ergebnis Stickoxidemissionen, die den erlaubten Grenzwert um bis zum 7,2fachen überstiegen.

Auf dem Prüfstand wurden die vorgeschriebenen Werte hingen eingehalten, schreibt die DUH in einer Mitteilung. Wegen des Verdachts, dass eine unzulässige Abschaltvorrichtung verwendet werde, hat daraufhin die Staatsanwaltschaft München ein Vorprüfungsverfahren eingeleitet. Das berichtet das Magazin der Spiegel auf seiner Internetpräsenz.

Auch das Kraftfahrtbundesamtes prüfe die Vorwürfe. Bei BMW dementiert man und plant eigene Messungen, die die Vorwürfe widerlegen sollen.

Bisher hat sich der Abgasskandal übrigens nicht besonders auf das VW-Konzernergebnis ausgewirkt. Das Manager-Magazin schreibt, dass das Unternehmen im dritten Quartal einen Betriebsgewinn vor Sondereinflüssen von 4,3 Milliarden Euro gemacht habe, immerhin 15 Prozent mehr als im dritten Quartal 2016. Nach Rückstellungen für den Abgasskandal würden davon noch immer 1,7 Milliarden Euro übrig bleiben.