Heimatminister Seehofer: Fachmann für die Zerstörung von regionaler Basis und Peripherie?
Seite 3: Zerstörung der kommunalen Selbstverwaltungskultur
- Heimatminister Seehofer: Fachmann für die Zerstörung von regionaler Basis und Peripherie?
- Meister der "Regionenzerstörung mittels Sozialreform"
- Zerstörung der kommunalen Selbstverwaltungskultur
- "Gesundheitsfonds": Arme Regionen noch ärmer
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Vormals waren die Selbstverwaltungen der Regionalkassen ein Teil der vielgestaltigen Selbstverwaltungskultur auf der kommunalen Ebene: Kommunalparlamente, Kirchengemeinden, Sparkassen- und Volksbankenräte, AOK-, BKK- und IKK-Vertreterversammlungen etc. Mit der politisch vorgegebenen Auslöschung der Krankenkassenselbstverwaltungen verloren die Kommunen einen zentralen Bereich bürgerschaftlicher Selbstverwaltung, nämlich Gesundheitsfinanzierung und Gesundheitsversorgung, an den Staat bzw. an den Markt.
Verringerung der kommunalen Finanzausstattung
Neben dem Verlust an Selbstverwaltungsmöglichkeiten auf der Kommunalebene beeinträchtigte die Auslöschung der Regionalkassen die Kommunalebene auch in finanzwirtschaftlicher Hinsicht. Vor ihrer Fusion waren die Regionalkassen bedeutende Einleger und Geschäftskunden der kommunalen bzw. regionalen Sparkassen und Volksbanken. Insbesondere über die Allgemeinen Ortskrankenkassen kamen, wegen der Funktion dieser Kassenart als Einzugsstelle für die Beiträge auch der anderen Sozialversicherungszweige, enorme Finanzmittel in den Geschäftsgang der kommunalen oder regionalen Sparkassen und Volksbanken. Im Vorfeld der Organisationsreform der Gesetzlichen Krankenversicherung hat Albrecht Goeschel zu diesen Verflechtungen zwischen Kommunen und Ortskrankenkassen zahlreiche Analysen erstellt (u.a. Albrecht Goeschel: Die Bedeutung des Gesundheitswesens und der Krankenversicherung für die Regionalwirtschaft. In: Informationen zur Raumentwicklung, 3/4-1985).
Beseitigung der wohnortnahen Krankenhausversorgung
Geschädigt wurde die Substanz der Kommunalebene aber nicht nur durch die Auslöschung der Regionalkassen, sondern auch durch die Zentralisierung der Krankenhauspolitik mit ihrem erklärten Ziel einer schrittweisen Ökonomisierung und Privatisierung der Krankenhausversorgung.
Mit dem "Gesundheitsstrukturgesetz" selbst wurde als erster Schritt auf diesem Weg zunächst eine Obergrenze für die Budgetsteigerungen der Krankenhäuser eingeführt. Allein dadurch schon wurde die wirtschaftliche Lage einer wachsenden Zahl von Krankenhäusern erschwert. Noch folgenschwerer war allerdings die Einführung von Fallpauschalen als neuer Finanzierungsform der Krankenhausbehandlung mit dem zwischen CDU/CSU und SPD vereinbarten Gesetz.
In den Folgejahren hat die Totalumstellung der Krankenhausfinanzierung auf Behandlungspauschalen weite Teile der Krankenhauswirtschaft ins Defizit getrieben, zur Schließung hunderter von Krankenhäusern bzw. Krankenhausabteilungen geführt und einen enormen Anstieg des Anteils der privaten Krankenhauskonzerne an allen Krankenhäusern ermöglicht. Hauptbetroffen von diesen Reformfolgen waren die wohnortnahen Krankenhäuser in den Kommunen.
Diese von Horst Seehofer vor einem Vierteljahrhundert im Bündnis mit der staatszentralistisch-gewerkschaftskonservativen SPD-Bundestagsfraktion eingeleitete Eliminierung der wohnortnahen Krankenhausversorgung wurde von der vorausgegangenen Großen Koalition und wird von der gegenwärtigen Großen Koalition aus CDU/CSU- und SPD als regelrechte Anti-Aommunalkrankenhausoffensive ihrer Vollendung entgegen getrieben. Allerdings wachsen in den betroffenen Kommunen auch Hunderte von Widerstandsinitiativen (u.a. das Buendnis Pro Krankenhäuser Wohnortnah).
Auch nach einem Vierteljahrhundert des Doppelschlages Horst Seehofers gegen die Kommunen durch 1. Liquidierung der Regional-Kassen und 2. Eliminierung der Wohnort-Krankenhäuser hat das "Linksmilieu" diesen noch nicht einmal bemerkt. Lange Jahre war in Sachen Zentralisierung der Krankenhauspolitik der einzig kompetente Gegenspieler des heutigen Heimatministers, seiner SPD-Verbündeten und der Krankenkassen-Verbände der langjährige Leiter der Krankenhausabteilung des Sozialministeriums Niedersachsen Ernst Bruckenberger. Seine Analysen dekuvrieren insbesondere den für die Seehofer-Politik typischen Missbrauch des Sozialrechts am Beispiel der Zerstörung der gemeinwirtschaftlichen Krankenhausinfrastruktur.