Heiserer Seehofer: "Die Grünen sind das wahre Sicherheitsrisiko für unser Land"
Beim Politischen Aschermittwoch remixt der SPD-Kanzlerkandidat Schulz ältere Reden und Katja Kipping kritisiert die Frisuren und die Kleidung ihrer Konkurrenten
Der Politische Aschermittwoch ist eine Tradition, die der Bayerische Bauernbund - eine Partei, die sowohl dem katholischen Zentrum als auch den Sozialdemokraten skeptisch gegenüberstand - nach dem Ersten Weltkrieg begründete. Sie nutzte die Tatsache, dass sich an diesem Tag viele Bauern zum Viehmarkt im niederbayerischen Vilshofen trafen, für politische Reden. Diese Reden vor Bauern und Rossknechten mussten inhaltlich und formal anders gestaltet sein als die vor städtischen Eliten, weil das Publikum häufig angetrunken war und sich ungern mit Pathos langweilen ließ.
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm zuerst die Bayernpartei diese Tradition auf. Ihr folgte 1953 die CSU, die die Veranstaltung vor allem durch die unterhaltsamen Reden von Franz Josef Strauß zu einem bundesweit registrierten Medienereignis machte. Die anderen Parteien sprangen ab 1965 nach und nach auf den Zug auf und imitierten die Veranstaltung in verschiedenen Städten.
Die CSU hält den Aschermittwoch wegen des großen Andrangs inzwischen in Passau ab, wo dieses Jahr mit dem Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann, dem Europaparlamentsfraktionschef Manfred Weber und dem bayerischen Ministerpräsidenten gleich vier hochrangige Redner sprachen, was die Passauer Neue Presse (PNP) als Schaulaufen um die Nachfolge Horst Seehofers interpretierte.
Doch nicht nur mögliche Seehofer-Nachfolger waren in Passau anwesend: Mit Jens Spahn hatte sich auch ein CDU-Politiker eingefunden, der als Anwärter auf den Parteivorsitz gilt, falls die Union im Herbst hinter der SPD landet und Angela Merkel zurücktritt. Verweigert Spahn den Sozialdemokraten dann eine große Koalition, könnte er bei Neuwahlen der neue Kanzlerkandidat sein.
Sollte es sich tatsächlich um eine Art Ministerpräsidenten- und Vorsitzendencasting gehandelt haben, ist das Rennen nach eher wenig mitreißenden Reden Dobrindts, Webers und Herrmanns weiterhin eher offen - und es könnte gut sein, dass Seehofer auch nach 2018 Ministerpräsident bleibt, wie er unlängst durchblicken ließ. In seiner eigenen Rede lobte Seehofer vor allem Bayern und warf Schulz vor, so weit von den Bürgern entfernt zu sein, dass er nicht wusste, dass ältere Arbeitslose länger Arbeitslosengeld bekommen. Ob Schulz das tatsächlich nicht wusste, oder ob es ihm bei seiner Äußerung dazu darum ging, die Dauer zu verlängern, ist offen und Teil eines "Spiels" mit Bedeutungsvorwürfen zu Äußerungen und Behauptungen, an dem sich Politiker aller Parteien beteiligen.
"Bits, Bytes, Bayern" und "Bayern zuerst"
Als Slogans gab der CSU-Chef "Bits, Bytes, Bayern" und "Bayern zuerst" aus. Letzteres war seinen eigenen Angaben nach schon immer seine Devise, weshalb er nichts dafür könne, wenn Donald Trump diese Forderung abgeschrieben habe. Bayern ist seinen Worten nach "ein Stückchen besser als Deutschland - und das soll auch so bleiben".
Beim Thema Sicherheit versagte ihm die Stimme und er wurde beim Aufzählen von Gewalttaten und den Äußerungen von Grünen-Politikern dazu und zu Polizeieinsätzen heiser. Sein Fazit dazu ist: "Die Grünen sind das wahre Sicherheitsrisiko für unser Land" und kommen als Koalitionspartner nicht in Frage, so lange sie sich nicht grundlegend ändern. Die einzige Polizei, zu der die Grünen stehen ist seinen Worten nach "die Sprachpolizei". Deshalb habe Nordrhein-Westfalen jetzt "No-Go-Areas" in "Angsträume" umbenannt, um behaupten zu können, Erstere gebe es gar nicht.
Schulz zitiert sich selbst
In Vilshofen lockte die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz etwa genauso viele Zuhörer wie die CSU in Passau. Dort wiederholte der Rheinländer in weiten Teilen seine "Gerechtigkeitsrede" vom Nominierungstag (vgl. Schulz - Scharping II.?) und pries (wie bereits in anderen Reden zuvor) Europa als Lösung für einen Großteil der von ihm angesprochenen Probleme an, auch für die Migration. Gegen die AfD spielte er vor allem die Höcke-Karte aus. Und wo Seehofer erzählte, dass sein Vater Bauarbeiter und im Winter regelmäßig arbeitslos war, warb Schulz mit seiner Abstammung von einem Polizeibeamten aus dem mittleren Dienst. Jubel gab es weniger zu diesen Teilen seiner Rede als zum verkündeten Anspruch, Kanzler zu werden. Als Gastredner hatten die deutschen Sozialdemokraten den österreichischen Bundeskanzler Christian Kern eingeladen.
Für die Linkspartei versuchte sich Katja Kipping in einer kleineren Halle in Passau an einer Aschermittwochsrede, die etwas bemüht unsachlich und provokativ wirkte: Sie verglich Horst Seehofer wegen seiner "wirren Frisur" mit Donald Trump und meinte, der einzige Unterschied zwischen den beiden sei, dass Seehofer nicht twittert und Bayern kleiner ist als die USA. Den AfD-Sprecher griff sie anhand seines Tweed-Sakkos an. In der Halle sorgte das für eher mäßigen Beifall - und in Sozialen Medien regte sie damit Vergleiche zu ihrer eigenen Frisur und Kleidung an.
Ähnlich bemüht wirkten die Scherze der Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt, die auf der Aschermittwochsveranstaltung ihrer Partei in Landshut meinte, Donald Duck sei wegen Donald Trump beim Standesamt gewesen, um seinen Namen zu ändern.
FDP-Chef Christian Lindner machte bei seiner Rede im niederbayerischen Dingolfing Wahlkampf für die bald anstehende Landtagswahl in seiner Heimat Nordrhein-Westfalen: Seinen Worten nach "schwimmt" der Staat derzeit "so im Geld, dass noch nicht einmal SPD und Grüne in Nordrhein-Westfalen in der Lage sind, neue Schulden aufnehmen zu müssen".
Die AfD hatte den österreichischen FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache zu ihrer Aschermittwochsveranstaltung nach Osterhofen eingeladen. Er forderte dazu auf, "die Politiker auszutauschen", bevor diese "die Bevölkerung austauschen" und "Heimat und Kultur zerstören".
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