Heißzeit bedroht Gesundheit der Menschen und macht sie zu Flüchtlingen

Flüchtlingslager in Dafur. Bild: hdptcar / CC BY 2.0

Energie und Klima – kompakt: Bei hohen Temperaturen beginnt ein Kampf ums Überleben. Studie zeigt, dass für immer mehr Menschen ihre Heimat zu heiß wird. Die Klimaszenarien sind erschreckend.

Der Sommer steht vor der Tür, und bald wird man wieder allenthalben ein Stöhnen über die Hitze hören. Vielen Menschen sind schon Temperaturen um die 30 Grad Celsius zu viel. Andere, wie der Autor dieser Zeilen, lieben sie, insbesondere natürlich die lauen Abende im Straßencafé, aber durchaus auch die träge Mittagsglut, in der sich alles in den Schatten verzieht.

Doch der menschliche Körper hat seine Grenzen. Immerhin produziert er selbst jede Menge Hitze, und wenn diese nicht abgeführt werden kann, wird es für die inneren Organe und den ganzen Organismus rasch problematisch. Extreme Hitze kann unter anderem zu Nieren- und Herzproblem führen und sogar Hirnschäden verursachen.

Aber was ist extreme Hitze? Das hängt unter anderem auch sehr stark von der Luftfeuchtigkeit ab. Der menschliche Körper hat eine Kerntemperatur von 37 Grad, die er, wenn es wärmer wird, durch Schwitzen und Verdunstung halten muss. Doch die Verdunstung ist umso schwerer, je weniger es weht und je feuchter die Luft bereits ist. Feuchtheiße Luft ist, wie wohl jeder schon am eigenen Leib erlebt hat, am schwersten zu ertragen.

Ab einer sogenannten Feuchttemperatur von 28 Grad Celsius wird es gesundheitlich anstrengend, und 35 Grad Celsius Feuchttemperatur gelten als das absolute Limit dessen, was ein gesunder Mensch längere Zeit ertragen kann.

Die Feuchttemperatur ist jener Wert, auf den ein Thermometer in Umgebungsluft durch Verdunstung und bei guter Ventilation heruntergekühlt werden kann. Die dem genannten Limit entsprechende Lufttemperatur hängt von der Stärke der Winde sowie der relativen Luftfeuchtigkeit ab und kann bei trockener Luft deutlich über, bei feuchterer Luft aber auch schon bei unter 40 Grad liegen.

Somit gehörte die ungewöhnlich frühe und für die Jahreszeit besonders extreme Hitzewelle, die im zurückliegenden April Süd- und Südostasien heimsuchte, zu den besonders gefährlichen Ereignissen.

Von Nordindien über Bangladesch und Thailand bis nach Laos wurden zwischen dem 15. und 19. April Temperaturen über 40 Grad Celsius verzeichnet, für viele Orte die höchsten je im April gemessenen Lufttemperaturen.

Da die Hitzewellen in vielen Regionen häufiger und in einem wärmeren Klima weiter zunehmen werden, warnt die Weltgesundheitsorganisationen WHO vor deren tödlichen Gefahren insbesondere für Kinder sowie Menschen über 60 und empfiehlt, die Temperatur von Innenräumen am Tag unter 32 und des Nachts unter 24 Grad Celsius zu halten.

Doch nicht jeder hat für eine Klimaanlage das – im Kapitalismus nun mal nötige – Geld oder auch nur eine dafür ausreichende Stromversorgung. Auch im 21. Jahrhundert leben noch immer 770 Millionen Menschen ohne Zugang zur Stromversorgung, die meisten davon in Afrika.

Die optimale Arbeitsumgebung für unser Gehirn ist derweil übrigens eine Raumtemperatur von 24 Grad Celsius. Als besonders angenehm empfinden Menschen für gewöhnlich einen Temperaturbereich zwischen 22 und 26 Grad Celsius, während über 28 Grad Celsius im Durchschnitt die Zufriedenheit abnimmt, wie seit Längerem aus einer chinesischen Studie bekannt ist.

Und was müssen wir in einem zukünftigen, wärmeren Klima erwarten? Ein internationales Forscherteam hat das kürzlich untersucht und seine Resultate Anfang der Woche im Fachblatt Nature Sustainability veröffentlicht.

Alle Klimamodelle sagen seit Langem eine Zunahme extremer Hitze in verschiedenen Weltregionen voraus, wenn die globale Durchschnittstemperatur weiter steigt. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind besorgniserregend. Je wärmer es wird, desto mehr Menschen würden gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, um in kühleren Regionen Zuflucht zu suchen.

2030: 1,4 Milliarden Menschen außerhalb der Klimanische

Zu diesem Schluss kommen die Autorinnen und Autoren, indem sie sich genauer die Klimanische anschauen, in der die Menschheit lebt. Dabei haben sie die Jahresmitteltemperatur als Indikator genommen und in einem ersten Schritt den regionalen Temperatur-Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990 mit den Bevölkerungsdichte-Daten für 1980 in Verbindung gebracht.

Heraus kam, dass der größte Teil der Menschheit entweder in Regionen mit einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von etwa zwölf oder von etwa 27 Grad Celsius lebt. Oder genauer: Wird die Bevölkerungsdichte über die Jahresdurchschnittstemperatur aufgetragen, so ergeben sich bei den genannten Temperaturwerten zwei sehr deutliche Maxima.

Das deckt sich mit früheren Studien und hat sicherlich auch etwas mit langfristigen historischen Trends zu tun, denn die Temperatur beeinflusst uns in vielfacher Weise: Neben den direkten Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat sie auch Einfluss auf die Arbeitsproduktivität und auf die Landwirtschaft, das heißt, auf Obst, Feldfrüchte und auf Nutztiere.

Diese Berechnungen zeigen unter anderem auch, dass 1980 nur 0,3 Prozent der Weltbevölkerung oder zwölf Millionen Menschen in Regionen mit einer Jahresmitteltemperatur von 29 Grad Celsius oder darüber lebten. 30 Jahre später hatte sich das bereits deutlich geändert. Der Vergleich von Bevölkerungsdaten von 2010 mit den regionalen Klimata der Periode 2000 bis 2020 ergibt Folgendes:

Die beiden Maxima der Bevölkerungsdichte haben sich inzwischen nach etwa 13 und etwa 27 Grad Celsius verschoben, wobei aufgrund des ungleichmäßigen Bevölkerungswachstums das Maximum bei 27 Grad größer geworden ist. Außerdem leben inzwischen 0,5 bis 1,3 Prozent der Weltbevölkerung (36 bis 88 Millionen Menschen) in Regionen mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 29 und mehr Grad.

Geht man davon aus, dass die Klimanische des Menschen nur bis 28 Grad reicht, weil darüber seine Gesundheit mehr und mehr beeinträchtigt wird, dann fallen inzwischen acht bis zehn Prozent der Weltbevölkerung aufgrund des Klimawandels aus dieser Nische heraus und weitere ein bis zwei Prozentpunkte aufgrund des Bevölkerungswachstums.

Oder mit anderen Worten: Schon die bisherige Zunahme der globalen Mitteltemperatur von 0,7 Grad Celsius zwischen den Perioden 1961 bis 1990 und 2000 bis 2020 haben dazu geführt, dass 554 bis 694 Millionen Menschen nicht mehr in der sogenannten Klimanische leben. Das Bevölkerungswachstum hat diese Zahl um weitere 77 Millionen Menschen erhöht.

Und wie geht es weiter? In einem mittleren Klimaszenario, das den gegenwärtigen politischen Trends entspricht und bis zum Ende des Jahrhunderts zu einer globalen Erwärmung um 2,7 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau führen würde, sowie einer Weltbevölkerung, die 2070 mit 9,5 Milliarden Menschen ihren Höhepunkt erreicht, ergibt sich nach den Berechnungen der Autorinnen und Autoren Folgendes:

Durch den Klimawandel für sich genommen werden 2030 eine bis 1,4 Milliarden Menschen außerhalb der Klimanische und davon 200 bis 400 Millionen Menschen in Regionen mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 29 Grad Celsius und mehr leben.

Bis zum Jahre 2090 würden diese Zahlen auf 2,2 bis 3,2 Milliarden und 1,3 bis 2,9 Milliarden Menschen anwachsen. Durch das Bevölkerungswachstum kämen noch einmal einige 100 Millionen Menschen hinzu.

Was folgt aus all dem? Zum einen machen die Berechnungen klar, dass die Lage umso schlimmer wird, je stärker die globale Erwärmung ausfällt. Das heißt, jedes vermiedene Zehntelgrad ist wichtig und würde die Folgen weniger schlimm machen.

Zum Zweiten wird deutlich, dass, wenn nicht eine erhebliche Verbesserung der Versorgung mit Klima- und Meerwasserentsalzungsanlagen, mit Energie und gesicherter Lebensmittelproduktion gewährleistet wird, großes menschliches Leid und ein erheblicher Auswanderungsdruck die Folge sein wird.

Und zum Dritten zeigen die Berechnungen auch, dass vor allem Länder besonders stark von der zunehmenden Hitze betroffen sein werden, die bisher unterdurchschnittlich zu den Treibhausgasemissionen beigetragen haben.

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