High Noon in Korea?
Einen Krieg dürfte Nordkorea nicht anstreben, aber das Ziel der Kriegsrhetorik von Kim Jong Un bleibt verborgen
Die Situation in Korea spitzt sich zunehmend zu, da nach den immer weiter getriebenen rhetorischen, wirtschaftlichen und militärischen Drohungen immer unklarer wird, welches Ziel die nordkoreanische Führung anstreben könnte. Einen Krieg auszulösen, wäre Selbstmord und kann nicht wirklich im Interesse von Kim Jong Un und seinem Regime liegen, weil das mit aller Wahrscheinlichkeit mindestens auch den Verlust der Macht bedeuten würde.
Der seit Ende 2011 an die Macht gekommene 30-jährige Kim Jong Un setzt auf die Abschreckung. Ob Nordkorea über einsatzfähige Atombomben verfügt, ist unbekannt, das Regime will aber weiter aufrüsten und hat die Inbetriebnahme des Reaktors in Yongbyon angekündigt, mit dem sich Plutonium herstellen ließe. Vermutlich ist das ganze Spektakel ein Versuch, weltweit Aufmerksamkeit zu finden und Interessen, beispielsweise gegen die neuen UN-Sanktionen nach dem dritten unterirdischen Atomwaffentest im Februar durchsetzen, möglicherweise ist es auch von innenpolitischen Interessen motiviert, die Position von Kim Jong Un über die Beschwörung einer Bedrohung von außen zu sichern.
Seit Tagen rätseln daher Regierungsvertreter und Experten, was Nordkorea mit der ganzen Aufregung bezwecken könnte, die allerdings schnell zu einem militärischen Schlagaustausch führen könnte. Schließlich haben das südkoreanische Militär ebenso wie das Pentagon ebenfalls aufgerüstet, während Nordkorea bereits verkündet hat, dass man sich im "Kriegszustand" befinde. Noch wiegelt das Pentagon ab und bezeichnet das Verhalten als nicht ungewohnt, während der nordkoreanische Generalstab warnt, dass die Gefahr eines nuklearen Kriegs nie höher als jetzt gewesen sei und sich der "Augenblick einer Explosion schnell" nähere.
Die letzte Information ist, dass Nordkorea an der Ostküste zwei Musudan-Mittelstreckenraketen, die den US-Stützpunkt in Guam erreichen könnte, auf mobile Abschussrampen gebracht haben soll. Die sollen nun irgendwo versteckt sein und jederzeit die Raketen mit einer Reichweite von 3000-4000 km abfeuern können. Südkorea hat daher zwei Aegis-Zerstörer an die Ostküste geschickt, die den Abschuss von Raketen und deren Flugbahn erfassen können, um vom landbasierten Raketenabwehrsystem abgeschossen zu werden. Auch das US-Militär hat deshalb drei Einheiten des Raketenabwehrsystems Terminal High Altitude Air Defense System (THAAD) nach Guam verlegt.
Auch über die Warnung Nordkoreas an einige, aber keineswegs alle Botschaften, ihre Sicherheit nach dem 10. April nicht mehr garantieren zu können, wenn es zu einem Konflikt kommen sollte, und deswegen eine Evakuierung zu planen, herrscht Rätselraten. Das klingt so, als könnte nach dem 10. April ein Angriff starten, allerdings würde man dies wohl nicht vorher ankündigen, zumal die Präsenz der Botschaftsvertreter im Land auch einen Schutz darstellen würde.
Zudem blockiert Nordkorea die Einreise von Südkoreanern in die Sonderwirtschaftszone Kaesong, in der 50.000 nordkoreanische Arbeiter billig für 123 südkoreanische Unternehmen tätig sind. Am Freitag kamen die nordkoreanischen Angestellten nicht zur Arbeit wegen eines Feiertags, noch sind um die 600 Südkoreaner in Kaesong. Südkorea hat bereits mit einer militärischen Intervention gedroht, wenn Nordkorea deren Sicherheit gefährden sollte, Nordkorea verlangt hingegen die Ausreise der Südkoreaner, die südkoreanische Regierung will dem nicht nachkommen. Mit der Blockade kommen keine Materialien, aber auch keine Lebensmittel mehr nach Kaesong, so dass die Produktion zu einem Stillstand kommen könnte, während die Ernährung der Südkoreaner gefährdet würde.
Ob die nicht sehr konsequent verfolgte "strategische Geduld" der US-Regierung das Hochschaukeln bremsen wird, ist zu bezweifeln. Wenn das Auswärtige Amt sagt, Nordkorea habe mit einem Angriff gedroht, ist das falsch, gedroht wurde lediglich, dass man bei einem Angriff zurückschlagen werde. Wenn Außenminister Guido Westerwelle zur "Besonnenheit auf allen Seiten" mahnt und fordert, dass die "Spirale der Kriegsrhetorik" beendet werden müsse, dann ist das Wortgeklapper. Dem nordkoreanischen Botschafter sagte Westerwelle, dass das Verhalten Nordkoreas "im Ton und in der Sache in keiner Weise akzeptabel" sei. Das wird freilich Nordkorea nicht weiter beeindrucken.
Vermutet wird, dass die im Osten installierten Mittelstreckenraketen gar nicht gegen irgendwelche südkoreanische oder amerikanische Ziele abgefeuert werden sollen, sondern den Geburtstag des "geliebten Führers" am 15. April feiern sollen. Das könnte eine Machdemonstration für Kim Jong Un sein, weil sie schon im Vorfeld dazu dient, Unsicherheit zu säen. Aber es wäre natürlich auch eine weitere Provokation, die billigend in Kauf nimmt, einen militärischen Schlagabtausch zu verursachen. Die Spekulationen zeigen, dass kein Geheimdienst in der Lage ist, die Gedanken der nordkoreanischen Führung zu erraten. Also ist weiter Spekulation angesagt.