Hilfe, ich bekomme ein Smart Meter

Seite 2: IT-Sicherheit in der Stromversorgung

Machen Smart Meter die Stromversorgung angreifbar?

Tobias Riedel: Viele haben den Roman Blackout von Marc Elsberg gelesen, in dem ein Angriff auf die Stromversorgung eine zentrale Rolle spielt. Zunächst kann man sagen, dass die Funktion von Smart Metern, die im Roman für den Angriff ausgenutzt wird, bei dem deutschen Ansatz mit Smart Meter Gateways gar nicht existiert.

Es ist aber komplexer: Durch die Energiewende wird das Energiesystem dezentraler und ist damit immer stärker auf Informations- und Kommunikationstechnik angewiesen. Auch unabhängig von der Energiewende gibt es immer mehr Geräte, deren Stromverbrauch grundsätzlich über das Internet steuerbar ist. Millionen von kleinen Anlagen werden miteinander kommunizieren und tun das bereits.

Es ist klar, dass die Kommunikation im Smart Grid hohe Sicherheitsstandards erfüllen muss. Diese Sicherheitsstandards, die für Deutschland das BSI definiert hat, werden u.a. im SMGW verwirklicht. Man kann sogar sagen: Die eigentliche Existenzberechtigung eines SMGWs ist, eine sichere und standardisierte Kommunikation unabhängig vom privaten Internetanschluss zu ermöglichen.

Smart Meter Gateways an sich machen also nicht die Stromversorgung angreifbar. Sie sind vielmehr der deutsche Ansatz, einen einheitlichen Sicherheitsstandard im Smart Grid zu setzen.

Welche Herausforderungen bestehen aufgrund der wettbewerbsbedingten Heterogenität der Technik und wie sollen Schnittstellenproblemen ausgeschlossen werden?

Kevin Förderer: Die besondere Herausforderung ist die, dass so viele verschiedene Akteure mit ganz unterschiedlichen Interessen berücksichtigt werden müssen. Angefangen bei den Stromkunden, sprich uns allen, über die Netzbetreiber, bis hin zu Stromlieferanten und den Herstellern von Anlagen, wie beispielsweise Ladesäulen oder Batteriespeicher.

Während beispielsweise ein Netzbetreiber ein Interesse haben kann, sich über den Zustand des Stromnetzes zu erkundigen und aktuell gemessene Leistungen und Spannungen abzurufen, haben die Verbraucher wiederum ein Interesse zu erfahren, ob und wann Daten abgerufen wurden. Das SMGW muss daher Buch führen, um transparent zu machen, welche Informationen wann kommuniziert wurden.

Die Interoperabilität soll dadurch gewährleistet werden, dass das BSI umfassende Vorgaben zu SMGWs und der zugehörigen Infrastruktur erarbeitet und veröffentlicht hat. Die technische Richtlinie BSI-TR-03109-1 definiert zum Beispiel sehr genau, wie das Gerät die Daten erfassen, verarbeiten und kommunizieren muss. Es sind aber nicht alle Details ausdefiniert.

Bei Fragen wie Datenformaten oder weiterführenden Schnittstellen, zum Beispiel zur Übermittlung von Strompreisen oder Lastbegrenzungssignalen, sind die verschiedenen Akteure aufgerufen sich an einen Tisch zu setzen und Standards zu definieren. Aktiv sind hier beispielsweise das Forum Netztechnik/Netzbetrieb (FNN) des VDE oder auch die EEBus Initiative e.V.

Kann die Fernsteuerung die Gefahr eines Blackouts reduzieren?

Tobias Riedel: Ja. Die Fernsteuerung gibt dem Netzbetreiber von lokalen Verteilnetzen die Möglichkeit zu reagieren, wenn es zu einer Überlastung vor Ort kommt. Vorhin wurde ja schon skizziert, dass SMGWs durchaus auch weitere Möglichkeiten bieten als die Fernsteuerung, um die Gefahr von Blackouts zu verringern. Dazu gehören definitiv auch mehr Daten über den Zustand des Stromnetzes, die dem Netzbetreiber helfen, geeignete Maßnahmen zu treffen.

Es ist zudem technisch möglich, dass zum Beispiel bei viel Windeinspeisung Batterien und Ladestationen das Signal bekommen, ihre Leistung zu erhöhen und damit den Überschuss abzufangen. Auch das kann zur Sicherheit des Stromnetzes beitragen.

Welchen Nutzen hat der Kunde?

Manuel Lösch: Das ist schwierig zu beantworten, da der Mehrwert für den Stromkunden einem Henne-Ei-Problem unterliegt: Der Markt kann keine nützlichen Lösungen anbieten, solange es die Infrastruktur nicht gibt und solange die Infrastruktur nicht vorhanden ist, können keine Lösungen entwickelt werden. Der Gesetzgeber schreibt die Infrastruktur nun vor, um Lösungen überhaupt erst zu ermöglichen.

Drei Vorteile lassen sich direkt benennen: Erstens, ein Stromkunde kann durch dynamische Stromtarife und automatisierte Anpassung des Stromverbrauchs Geld sparen. Dynamische Tarife müssen in Zukunft angeboten werden, wobei erschwerend hinzukommt, dass sich der Strompreis heute zu einem großen Teil aus fixen Steuern und Umlagen zusammensetzt. Hier gilt es für den Gesetzgeber nachzuschärfen, um genau solche Ersparnisse zu ermöglichen.

Der zweite Vorteil ist ein verbessertes Verständnis des eigenen Stromverbrauchs sowie ggf. der eigenen Erzeugung. Durch Visualisierungen kann der Stromkunde Energiefresser identifizieren und den eigenen Überschuss der Photovoltaik-Anlage verstehen. Das mag zwar simpel und offensichtlich klingen, ist vielen Menschen aber gar nicht so richtig bewusst.

Drittens, man kann das SMGW potenziell auch nutzen, um weitere Zähler anzubinden, zum Beispiel Wärme-, Gas- und Wasserzähler. Dadurch könnten diese Zähler effizienter abgelesen und damit Nebenkostenabrechnungen gesenkt werden. Letztendlich wird sich der Erfolg des deutschen Sonderwegs vor allem auch daran messen, welche neuen Lösungen der Markt in den kommenden Jahren hervorbringen wird.