Hinter dem Weltuntergang geht's weiter...
Seite 2: Klassische Action, aber auch Dada, und manchmal fast ein Experimentalfilm
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- Klassische Action, aber auch Dada, und manchmal fast ein Experimentalfilm
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In seinen Bilderwelten und seiner vergleichsweise anspruchsvollen und komplizierten Geschichte ist "Mission Impossible VI: Fallout" aber fast ein Produkt des Kalten Kriegs: Über die Welt hat sich ein unsichtbares Netz aus Kriegen, Bündnissen, Bedrohungen und geheimen Operationen gelegt; Täuschung und Scharade herrscht überall, man kann niemanden mehr trauen, denn manche Menschen haben sich in dieses Netz so verstrickt, dass sie selber nicht mehr sicher wissen, wo sie stehen. Oder sie wechseln die Seiten wie die Hemden.
Am stärksten sind die Konflikte zwischen den Verbündeten, der IMF, des britischen MI-6 und der CIA: Während die IMF unter Führung von Alec Baldwin - "I came to the IMF because of you. Don't let me regret it" - vorsichtig und unsichtbar arbeitet, bekennt die brutale CIA-Direktorin (gespielt von der wunderbaren Angela Bassett, obwohl in der Wirklichkeit eine schwarze Frau als CIA-Chefin zur Zeit absolut undenkbar wäre) offen: "Sie benutzen ein Skalpell. Ich bevorzuge den Hammer!"
Diese ganze Konstellation hat Folgen und man trägt sie mit sich mit. Mit dem "Fallout" des Titels sind ebenjene Folgen und Nebenwirkungen, die Kollateralschäden des Lebens ebenso gemeint wie der ganz praktische Fallout zweiter Atomsprengköpfe, die in die Hände von anarchistischen Apokalyptikern geraten sind, die sich "Die Apostel" nennen und durch die Drohung mit dem Weltuntergang - "Je größer das Leid, desto größer der Frieden" - eine politische Umkehr einleiten wollen. "This is n't Anarchy, this is revenge"
Es sind grandiose Actionszenen, mit denen "Mission Impossible VI: Fallout" aufwartet: Ein Sturz mit Fallschirm aufs Grand Palais -, um den Film danach fast zur Hälfte in der herrlichen Kulisse von Paris spielen zu lassen, Dauerverfolgungsjagden, besonders gern mit dem Motorrad durch enge Gassen, später zu Fuß über den Dächern von London, am Ende mit Hubschraubern, durch die weiten Himmel des eisigen Himalaya, harte Kampfkunst auf der Herren-Toilette oder an einer Hochgebirgssteilwand. Die Spannung liegt nicht die Frage, ob Ethan Hunt es schafft, das Böse zu besiegen, sondern wie.
Mehr als einmal überschreitet das die Grenze zum Absurdismus: "Mission Impossible VI: Fallout" ist klassische Action, aber auch Dada, und manchmal ist alles schon fast ein Experimentalfilm.
Lehrstunde in andauernder Improvisation
Hunt: "What makes me uncomfortable is your brother."
White Widow: "Family - what can you do?"
Trotzdem sind die persönlich-psychologischen Teile der Handlung zentral. Es sind hier vor allem wunderbare Frauenfiguren, mit denen der Film aufwartet. Die dubiose CIA-Chefin, eine geheimnisvolle sardonisch-charmante "weiße Witwe" (Vanessa Kirby), die wie einst Princess Margaret vor allem Spaß im Leben will, und allen voran die schöne britische Doppel-Agentin Ilsa Faust, die bewusst von einer Schwedin, von Rebecca Ferguson, gespielt wird, weil sie Ingrid Bergmans ikonischer Figur in "Casablanca" nachempfunden ist. Sie ist die tiefsinnigste, weil zerrissenste Figur des Films.
Ilsa rettet Ethan mehr als einmal das Leben. Wir erleben ein ziemlich erwachsenes Liebeskonzept am Schluß, eine Art Stabübergabe zwischen zwei Frauen und eine heilige Rede von Angela Bassett. Und so versuchen die Figuren dieses grandiosen, endlich einmal maßlosen Sommerblockbusters in all der rasenden Gegenwärtigkeit, die dieser Film vor allem ist, und im sehr menschlichen und zeitgemäßem Zwang zur andauernden Improvisation, die Kontrolle zu wahren und die Bausteine ihrer Identität vor deren drohender Explosion zu retten. Auch das ein unmöglicher Auftrag, der hier möglich wird.
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