Hinter der Theaterbühne
Spätestens seit Mitte 2002 war, wie ein Memo der britischen Regierung und die zunehmende Bombardierung von irakischen Zielen entlang der Flugverbotszonen zeigt, der Einmarsch in den USA eine beschlossene Sache
Die Terroranschläge vom 11.9. eröffneten der Bush-Regierung plötzlich die Möglichkeit, den globalen Krieg gegen den Terror auszurufen und in diesem Kontext den schon lange von vielen in der Bush-Regierung gehegten Plan einer Intervention im erdölreichen und geopolitisch zentralen Irak auszuführen (Bush gegen Hussein, II. Akt?). Der Krieg in Afghanistan war zuvor als unmittelbare Reaktion, die weltweit gebilligt wurde, diplomatisch wichtig und strategisch auch deswegen interessant, um den Iran, gleichfalls zur Achse des Bösen zählend, nach dem Sturz des Hussein-Regimes in einen Umklammerungsgriff mit festen Militärstützpunkten zu legen. Vor der Invasion wurde jedoch auf der Bühne der Weltpolitik die Farce inszeniert, diese mit einem Sicherheitsratbeschluss und falschen Beweisen für die Existenz von Massenvernichtungswaffen und Beziehungen zu al-Qaida zu legitimieren.
Es war ein großes, aber leicht durchschaubares Theater, bei dem die US-Regierung die Terroranschläge vom 11.9. behände ausnutzte, um welt- und innenpolitisch die Macht auszubauen und strategische Ziele zu verfolgen. Unter hohem politischen und moralischen Druck stehend, spielten viele Regierungen, auch wenn sie den Krieg gegen den Irak ablehnten, doch lange mit, als es vermeintlich darum ging, den längst von der Bush-Regierung beschlossenen Krieg durch eine UN-Resolution zu legitimieren. Die US-Regierung hatte gleichzeitig deutlich gemacht, dass der Krieg mit der "Koalition der Willigen" auch ohne Rückendeckung der UN durchgeführt werde, um die Welt von dem Schurken Hussein zu befreien. Vermutlich auch mit der Absicht, dass die UN nicht vollends als Papiertiger dekonstruiert wird, haben dann viele die diplomatische Farce der Scheinentscheidungen mehr oder weniger zähneknirschend bis zum Ende mitgespielt, allerdings mit dem Ergebnis, dass die Berichte der Waffeninspektoren dann doch beiseite gestellt und die unter massivem Druck verabschiedete Resolution von der US-Regierung als Kriegslegitimation umgedeutet wurde. Bekanntlich haben Blair und Bush bis kurz vor dem Krieg immer behauptet, dass noch keine Entscheidung zum Krieg getroffen worden sei, Hussein müsse nur alle Bedingungen erfüllen.
Another generation is fighting a new war against an enemy that threatens the peace and stability of the world. Across the globe, our military is standing directly between our people and the worst dangers in the world, and Americans are grateful to have such brave defenders. The war on terror has brought great costs. For those who have lost loved ones in Afghanistan and Iraq, today is a day of last letters and fresh tears. Because of the sacrifices of our men and women in uniform, two terror regimes are gone forever, freedom is on the march, and America is more secure.
US-Präsident Bush gestern am Commemorates Memorial Day
Auch wenn die Entscheidung, aus der Gunst der Stunde heraus in den Irak einzumarschieren, schon im September 2001 gefallen sein dürfte, so mussten hier doch ganz andere politische und militärische Vorbereitungen als für die Niederschlagung des Taliban-Regimes getroffen werden. Vor kurzem hatte die Times bereits ein Memo der britischen Regierung veröffentlicht, das zeigt, dass diese bereits vor dem Juli 2002 unter großem Druck der US-Regierung stand (Die USA und der Irak). In dem Memo heißt es, dass US-Präsident Bush entschlossen sei, militärisch wegen der "Verbindung von Terrorismus und Massenvernichtungswaffen" gegen den Irak vorzugehen, auch wenn der Termin noch nicht feststehe. Ein Krieg sei "unvermeidlich". Die US-Regierung habe bereits ihre Aktivitäten erhöht, um den Irak unter Druck zu setzen. Aber die Begründung dafür sei dürftig, der Wunsch nach einem Regimewechsel sei, so wird der Generalstaatsanwalt zitiert, rechtlich nicht zulässig. Ein Angriff könne nur dann legitim sei, wenn es um Selbstverteidigung ging oder eine UN-Resolution verletzt worden sei.
Es ging also offensichtlich schon damals gar nicht mehr darum, ob der Irak wirklich Massenvernichtungswaffen hat und ob er diese abrüstet, sondern um die Konstruktion eines Kriegsgrunds. Interessanterweise wird auch hier bereits von britischer Seite vermerkt, dass die US-Regierung kaum über die Situation nach einem Krieg sprechen sollte. Die militärischen Invasionspläne hingegen waren schon weitgehend ausgearbeitet. Im Memo wird dann der Vorschlag unterbreitet, dass man die Farce mit der UN und den Waffeninspektoren aufziehen sollte:
Saddam bedroht nicht seine Nachbarn und seine Bestände an Massenvernichtungswaffen sind geringer als die in Libyen, Nordkorea oder im Iran. Wir sollten einen Plan für ein Ultimatum an Saddam ausarbeiten, damit er die IN-Waffeninspektoren wieder hereinlässt. Das würde uns bei der rechtlichen Legitimation für die Anwendung von Gewalt helfen.
Offenbar hoffte Blair darauf, dass Hussein die Inspektoren nicht ins Land lassen würde. Das hätte die Begründung einfacher gemacht, schließlich seien Massenvernichtungswaffen und Regimewechsel insofern verbunden, als das Regime Massenvernichtungswaffen herstelle. Aber Hussein fiel zumindest auf diese Falle nicht herein (Aus dem Tritt gebracht).
Nun hat die Times weitere Informationen erhalten, die noch einmal deutlich machen, dass in Wirklichkeit die Kriegsvorbereitungen bereits im Frühjahr 2002 nach der Niederschlagung des Taliban-Regimes begonnen haben. Ab Mitte 2002 erhöhte sich die Zahl der Bombenangriffe auf irakische Stellungen dramatisch, um das Regime zu provozieren und die Invasion vorzubereiten. In der zweiten Hälfte des Jahres 2002 wurden doppelt so viel Bomben abgeworfen, als insgesamt im Jahr zuvor. Die britischen Flugzeuge steigerten ihren Abwurf noch stärker als die amerikanischen. Britische und US-amerikanische Flugzeuge überwachten angeblich auf Grund einer UN-Resolution, aber ohne ausdrückliche Genehmigung, die im Süden und Norden zum Schutz der Schiiten und Kurden eingerichteten Flugverbotszonen (Was ist ein Verstoß gegen die Irak-Resolution?). Gerechtfertigt wurde die verstärkte Bombardierung durch angebliche Angriffe auf die Flugzeuge, das Hussein-Regime protestierte und behauptete, es würden vor allem zivile Ziele beschossen.
All das ist zwar noch nicht lange her, aber auch neue Informationen über den Vorgang, der dem Irak zumindest bislang noch keinen Frieden gebracht und die Politik nachhaltig beschädigt hat, scheinen keine große Wirkung mehr zu zeitigen (Von der Wahrheit auf den ersten Blick). Die Würfel sind gefallen, an den Entscheidungen lässt sich nichts mehr ändern und vermutlich wird sich auf der Bühne der Macht in Zukunft auch nicht viel ändern, werden die Meisten denken und sich ins Unabänderliche fügen.
If true, these assertions indicate that not only had our nation secretly and perhaps illegally agreed to go to war by the summer of 2002, but that we had gone on to take specific and tangible military actions before asking Congress or the United Nations for authority.
John Conyers
US-Kongressabgeordnete unter der Federführung des demokratischen Abgeordneten John Conyers haben einen Brief an den US-Präsidenten geschrieben und diesen gebeten, auf einige Fragen bezüglich des Memos zu antworten, schließlich hat der Kongress Bush erst im Oktober 2002 dazu ermächtigt, in den Krieg zu ziehen. Das wird voraussichtlich nicht geschehen. Der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, hatte bereits Mitte Mai klar gemacht, dass die Regierung keinen Grund sehe, auf den Brief zu antworten, und dass nichts an der Vermutung dran sei, man habe die Geheimdienstinformationen über die angeblichen Massenvernichtungswaffen schon 2002 für den Krieg zurecht gezimmert:
The suggestion is just flat-out wrong. Anyone who wants to know how the intelligence was used only has to go back and read everything that was said in public about the lead-up to the war.