"Hinterhofmoscheen": Mit der deutschen Wirklichkeit überfordert?

Fatih-Moschee, Hinterhofmoschee in Wuppertal. Foto: Pitichinaccio/gemeinfrei

Verfassungsschutz-Präsident Maaßen: 90 arabisch-sprachige Hinterhofmoscheen stehen unter Überwachung wegen Hasspredigern

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Rund 90 Moscheengemeinden, überwiegend arabischsprachige, in Deutschland seien unter Beobachtung, sagte Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen heute gegenüber der ARD. Es handele sich um "Hinterhofmoscheen", wo selbst ernannte Prediger ihre Anhänger mit Hassreden aufwiegeln, ergänzte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Detailliertere Angaben machte er nicht.

Bei seinem Auftritt im ARD-Morgenmagazin war ihm eine Unterscheidung wichtig. Der Verfassungsschutz schaue sich Extremisten an, religiöse wie politische - "Was wir uns nicht anschauen, sind die Muslime in Deutschland." Maaßen legte bei seinen Äußerungen über die Hinterhof-Moscheen Wert auf die Kooperation mit den Muslimen in Deutschland.

Er sprach davon, dass man die Muslime für eine "Koalition gegen den Extremismus" brauche und plädierte für die Mitarbeit von Moderaten, "die auf der Grundlage unserer Verfassungsordnung gegen den Extremismus ankämpfen wollen".

Maaßen verknüpfte das Thema "Beobachtung des Extremismus" später auf einem Verfassungsschutz-Symposium in Berlin branchenüblich mit der Warnung vor Terroranschlägen in Deutschland und der Kritik am Urteil des Verfassungsgerichts zum BKA-Gesetz (Bundesverfassungsgericht: BKA-Gesetz ist teilweise verfassungswidrig), das wichtige Befugnisse der Geheimdienste beschneide.

Aus seinen spärlichen Informationen zur Überwachung der 90 "Hinterhofmoscheen" und der Kooperation mit Muslimen stellen sich zwei Fragen. Einmal wie die Kooperation denn aussehen sollte und zum anderen, ob die Tatsache, dass 90 Hinterhofmoscheen unter Verdacht und Beobachtung stehen, eine beruhigende Mitteilung sind ("Wir haben das unter Kontrolle") oder Anlass zur Beunruhigung.

Etwa 2.000 umfunktionierte Räume

Es gibt - nach Schätzungen, offizielle, verlässliche Angaben sucht man vergeblich - etwa 2.000 sogenannte Hinterhofmoscheen in Deutschland.

Der Begriff wecke ungute inhaltliche Assoziationen, das Phänomen sei schwer zu umreißen, schreibt Bärbel Beinhauer-Köhler in einem Forschungsartikel zu Räumen muslimischer Glaubenspraxis. Die Lektüre lohnt sich, weil sie zeigt, wie eng das Entstehen von Hinterhofmoschen mit der deutschen Nachkriegsgeschichte verbunden ist.

Infolge des wirtschaftlichen Wachstums, in dessen Folge Menschen aus muslimischen Ländern als Gastarbeiter angeworben wurden, suchten sich Notlösungen. Bei den Hinterhofmoscheen handelte es sich meist um umfunktionierte Räume, die sich als Gebetsräume realisieren ließen - und als Gemeinschaftsraum, muss man ergänzen, als Treffpunkt der Gemeinde. Die "sakralen" Anspruche stellen im Gegensatz zu Gebets-Einrichtungen der Kirche keine großen Hürden. Der Raum muss nicht geweiht werden.

Wichtig ist nur: Es muss ein nach außen abgegrenzter Ort sein, der liturgisch rein ist. Das bedeutet: Man läuft dort nicht mit Schuhen, es gibt keine Hunde oder andere Tiere, die den Ort verunreinigen können. Und: Die Betenden können sich nach Mekka ausrichten.

Mehmet Bayrak

"Demokratischer Ansatz"

Der Architekt Bayrak zeigt sich im Interview mit dem Deutschlandfunk vom demokratischen Ansatz dieser Einrichtungen, bei denen Gemeindemitglieder ihre handwerklichen Fertigkeiten einsetzen, angetan. Er stellt sie den repräsentativen Moscheen entgegen, die später mit Gründung der muslimischen Dachverbände ermöglich wurden.

So kann man als Zwischenfazit festhalten, dass "Hinterhofmoscheen", die derzeit vor allem einen pejorativen Beiklang haben, im Grunde dem entsprechen, was sich die AfD von den Muslimen erwarten: Dass sie ihre Religion möglichst im Privaten ausüben und auf Herrschaftssymbole, große Bauten mit Minaretten, verzichten. Genau diese Ansprüche erfüllen Hinterhofmoscheen. Eine ganze Zeitlang wurden die umfunktionierten Räume auch wahrgenommen, wie Beinhauer-Köhler konstatiert:

Umgekehrt stören sich viele Nichtmuslime kaum am Vorhandensein von "Hinterhofmoscheen", sondern nehmen den Islam erst in dem Moment als existent und irritierend wahr, wenn er sich im Stadtbild in Form von Neubauten zeigt.

Der Vorteil solcher repräsentativer Bauten, die spätestens seit den 1990er Jahren die Anwesenheit von Muslimen deutlicher machten, ist eben das: ihre Sichtbarkeit. Anders bei der "Hinterhofmoschee", wo sich schnell der Verdacht der "Parallelgesellschaft" einstellt.

Parallelgesellschaft und Argwohn

Zwar besteht die Mehrheitsgesellschaft aus vielen Parallelgesellschaften, die sich in Vereinsheimen treffen, bei der Feuerwehr, an Stammtischen, in der Familie, im Rotary-Club, in den Panama-Papers, bei Gesetzgebungsverfahren zugunsten der Konzerne, in den Hinterzimmern der AfD-Mitglieder etc., aber die Muslime stehen seit einigen Jahren unter besonderem Argwohn der "Mehrheitsgesellschaft".

Hier müsste die Mitarbeit der Moscheengemeinden einsetzen. Es liegt auch an ihnen, ob sie sich als Opfer einer undifferenzierten Berichterstattung sehen oder ob sie dagegen angehen. Es ist ihnen zuzumuten, Öffentlichkeitsarbeit in einer Art zu machen und Diskussionen über ihre Religion und deren Inhalte in einer modernen Gegenwart zu führen, so dass sie für Salafisten keine attraktiven Anlaufstationen sind, weil es keine gemeinsame Basis gibt.

Im Übrigen führte ein Architekt in Hamburg vor einigen Jahren vor, dass es durchaus keinen großen Aufwand benötigt, um einiges über die "versteckten Moscheen" in einer Großstadt in Erfahrung zu bringen. Dazu muss man nicht mit Schlapphut unterwegs sein.