Hitler und die Dialekte

Seite 2: Völkische Bewegung und Großstadtkultur

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Hitlers Polemiken aus der Weimarer Zeit gegen die besonders esoterisch ausgerichtete Konkurrenz innerhalb der Rechten, darunter "deutschvölkische Wanderscholaren", bezopfte völkische Theoretiker mit einer Vorliebe für altgermanische Ausdrücke und "Altertumsschwärmer", ergeben keine strikte weltanschauliche Trennungslinie. In der rassistischen und insbesondere antisemitischen "Kulturkritik" ist man sich weitgehend einig:

Kulturell verseucht er [,der Judeʻ] Kunst, Literatur, Theater, vernarrt das natürliche Empfinden, stürzt alle Begriffe von Schönheit und Erhabenheit, von Edel und Gut und zerrt dafür die Menschen herab in den Bannkreis seiner eigenen niedrigen Wesensart.

Seit der Jahrhundertwende habe man außerdem begonnen, "das beste Alte herunterzusetzen und als minderwertig und überwunden hinzustellen". Das "Reinemachen unserer Kultur" habe "sich auf fast alle Gebiete zu erstrecken. Theater, Kunst, Literatur, Kino, Presse, Plakat und Auslagen sind von den Erscheinungen einer verfaulenden Welt zu säubern und in den Dienst einer sittlichen Staats- und Kulturidee zu stellen."

All dies ist untrennbar verbunden mit einer Kritik der Großstadt:

Im neunzehnten Jahrhundert begannen unsere Städte immer mehr den Charakter von Kulturstätten zu verlieren und zu reinen Menschenansiedlungen herabzusinken.

Hitler will rücksichtslos "mit dem Unrat unserer sittlichen Verpestung der großstädtischen Kultur aufräumen".

Zentralismus und Kulturpolitik

Adolf Hitler rühmt in "Mein Kampf" das Deutsche Reich, da es im Gegensatz zu Österreich weitgehend "nur Angehörige eines Volkes" besitze. Hier handele es "sich nur darum, politische Traditionen zu überwinden, da kulturell eine gemeinsame Grundlage immer vorlag". Schon während des ersten Weltkrieges will Hitler den "verfluchten Hader unter den deutschen Stämmen" und namentlich eine "berechnete Verhetzung des Süddeutschen gegen den Norddeutschen" gehasst haben:

Es war ein geschicktes, raffiniertes Spiel, das der Jude damals zur steten Beschäftigung und Ablenkung der einzelnen deutschen Stämme trieb, um sie unterdessen desto gründlicher ausplündern zu können.

Für die einzelnen deutschen Bundesstaaten (bzw. Länder) gelte, dass sie "fast in keinem Falle sich mit stammesmäßigen Grenzen decken. Sie sind rein politische Erscheinungen", verdanken "ihr Dasein weniger stammesmäßigen Unterlagen als rein politischen Ursachen". Hitlers Votum für einen starken Zentralstaat und gegen Ländersouveränität steht außer Frage:

Der moderne Verkehr, die moderne Technik läßt Entfernung und Raum immer mehr zusammenschrumpfen. [...] Wer sich den aus einmal gegebenen Tatsachen resultierenden Folgen verschließt, bleibt eben in der Zeit zurück. Menschen, welche dies tun, gab es zu allen Zeiten und wird es auch in der Zukunft immer geben. Sie können jedoch das Rad der Geschichte kaum hemmen, niemals zum Stillstand bringen.

Insbesondere das Militär soll einen strikt "überstammlichen" Charakter aufweisen:

Das deutsche Heer ist nicht dazu da, eine Schule für die Erhaltung von Stammeseigentümlichkeiten zu sein, sondern vielmehr eine Schule des gegenseitigen Verstehens und Anpassens aller Deutschen. Was sonst immer im Leben der Nation trennend sein mag, soll durch das Heer zu einender Wirkung gebracht werden. [...] Der landsmannschaftliche Charakter soll in der Truppe bleiben, aber nicht in der Garnison. Jeder Versuch einer Zentralisation mag unsere Mißbilligung finden, die des Heeres aber niemals!

Für die Zukunft gilt:

Der Nationalsozialismus muß grundsätzlich das Recht in Anspruch nehmen, der gesamten deutschen Nation ohne Rücksicht auf bisherige bundesstaatliche Grenzen seine Prinzipien aufzuzwingen und sie in seinen Ideen und Gedanken zu erziehen.

Indessen soll der Zentralismus nicht unterschiedslos für alle Bereiche gelten:

Die Bedeutung der einzelnen Länder wird in Zukunft unbedingt mehr auf kulturpolitisches Gebiet zu verlegen sein. Der Monarch, der für die Bedeutung Bayerns das meiste tat, war nicht irgendein störrischer, antideutsch eingestellter Partikularist, sondern vielmehr der ebenso großdeutsch gesonnene wie kunstsinnig empfindende Ludwig I. [...] Die Bedeutung der Einzelstaaten wird künftig überhaupt nicht mehr auf staats- und machtpolitischem Gebiet liegen; ich erblicke sie entweder auf stammesmäßigem oder auf kulturpolitischem Gebiete. Allein selbst hier wird die Zeit nivellierend wirken. Die Leichtigkeit des modernen Verkehrs schüttelt die Menschen derart durcheinander, daß langsam und stetig die Stammesgrenzen verwischt werden und so selbst das kulturelle Bild sich allmählich auszugleichen beginnt.

Mit anderen Worten: Man muss sich hier nicht auf staatliche Zwangsmaßnahmen verlegen. Die Zeit wird schon alles im gewünschten Sinne richten.

Wer auf das zentralistische Programm in "Mein Kampf" verweist, darf im Zusammenhang mit dem Thema "Mundarten" die besonderen Passagen zur Kulturpolitik nicht einfach überlesen! Unterschlagen werden sollte ebenso wenig, dass Hitler am 30. Januar 1934 vor dem Reichstag die sogenannten "deutschen Stämme" als "gottgewollte Bausteine unseres Volkes" gewürdigt wissen wollte.