Hitzewellen könnten am Ende des Jahrhunderts jährlich 150.000 Tote in Europa verursachen
Wissenschaftler warnen, dass bei weiterem Fortschreiten der Klimaerwärmung zwei Drittel der Europäer von wetterbedingten Katastrophen betroffen sein können, vor allem in Südeuropa
Südeuropa und der Balkan befinden sich weiterhin unter einer Hitzeglocke - seit Wochen. Jetzt wurden vieler Orts Temperaturen von über 40 Grad erreicht. Der Trend ist, dass die Sommer im Süden und Südosten Europas weiter erwärmen werden, dazu kommen andere Extremwetterereignisse (Die Sommer werden heißer). Für die Menschen in den betroffenen Ländern wird es zunehmend ungemütlich, wenn die Klimaerwärmung weiter zunimmt und zu wenig gemacht wird, um sie zu begrenzen, wenn dies überhaupt noch möglich sein sollte.
Wissenschaftler haben nun in einer Studie, die in der Zeitschrift Lancet erschienen ist, versucht abzuschätzen, mit welchen wetterbedingten Risiken (Hitze- und Kältewellen, Stürme, Dürre, Waldbrände, Überflutungen von Flüssen und an der Küste) die Menschen in Europa in den 28 EU-Ländern sowie in Norwegen, in der Schweiz und bis 2100 rechnen müssen und welche Folgen dies für die Mortalität haben wird, wenn die Temperatur bis 2010 um 3 Grad über die Werte von 1990 ansteigt. Zugrunde liegt den Berechnungen für jeweils 30-Jahres-Perioden der Zeitabschnitt von 1981 bis 2010 als Vergleichsmaßstab. Ausgewertet wurden hier Daten von 2300 Katastrophen, um das Risiko für die sieben untersuchten wetterbedingten Katastrophen hochzurechnen. Angenommen wurde, dass es keinen Rückgang der Treibhausgasemissionen und keine Fortschritte zur Abmilderung von Extremwettereignissen geben wird sowie dass die demografische Entwicklung wie projiziert weitergeht.
Zwischen 1981 und 2010 sind danach durchschnittlich 3000 Menschen jährlich an mit dem Wetter verbundenen Katastrophen gestorben, vor allem durch Hitzewellen. Betroffen waren davon jährlich 25 Millionen Menschen oder 5 Prozent der Bevölkerung. Das könnte sich Ende des Jahrhunderts zwischen 2071 und 2100 massiv verändern. Dann könnten jährlich 350 Millionen Menschen solchen Ereignissen jährlich ausgesetzt sein, das wären zwei Drittel der Gesamtbevölkerung. Und die Zahl der Toten könnte 50 Mal so hoch liegen, nämlich bei 152.000 - mit einer Unsicherheit zwischen 80.500 und 239.800 Toten. 1981-2010 starben an Hitzewellen jährlich 2700 Menschen, am Ende des Jahrhunderts könnten es 151.500 sein, 5400 Prozent mehr. Zwar nehme die Zahl der Toten, die während Kältewellen sterben, zunehmend ab, aber das könne bei weitem nicht die Zunahme durch Hitzewellen kompensieren.
99 Prozent der Toten könnten dabei die Folge von Hitzewellen sein. Ansteigen werde auch das Risiko durch Überflutungen an den Küsten. Gefährdet ist wegen der Hitzewellen vor allem Südeuropa, wo bis 2100 fast alle Menschen betroffen seien. In Südeuropa müsse mit 700 Toten pro einer Million Menschen gerechnet werden, in Nordeuropa wäre das Risiko mit 3 Toten pro einer Million deutlich geringer. Für den Risikoanstieg sei zu 90 Prozent die Klimaerwärmung verantwortlich, Bevölkerungswachstum, Migration und Urbanisierung spielen mit 10 Prozent eine vergleichsweise geringe Rolle. Am sichersten leben die Menschen, was alle wetterbedingten Katastrophen betrifft, in Nord- und Osteuropa, am unsichersten die Menschen in Südeuropa, mit großem Abstand kommen an zweiter Stelle die Zentraleuropäer und an dritter die Westeuropäer. Die meisten Toten wird es nach dieser Schätzung in Spanien, großen Teilen Frankreichs, in Italien, gefolgt von Griechenland, dem Balkan, Portugal und Irland.
Über 200 Millionen Europäer mit einer Ungewissheit zwischen 83 und 379 Millionen) könnten in den letzten 30 Jahren des Jahrhunderts jährlich Hitzewellen ausgesetzt sein, wodurch sich, so die Wissenschaftler, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle und Atemwegserkrankungen vermehren können, aber auch psychische Störungen wie Depression oder posttrauatische Belastungsstörungen.