Hochwasser auf allen Kontinenten
Seite 2: Die Freiheit, die sie meinen
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Von interessierter Seite wird ja gerne unterstellt, der Klimaschutz würde ungebührend in die Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger eingreifen. Interessant wäre natürlich zu erfahren, was die Betroffenen an der Ahr oder im südlichen Rheinland dazu sagen, die tagelang abgeschnitten von Strom- und Trinkwasserversorgung in ihren zerstörten Häusern saßen und zum Teil Schwierigkeiten hatten, an dringend benötigte Medikamente zu kommen.
Doch die haben sicherlich andere Sorgen, als sich um derlei politische Debatten zu kümmern. Bei ihnen herrscht, wie es aussieht, großer Ärger über das Agieren der Behörden und der Landesregierung vor. Das legen zumindest einige Videos von Besuchen des NRW-Ministerpräsidenten Armin Lascht in der Region nahe.
Derweil weisen Wissenschaftler auf die erheblichen Gefahren durch Schadstoffe hin, die von den Wassermassen aus den Sedimenten der Flüsse und Ablagerungen an den Ufern mobilisiert wurden. Darüber berichtete die FAZ am vergangenen Wochenende. Welches Ausmaß, das in der betroffenen Region hat, ist offen. Die Zeitung zitiert vor den Hochwassern angestellte Untersuchungen.
Darin ist davon die Rede, dass in allen industrialisierten Regionen "chemische Zeitbomben" in und entlang der Flüsse schlummern, bestehend aus Schwermetallen, Dioxinen und dioxinähnliche Verbindungen. Hochwasser kann diesen Giftcocktail freisetzen und dadurch Ackerpflanzen, Weidetiere und Menschen belasten.
Und diese Kontamination richtet damit nicht nur erheblichen aber bisher wenig erforschten wirtschaftlichen Schaden an, sie schränkt auch ganz konkret Menschen in ihrer Freiheit ein, wie das Beispiel der Wuppertalsperre zeigt. "In Folge des Hochwassers sind in diese bislang nicht identifizierbare Schadstoffe (...) gelangt", schreibt die Bezirksregierung Köln auf Twitter. Bereits am 16.7. wurde Umweltalarm ausgelöst. Daher wurden diverses Verbote ausgesprochen: "Bootssport, Angeln, Baden und Tauchen etc. sind strengstens untersagt."
Aber vielleicht meint der Freiheitsdiskurs der so wenig am Klimaschutz Interessierten ja vor allem die Freiheit der Autofahrer(und seltener -innen) im Allgemeinen sowie der Politikerinnen und Politiker im Besonderen, sich nach Belieben über die Straßenverkehrsordnung hinwegzusetzen.
Neue Akkus
Und zu guter Letzt die guten Nachrichten der Woche: Zum einen weiß Golem.de vom Anbruch einer neuen Ära in der Akku-Herstellung zu berichten. Der chinesische Akkuhersteller CATL habe die Herstellung eines besonders umweltfreundlichen und kostengünstigen Akkus angekündigt, der ganz ohne das problematische aber bisher meist verwendete Lithium auskomme.
Verwendet werden stattdessen Eisen, Kohlenstoff, Stickstoff und Natrium, das kostengünstig in großer Menge aus den Abraumhalden der Kalibergwerke gewonnen werden könne. Die Ladedichte liege mit 160 Wattstunden pro Kilogramm Akku-Gewicht nur knapp unter der Lithium-Eisenphosphat-Zellen in chinesischen Tesla-3-Pkw.
Dafür sei der Akku aber weniger anfällig bei sehr niedrigen und bei hohen Temperaturen. Zudem sei kaum neue Herstellungstechnik nötig. Die neuen Akkus könnten in den gleichen Fabrikhallen wie ihre älteren Vettern produziert werden. 2023 sollen die Fließbänder anlaufen.
Wer weiß, vielleicht werden die neuen Akkus ja auch in den 12 neuen Elektroflugzeugen der Deutschen Post DHL zum Einsatz kommen, die für das Unternehmen ab 2024 jeweils etwas über 1,2 Tonnen Fracht mit Reichweiten bis zu 815 Kilometern transportieren sollen.
Zum Zweiten wurden in der Londoner Bezirk Chelsea sogenannte Lärmkameras installiert, die die Lautstärke vorbeifahrender Autos und anderer Fahrzeuge messen und Kennzeichen aufnehmen, sodass die Fahrerinnen und Fahrer gegebenenfalls verwarnt oder mit Bußgeldern belegt werden können. Im Extremfall drohe eine Beschlagnahmung des Fahrzeugs, schreibt Mail online.
Zum Dritten wurde in Berlin die erste Stufe eines Volksbegehrens abgeschlossen, das die Innenstadt innerhalb des S-Bahnrings so weit wie möglich autofrei machen soll, berichtet radio eins.
Dort besitzt ohnehin nur eine Minderheit der Haushalte einen Pkw. Um 65 Prozent soll dort der Autoverkehr reduziert werden. Macht sich das Abgeordnetenhaus genannte Landesparlament den Vorschlag der Initiative nicht zu eigen, folgt 2022 die zweite Stufe, bei der gut 170.000 Unterschriften gesammelt werden müssen, um einen Volksentscheid zu erzwingen.
Lernen von Vietnam
Und zum Vierten schreibt das PV Magazine über einen gewaltigen Sprung in der Entwicklung der Solarenergie in Südostasien. In Vietnam seien im Dezember 2020 binnen eines einzigen Monats Solaranlagen mit einer elektrischen Leistung von 6,71 Gigawatt (GW) installiert worden. Grund für den plötzlichen Boom war offensichtlich das Ablaufen von Förderungsfristen, aber der Vorgang zeigt natürlich, was beim entsprechenden politischen Willen möglich wäre.
Mit diesen neuen Anlagen lassen sich jährlich zwischen acht und 12 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugen, was etwas mehr als die Erzeugung aller deutschen Braunkohlekraftwerke in einem durchschnittlichen Monat ist. Insgesamt gingen in Vietnam (Bevölkerung 96 Millionen, Bruttonationaleinkommen pro Kopf 2017 2170 US-Dollar) 10,54 GW neue Solarleistung ans Netz. Davon wurden neun GW auf Dächern installiert.
Das Land strebt an, bis 2030 seinen wachsenden Strombedarf zu 21 Prozent mit erneuerbaren Energieträgern abzudecken. Vermutlich ist das sogar die kostengünstigste Variante, denn für eine Kilowattstunde erhalten die Anlagenbetreiber 8,38 US-Cent (7,06 Euro-Cent) und machen damit sogar noch einen Gewinn. Hierzulande hat das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme 2018 für Steinkohlekraftwerke die Kosten für die Erzeugung einen Kilowattstunde (Stromgestehungskosten) mit 6,27 bis 9,86 Euro-Cent berechnet.
Fragt sich nur: Weshalb kann das wirtschaftlich weit schwächere Vietnam, was Deutschland nicht kann. Hierzulande wurden 2020 4,85 GW neuer Solarleistung ans Netz angeschlossen, was der höchste Wert seit 2012 war. Danach hatten die Änderungen der schwarz-gelben Regierung unter Angela Merkel den Ausbau regelrecht abgewürgt.
Die Präsidentin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hatte der Bundesregierung kürzlich erneut eine Blockadehaltung vorgeworfen und einen massiven gesteigerten Ausbau gefordert. Mal sehen, ob es im nächsten Bundestag dafür eine Mehrheit geben wird.