Hörverlust nach Impfung: Gericht weist Klage ohne Beweisaufnahme ab

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Richterin hielt Gutachten für unnötig. Anwalt der Klägerin spricht von "Schlag ins Gesicht für alle Betroffenen". Warum Konzerne wie AstraZeneca Gegenwind von sozialen Bewegungen brauchen.

Die Empörung der Klägerin war groß, als sie am Montag das Urteil des Landgerichts Mainz vernommen hat. Sie hatte den Impfstoffhersteller Astrazeneca in einem Zivilprozess auf ein Schmerzensgeld von mindestens 150.000 Euro verklagt, weil sie nach einer Covid-19-Impfung ihr Gehör verloren hat. Ein Impfschaden sei von ihrer Berufsgenossenschaft anerkannt, machte die Klägerin, eine Zahnärztin, dabei geltend. Es sei unverständlich, wieso das Landgericht nicht in die Beweisaufnahme gegangen sei.

Die Richterin hatte die Klage als unbegründet abgelehnt, ohne ein Gutachten einzuholen – und der Klägerin noch die Kosten des Verfahrens auferlegt. Ihr Anwalt sprach zu recht von "einem Schlag ins Gesicht für alle Betroffenen" und kündigte an, durch alle Instanzen zu gehen, um dieses Urteil aufzuheben.

Dabei sollte er von einer sozialen Bewegung unterstützt werden, die eben nicht zulässt, dass Rechte von Patientinnen und Patienten ausgehebelt werden, die in den letzten Jahrzehnten erkämpft wurden. Dieses Urteil wäre, wenn es nicht revidiert wird, ein Freibrief für alle Pharmakonzerne, die keine Verantwortung für mögliche Schäden durch ihre Produkte übernehmen wollen.

Denn ein solcher Konzern ist auch Astrazeneca – und ein Impfstoff müsste genau wie jedes Medikament betrachtet werden. Nebenwirkungen sind nie ausgeschlossen und die gesundheitlichen Folgen sind individuell sehr verschieden. Doch es muss klar sein, dass die Pharmakonzerne für die nachgewiesenen Schäden ihrer Produkte wenigstens durch eine finanziell Kompensation aufkommen.

Damit können die Schmerzen und die verlorene Lebenszeit durch die gesundheitlichen Folgen nicht abgegolten werden. Aber die Betroffenen sollen dann wenigstens nicht auch noch verarmen, weil sie durch die Gesundheitsschäden nicht mehr arbeiten können. Die Pharmakonzerne hatten natürlich nie ein Interesse, diese Verantwortung zu übernehmen – und lange Zeit konnten sie sich damit durchsetzen.

Patienten und Verbraucher kämpften für Entschädigung

Durch den Skandal um das Beruhigungsmittel Contergan, das massive Schäden bei Neugeborenen verursachte, geriet die Opferentschädigung erstmals ins Blickfeld. Dies war vor Jahrzehnten ein Verdienst der Betroffenen und ihrer Unterstützer. Bis heute kämpfen Contergan-Opfer um ihre Rechte. Auch die Schäden durch andere Arzneimittel ließen sich nicht mehr als individuelle Angelegenheit abtun.

Es ging immer darum, dass Großkonzerne, die massiv an den Medikamenten verdienen, keine Verantwortung für gesundheitliche Schäden übernehmen wollten. Genau in diesen Kontext gehört auch die Klage gegen Astrazeneca – und genau deshalb sollte das Urteil von Mainz auch soziale Bewegungen aufrütteln. Es geht alle an, wenn Rechte von Patientinnen und Patienten zugunsten von Konzernen untergraben werden.

Es ist sicher kein Zufall, dass ein solches Urteil gerade bei der Klage wegen der gesundheitlichen Folgen durch einen Impfstoff fällt. Schließlich war in den Corona-Jahren Impfkritik auch in der gesellschaftlichen Linken schnell zumindest in die Nähe der "Querdenker"-Bewegung gerückt worden.

Sicher wurden in den Jahren der Pandemie auch viele irrationale Argumente gegen die Impfung vorgebracht – manche sicher auch mit erkennbar verschwörungsideologischem Unterton. Dadurch war aber nicht gleich jeder Einwand gegen eine Impfung irrational. Die Klägerin im aktuellen Fall, die zum Zeitpunkt der Impfung 40 Jahre alt war, gehört somit sogar in eine Altersgruppe, für die die Impfempfehlung mit dem Vakzin von Astrazeneca Ende März 2021 aufgehoben wurde. Besonders Frauen unter 55 Jahren galten fortan als Risikogruppe.

Es gab immer auch verifizierbare Argumente für oder gegen eine Impfung. Und es gab Impfschäden – nachweisbare gesundheitliche Folgen, für die eine Impfung ursächlich war. Dass solche Impfschäden auftauchen, kann nun niemand bestreiten. Gerade im Fall der Klägerin wurde der Impfschaden durch die Berufsgenossenschaft bestätigt, dass hätte eigentlich zwingend zum Erfolg der Klage führen müssen.

Es kann nicht sein, dass selbst ein nachgewiesener Impfschaden für den Konzern folgenlos bleibt. Die Richterin hat angekündigt, die Begründung für Klageabweisung schriftlich nachzureichen. Eine Bewegung, die Schmerzensgeld und Entschädigung für alle Betroffenen fordert, sollte nicht darauf warten. Schließlich ist der Fall der Frau, deren Klage abgewiesen werden wurde, nicht der einzige.

Verfahren in Bamberg noch nicht zu Ende

Vor einer Woche war die Klage eines Opfers von Impfschäden vor dem Oberlandesgericht Bamberg bekannt geworden. Eine Frau klagte ebenfalls gegen Astrazeneca wegen schwerer gesundheitlichen Schäden nach der Impfung. In diesem Fall gab es noch keine Entscheidung. Der Richter will aber immerhin ein wissenschaftliches Gutachten einholen, also hat er genau das gemacht, was die Mainzer Zivilrichterin versäumt hat.

Auch hier kann noch nicht von einen Sieg für die Klägerin gesprochen werden, aber der ist noch möglich. Es werden sicher noch weitere Fälle bekannt werden. Höchste Zeit, die Betroffenen zu unterstützen. Dabei sollten aber nicht die Grabenkämpfe der Corona-Jahre noch mal nachgespielt werden. Es geht nicht um die Frage, bist Du grundsätzlich für oder gegen eine Impfung. Es geht um die Entschädigung nachgewiesener Impfschäden. Und da kann es nur eine Parole geben. "Make Astrazeneca and Co. Pay".