Hofer: Österreich soll in der EU bleiben

Karte: Furfur. Bearbeitung: Telepolis. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Referendum nur "Ultima Ratio" - deutsche Politiker wollen mehr Kompetenzen für Brüssel

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Nachdem der FPÖ-Bundespräsidentenkandidat Norbert Hofer am 26. Juni in Aussicht gestellt hatte, die Österreicher im Fall seiner Wahl innerhalb eines Jahres über den Verbleib in der EU abstimmen zu lassen (vgl. Norbert Hofer will den Öxit in einem Jahr), schränkte er am Wochenende in einem Interview mit der Zeitung Die Presse ein, dies gelte nur für den Fall, dass ein Beitritt der Türkei ansteht oder neue Verträge eine Übertragung weiterer Kompetenzen der Nationalstaaten nach Brüssel vorsehen.

Er wünsche sich, so Hofer, "ein starkes Österreich in einer starken Europäischen Union" - das halte er für den "optimalen und den richtigen" Weg. Einen Austritt Österreichs aus der EU bezeichnete er zum jetzigen Zeitpunkt als "Fehler" und als "Ultima Ratio", falls einer der beiden oben angeführten Fälle eintreten sollte. Mit dieser Haltung unterscheide sich die FPÖ auch von Marine Le Pens Front National, mit dem sie im Europaparlament eine Fraktion gebildet hat. Dort gehe es "stark in Richtung Austritt", was "nicht die Linie" der Freiheitlichen sei.

Deutsche Politiker wollen mehr Kompetenzen für EU

Dass einer der Fälle eintritt, für die Hofer ein Austrittsreferendum als "Ultima Ratio" bereithält, ist nicht ausgeschlossen: Die Übertragung weiterer Kompetenzen nach Brüssel fordern derzeit unter anderem der luxemburgische EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der deutsche Europaparlamentspräsident Martin Schulz, der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger und der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet.

Juncker will die Währungsunion "vollenden" und Schulz aus der EU-Kommission eine "echte" europäische Regierung machen sowie eine zweite EU-Parlamentskammer einrichten - einen "Senat", an dessen Mitglieder die nationalen Parlamente ihre bisherigen Kontrollrechte abgeben sollen. Laschet und Oettinger möchten, dass diese nationalen Parlamente zukünftig nicht mehr über Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP (die Hofer als Bundespräsident nicht ohne vorheriges Referendum dazu unterschreiben will) entscheiden dürfen.

Laschet rechtfertigte das im Spiegel damit, dass solche Handelsabkommen ja für ganz Europa gelten würden und deshalb den Staats- und Regierungschefs und dem Europäischen Parlament vorbehalten sein sollten. Vorher hatte er kritisiert, Gegner von CETA bedienten "Ressentiments von Rechtspopulisten". Oettinger meinte in der Passauer Neuen Presse (PNP), mit der Beteiligung nationaler und regionaler Volksvertreter "pervertiere" man die Demokratie, weil dann "ein einziges regionales Parlament, das vielleicht drei oder fünf Millionen Menschen vertritt", ein solches Abkommen scheitern lassen könne.

Gegner wie Befürworter solcher Freihandelsabkommen argumentierten am Wochenende mit der Abweisung einer 25-Millionen-Dollar-Schadensersatzklage des Tabakkonzerns Philip Morris vor dem Weltbank-Schiedsgerichts ICSID. Der Konzern hatte 2010 das lateinamerikanische Land Uruguay verklagt, weil die dortige Regierung die Tabaksteuern mehrmals erhöht, das Rauchen in Speiselokalen und auf öffentlichen Plätzen untersagt, Zigarettenwerbung verboten und Warnhinweise auf Packungen verlangt hatte. Befürworter von Freihandelsabkommen dient die Entscheidung als Beleg dafür, dass unberechtigte Forderungen auch vor privaten Schiedsgerichten scheitern - Gegner argumentieren mit den sieben sieben Millionen US-Dollar Anwaltskosten, die die Steuerzahler in Uruguay vorstrecken mussten.

Van-der-Bellen-Wahlkampfmanager will Fairnessabkommen erst nach Blanko-Anfechtungsverzicht

Ob Hofer der nächste österreichische Bundespräsident wird, entscheidet sich bei der Wiederholung der Stichwahl am 2. Oktober - dem "Fest der Schutzengel", wie der Wiener Kardinal Christoph Schönborn in seiner Kolumne in der Zeitung Heute anmerkte, als er vor einem Wahlkampf warnte, der weiter "polarisiert". Norbert Hofers Sprecher schlug darauf hin vor, dass der Erzbischof den Wahlkampf "moderiert" - wofür dieser nach Angaben seines eigenen Sprechers Michael Prüller "prinzipiell zur Verfügung" stünde.1

Vorher hatten sich sowohl Hofer als auch der andere Stichwahlkandidat Alexander van der Bellen über "Schmutzkübelkampagnen" beklagt, für die sie jeweils nicht die Partei des anderen Kandidaten, sondern "Vorfeldorganisationen" verantwortlich machen. Eine SPÖ-Organisation hatte Hofer, der seit einem Sportunfall am Stock geht, beispielsweise ein "Krüppellied" gewidmet.

Lothar Lockl, der Wahlkampfmanager van der Bellens, will sich auf ein "Fairnessabkommen" für den Wahlkampf aber nur dann einlassen, wenn die FPÖ verspricht, "dass sie im Falle einer erneuten Niederlage das Wahlergebnis akzeptiert und dieses nicht ebenfalls angefochten wird". FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl hält so einen "Blankoverzicht" für rechtsstaatswidrig und "absolut unseriös". Allerdings geht er davon aus, dass es nicht zu einer erneuten Wahlanfechtung kommen wird, weil die Wahl am 2. Oktober durch die aus dem Anfechtungsurteil gezogenen Konsequenzen seiner Ansicht nach "die am besten kontrollierte in der Geschichte der Zweiten Republik" wird.

Heinz-Christian Strache, der Vorsitzende der Freiheitlichen, meinte auf Facebook, van der Bellen wolle "eine Garantie, dass bei massiven Gesetzesbrüchen und möglichen Wahlmanipulationen bei einer Wahl ein Blankoscheck gegeben wird und man wegsieht und schweigt". Solche absichtlichen Manipulationen - so Strache vorher - habe der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) zwar nicht festgestellt, aber auch nicht ausgeschlossen, sondern gar nicht geprüft. Hofer zufolge wird die FPÖ demnächst Hinweise auf solche Manipulationen den Strafverfolgungsbehörden übergeben.

Hofer führt in Umfrage

In der ersten Umfrage vor der zweiten Stichwahl, die das Gallup-Institut im Auftrag der Zeitung Österreich durchführte, führt Hofer mit 51 Prozent vor van der Bellen, der auf 49 Prozent kommt. Vor der ersten Stichwahl hatte Gallup die beiden Kandidaten bei jeweils jeweils 50 Prozent gemessen (vgl. Womit Hofer und van der Bellen werben).

Bei einer Parlamentswahl würde einer aktuellen Umfrage nach die FPÖ mit 34 Prozent klar stärkste Partei vor der SPÖ, die mit 25 Prozent neun Punkte dahinter liegt. Die ÖVP sinkt nach einem Punkt Verlust unter 20 Prozent, hat mit Sebastian Kurz, den 56 Prozent bevorzugen, aber den beliebteren Kanzleranwärter. Den amtierenden SPÖ-Kanzler Christian Kern halten nur 46 Prozent für den besseren Mann. Allerdings hätte eine große Koalition aus Sozial- und Christdemokraten mit zusammen nur 44 Prozent keine Parlamentsmehrheit mehr.

Die FPÖ könnte sowohl mit der ÖVP als auch mit der SPÖ eine Zweierkoalition bilden. Im Burgenland, wo die SPÖ mit der FPÖ regiert, traf sich Kern am Freitagabend mit Strache, SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl, FPÖ-Vize-Landeshauptmann Johann Tschürtz, SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder und FPÖ-Landesrat Alexander Petschnig zu einem - so Tschürtz - "demokratiepolitisch notwendigen" Gedankenaustausch, der in angenehmer Atmosphäre verlaufen sein soll. Hofer zufolge ging es dabei aber nur um den Aufbau eines "normalen Gesprächsklimas" und nicht um die Vorbereitung einer Koalition im Bund.

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