Norbert Hofer will den Öxit in einem Jahr
Der gescheiterte FPÖ-Präsidentschaftskandidat rechnet sich noch Chancen bei der Anfechtung der Wahl aus und fordert eine schnelle Dezentralisierung der EU
Der Ausgang des Brexit-Referendums hat die Rechtspopulisten in ganz Europa in Bewegung versetzt. Alle würden gerne nun den Briten folgen und auch ein Referendum abhalten, um Volkes Wille zu erfragen und das Heil in der nationalistischen Isolation zu suchen. "Der Wähler hat immer recht", sagt der Norbert Hofer von der FPÖ, der knapp die Präsidentschaftswahl verloren hat, aber das Ergebnis gerichtlich anficht (FPÖ-Anwalt sieht keine Wahlmanipulation, aber große Erfolgsaussichten). Noch ist unklar, ob der Verfassungsgerichtshof über die Anfechtung der Bundespräsidenten-Stichwahl verhandeln wird.
Hofer rechnet sich noch Chancen aus, glaubt an eine Aufhebung der Wahl und erklärte, dass Österreich in einem Jahr über einen Öxit abstimmen müsse, wenn die EU bis dahin ihre Weichen nicht grundsätzlich anders gestellt hat. Auch FPÖ-Chef Strache hatte bereits ein Referendum gefordert, wenn die EU weiterhin zentralistisch bleibt und sich nicht reformieren will. Damit handelt die FPÖ im Gleichklang mit dem Front National, der einen Frexit anstrebt (Frankreich nach dem Ja zum Brexit: Blick nach rechts).
Noch freilich ist gar nicht klar, ob Großbritannien, das am Brexit auseinanderbrechen könnte, überhaupt den Austritt formal erklären wird (Will Cameron den Brexit noch verhindern?). Das Referendum ist für die britische Regierung nicht bindend. Cameron will sowieso erst in drei Monaten zurücktreten und die möglichen Austrittsverhandlungen dem nächsten Regierungschef zuschieben. Es geht also vor allem darum, Zeit zu gewinnen, um möglichst gute Positionen gegenüber der EU herauszuhandeln, indem man den Austritt hinauszögert, oder ihn dann doch gar nicht vollzieht, was weiterhin eine Möglichkeit wäre, um zu verhindern, dass die Schotten ausbrechen.
Auch Boris Johnson, Konkurrent von Cameron, hat es mit dem Austritt gar nicht mehr eilig. Er meint in einem Beitrag für den Telegraph zwar, dass Großbritannien wirtschaftlich gut dastehe und nichts befürchten müsse. Die neuen Beziehungen zur EU müssten mit England, Wales, Schottland und Nordirland ausgehandelt werden, er sehe keine Anzeichen für ein neues Unabhängigkeitsreferendum in Schottland, beteuerte Johnson im Telegraph, nachdem die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon eben dies bereits angekündigt hat und zudem damit droht, den Austritt mit einem Veto zu blockieren.
Er könne nicht genug hervorheben, so Johnson, dass Britannien immer ein Teil Europas bleiben werde. Er versprach, dass sich praktisch nichts ändern wird, nur soll alles besser werden, man würde sich lediglich aus der europäischen Rechtsprechung herauslösen. Wichtig sei es jetzt, Brücken zu den 16 Millionen Briten zu bauen, die in der EU bleiben wollen.
There is every cause for optimism; a Britain rebooted, reset, renewed and able to engage with the whole world.
Boris Johnson
Während Johnson also alles offenhält, die für den Verbleib in der EU stehende Innenministerin Theresa May als "Stop-Boris"-Kandidatin für die Konservative Partei gehandelt wird und Finanzminister Osborne bestätigt, dass frühesten im Herbst die Entscheidung ansteht, wächst der Druck, das Referendum nicht umzusetzen oder ein neues durchzuführen, wenn die Austrittsverhandlungen mit der EU abgeschlossen sind. Lord Heseltine erinnerte zudem, dass eine Mehrheit der Abgeordneten für den Verbleib in der EU ist. Der Labour-Abgeordnete Lammy wies daraufhin, dass das Referendum nicht bindend ist und daher der Brexit vom Parlament verhindert werden könnte.
"Und wenn da noch dazu die Türkei beitreten sollte"
Norbert Hofer sagte in einem Interview mit der Zeitung Österreich, dass die EU auf das britische Referendum schnell reagieren müsse. Die EU sei für eine "enge wirtschaftliche Zusammenarbeit" gegründet worden, "weil Staaten, die wirtschaftlich zusammenarbeiten, nicht Krieg gegeneinander führen. Das hat ja an sich sehr gut funktioniert, bis man dann die politische Union gegründet hat". Es müssten neue Verträge ausgehandelt werden, um einen Zerfall der EU zu vermeiden.
Hofer spricht von den "eigentlichen Grundwerten der EU", die offenbar nur wirtschaftlicher Natur sind, obgleich es hier eben auch den von den Rechtsnationalisten gerne gegeißelten hohen Regelungsbedarf gibt. Die von ihm kritisierte "politische Union" wird als "zentralistische Union" interpretiert, auf die sich die EU hin entwickle. Und dann führt Hofer nebenbei, des Beifalls gewiss, ein, dass man dann die Österreicher fragen müsse, "wenn da noch dazu die Türkei beitreten sollte". Auf Nachfrage sagte er, es würde allerdings auch schon der Zentralismus reichen, um ein Referendum anzustreben. Das müsse jetzt ganz schnell gehen: "Wenn nicht innerhalb eines Jahres die notwendigen Weichenstellungen gesetzt werden, dann ist das Projekt stark geschädigt." Dann müsse man die Österreicher fragen, ob sie da noch Mitglied sein wollen.