"Hoffnungsträger" für den "Frieden zwischen Juden und Palästinensern"

Aachener Friedenspreis ehrt Reuven Moskovitz und Nabila Espanioly

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Wegen ihres "unermüdlichen Einsatzes für ein friedliches Zusammenleben der beiden tief verletzten Völker" ehrt der Aachener Friedenspreis Reuven Moskovitz (Jerusalem) und Nabila Espanioly (Nazareth). Der Vereinsvorstand teilte heute (8. Mai) mit, beide seien die diesjährigen internationalen Preisträger. Vereinsvorsitzender Gerhard Diefenbach nannte sie "Hoffnungsträger auf dem Weg zu Versöhnung und Frieden zwischen Juden und Palästinensern."

Aktueller Anlass, die langjährigen Friedensaktivisten gemeinsam zu ehren, seien die von ihnen und anderen Initiativen seit Ausbruch der zweiten Intifada organisierten Hilfstransporte mit Lebensmittel und Spielzeug in die Palästinensergebiete. Diese würden mittels Spenden finanziert, sagte Moskovitz auf Anfrage. Während er in der derzeit angespannten Situation im Nahen Osten deswegen auch als Verräter angesehen werde, komme es ebenso bei den Transporten zu Zwischenfällen. Nabila Espanioly sagte gegenüber Telepolis, an den Check Points des israelischen Militärs seien Begleiter der Transporte und sie selbst von den Soldaten schon geschlagen und mit Tränengas auseinander getrieben worden.

Beide "schweigen nicht zu den Menschenrechtsverletzungen vor Ort, vor denen wir in Europa nur zu gerne die Augen verschließen. Ihr unermüdlicher Einsatz (...) hat unsere Solidarität bitter nötig. (Die Preisverleihung trägt) auch dazu bei, dass das Thema Nahost in der gegenwärtigen politischen Situation in Deutschland und Europa wieder stärker in den Blickpunkt kommt.

Aus der Begründung des Vereins

Unermüdlicher Kritiker des "Rowdy im Nahen Osten"

Reuven Moskovitz wurde 1928 in Rumänien geboren, ist Überlebender des Holocaust, Publizist und ebenso Mitbegründer von Friedensinitiativen in Israel und Deutschland. Der Dialog und die Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden ist ein Hauptanliegen seines Engagements. Indes streitet er ebenso für Frieden zwischen Juden und Palästinensern. 1972 war er an der Gründung des Friedensdorfes "Neve Shalom/Wahat al Salam" in Israel beteiligt, wo Juden und Palästinenser gleichberechtigt und zweisprachig zusammen leben. Ihre Kinder werden zum friedlichen Miteinander erzogen.

Indes warnte der Historiker schon vor fast 40 Jahren vor der Gefahr des eskalierenden Terrors im Nahen Osten. Seit dem Sechstagekrieg 1967 spricht er sich gegen die Annexion der besetzten Gebiete aus und ist heute scharfer Kritiker des israelischen Staatschef Ariel Scharon und dessen "gefährliche Überheblichkeit" in Sachen Militärpolitik. Dadurch sei Israel zu einen "Rowdy im Nahen Osten" geworden, sagte Moskovitz auf Anfrage. Dies könne langfristig nicht gut gehen. Moskovitz findet indes ebenso kritische Worte, wenn er sich eine konsequentere Nahost-Friedenpolitik vonseiten der Europäischen Union oder Deutschland wünscht. Im Nachwort der 3. Auflage seines Buchs "Der lange Weg zum Frieden" (2001) schrieb er:

"Israel wird von einem verbissenen Kriegstreiber und von klerikalen Abgeordneten regiert, deren geistlicher Führer für die Vernichtung der Palästinenser eintritt, die er gern mit Raketen bombardieren würde. Können evangelische und katholische Geistliche mit gutem Gewissen empfehlen, in das Land Jesu zu reisen, in dem eine Pilgerurkunde von einem Tourismusminister unterschrieben wird, der für den Transfer der Palästinenser eintritt?"

Moskovitz sieht sich selbst als "Friedensabenteurer", und als solcher freue er sich, geehrt zu werden. Allerdings, lenkt er auf Anfrage ein, gebe es "in Israel noch mehr Helden des Friedens, die auch einen Preis verdient hätten, aber in Deutschland nicht sehr bekannt sind." Womit er seine Mitstreiterin Nabila Espanioly, eine Palästinenserin mit israelischem Pass, nicht gemeint haben kann.

"Wirklicher Frieden" einzige "Belohnung"

Espanioly wurde 1955 in Nazareth geboren und hat in Bamberg Psychologie studiert. Sie engagiert sich ist seit 25 Jahren in der israelischen Friedensbewegung und gründete die Gruppe "Jüdisch-arabische Frauen für den Frieden", ist Mitbegründerin der Haifa-Gruppe "Women in Black" und Vorsitzende von Mossawa, einer palästinensisch-jüdischen Frauengruppe. Denn obwohl palästinensische Frauen einen israelischen Pass haben, gebe es kaum Begegnungsmöglichkeiten. Zudem fänden Palästinenserinnen in Israel kaum Arbeit, was aber nötig sei, denn ihre Männer würden - wenn überhaupt - mit ihren oft schlecht bezahlten Jobs kaum genug Geld verdienen, um die Familie ernähren zu können.

Schwerpunkt von Espaniolys Engagement sind die Frauen- und Familienpolitik. Sie kämpft für mehr Krippenplätze und besseres Lehrmaterial für palästinensische Kinder. Denn während über 90 Prozent der jüdischen Kinder einen Kindergarten besuchten, könnten dies nur rund 35 Prozent der palästinensischen Kinder in Israel tun. 1984 gründete die Psychologin daher eine ehrenamtliche Frauen-Organisation mit angeschlossener Kinderkrippe. 1989 rief sie das frauenpädagogische Zentrum Altufula ins Leben. Palästinenserinnen werden dort zu Erzieherinnen ausgebildet und in ihren staatsbürgerlichen Rechte unterwiesen.

Viele Menschen spenden Geld, Lebensmittel und Spielzeug. Und nicht nur Reuven Moskovitz und ich organisieren (die Hilfstransporte und) Aktionen, es engagieren sich viele Initiativen - etwa die Frauen für gerechten Frieden, Tayousch, Rabbiner für Menschenrechte und andere. Israelische Kinder spenden etwa Spielzeug für palästinensische Kinder. Unsere ehrenamtliche Arbeit ist jeweils ein individueller Beitrag unterschiedlicher Personen. Größere Aktionen unterstützen manchmal Spender, oft Juden aus den USA. Die Arbeit des Altufula-Zentrum wird von Stiftungen in Deutschland, den USA und Europa unterstützt - etwa Brot für die Welt, Ford Foundation, Word University Services und Weltgebettag der Frauen.

Nabila Espanioly gegenüber Telepolis

Espanioly sagte, sie habe sich sehr über die Ehrung gefreut, würde aber gerne zur feierlichen Preisverleihung "alle Mitstreiter mitbringen". Sie hätte nie gedacht, dass ihr Engagement einmal belohnt werde. "Die einzige Belohnung, auf die ich warte, wäre ein wirklicher Frieden," sagte sie.

Geehrt wird "von unten her"

Der Verein Aachener Friedenspreis ist eine 1988 aus der Friedensbewegung hervorgegangene Bürgerinitiative und gibt seine Preisträger traditionell am 8. Mai bekannt, am Tag der Kapitulation Nazideutschlands. Die Preisverleihung findet am Antikriegstag (1. September) statt. Ausgezeichnet werden - entgegen dem Aachener Karlspreis - "Männer, Frauen und Gruppen, die von unten her" dazu beitragen, Frieden zu stiften.

Neben dem internationalen Träger gibt es einen nationalen, in diesem Jahr ist dies die Initiative Ordensleute für den Frieden (IOF). Preisträger waren u.a. die Flüchtlingsinitiative Pro Asyl, der japanische Atomwaffengegner Kazuo Soda, die kurdische Parlamentsabgeordnete und Journalistin Leyla Zana, der Friedenspädagoge Bernhard Nolz sowie die US-Kongressabgeordnete Barbara Lee (vgl. Unbeugsame an der Heimatfront).