Homeoffice: Komfortzone oder Arbeit ohne Grenzen im rechtsfreien Raum?

Homeoffice und Paragraphenzeichen

Rechtliche Lücken bei der Heimarbeit: Arbeitsminister Heil setzt auf "Empfehlungen". Warum dies belastend für Beschäftigte ist.

Die Zahl der Angestellten im Homeoffice ist seit der Corona-Pandemie enorm gestiegen. Seit den Corona-Jahren hat sich die hybride Arbeit in vielen Unternehmen fest als neue Arbeitsform etabliert. 2023 boten 77 Prozent der Betriebe ab 50 Beschäftigten die Möglichkeit von zu Hause zu arbeiten an.

Negatives wird dabei gerne ausgeblendet. Denn oft führt die Arbeit im Homeoffice zu einer Ausweitung der Arbeitszeit und einer jederzeitigen Verfügbarkeit für den Betrieb. Gleichzeitig gibt es Berichte, dass Führungskräfte willkürlich entscheiden, dass ein Beschäftigter zu Hause arbeiten darf, während anderen diese Möglichkeit verweigert wird.

Gesunde Homeoffice-Gestaltung: Das steht im Koalitionsvertrag

Auch Unternehmen verbinden Hoffnungen mit mobilen Beschäftigten, die auch zu Hause arbeiten. Sie sehen Produktivitätsgewinne und hoffen auf Kostensenkung durch geringeren Bedarf an Büroräumen.

In einer Politikwerkstatt mit über einhundert Expertinnen und Experten unterschiedlicher Disziplinen und den Sozialpartnern wurden zentrale Fragen zur Gesundheit der Beschäftigten diskutiert. Damit folgt das Ministerium einem im Koalitionsvertrag formulierten Auftrag: Der Koalitionsvertrag für die laufende 20. Legislaturperiode sieht vor, "zur gesunden Gestaltung des Homeoffice im Dialog mit allen Beteiligten sachgerechte und flexible Lösungen zu erarbeiten".

Empfehlungen statt Gesetzesvorschläge zur Heimarbeit

Das Ergebnis dieser Dialoge sind "Sieben Schritte zur Gestaltung guter hybrider Bildschirmarbeit". Diese skizzieren Verfahren, wie Unternehmer, Beschäftigte und Interessenvertretungen für ihre Betriebe die besten Lösungen für Arbeiten zu Hause vereinbaren können. Zwar schreibt das Bundesarbeitsministerium: "Arbeitgeber müssen faire und sichere Arbeitsbedingungen gewährleisten". Wie dies gewährleistet werden soll, bleibt jedoch offen.

Enttäuschend aus Sicht der Home-Arbeitenden: Die Ergebnisse sind Empfehlungen. Der Gesetzgeber hält sich zurück.

Sichere und gesunde hybride Arbeit setzt sich aus einer ausgewogenen Balance von Präsenzarbeit und mobiler Arbeit zusammen. […]

Besondere Chancen liegen in der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie in besseren Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen.

BMAS-Empfehlungen für gute hybride Bildschirmarbeit

Eine klare gesetzliche Regelung zu den Arbeitsbedingungen bei der Arbeit zu Hause gibt es bis heute nicht. Ein Rechtsanspruch auf Homeoffice – wie in den Niederlanden – fehlt hierzulande weiterhin.

Keine Maßnahmen gegen ständige Erreichbarkeit im Homeoffice

Durch mobile Arbeit wird immer mehr Arbeit in die Freizeit verlagert. Dazu fordert die Ausarbeitung: "Zeitliche Rahmenbedingungen für hybride Bildschirmarbeit festlegen".

Die gewerkschaftliche Hans-Böckler-Stiftung warnte frühzeitig vor den Gefahren durch fehlende Trennung zwischen Job und Privatleben:

Wer im Homeoffice tätig ist, kann abends oft nicht abschalten. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 45 Prozent und damit mehr als doppelt so hoch wie bei Beschäftigten, die nie zu Hause arbeiten. Offenbar verschwimmen die Grenzen zwischen den Lebensbereichen bei dieser Arbeitsweise besonders leicht.

Häufig ist mit ständiger Erreichbarkeit ein Gefühl der Unkontrollierbarkeit verbunden. Viele betroffene Beschäftigte haben die Erwartung, jederzeit kontaktiert werden zu können. Damit geht eine hohe psychische Beanspruchung einher. Das Ministerium belässt es bei Empfehlungen:

Vereinbart werden sollte, welche zeitlichen Anteile von Bildschirmtätigkeiten an der wöchentlichen Gesamtarbeitszeit maximal außerhalb der Arbeitsstätte ausgeführt werden dürfen sowie an welchen Tagen gegebenenfalls Anwesenheitspflicht im Betrieb besteht.

BMAS-Empfehlungen für gute hybride Bildschirmarbeit

Büroräume einsparen: Desk-Sharing-Konzepte im Aufwind

Dabei hat die mobile Arbeit weitgehende Folgen. Mit Desk-Sharing sollen Kosten gesenkt werden. Porsche will 2025 nur noch Schreibtische für 60 Prozent der Büromitarbeiter vorhalten müssen. Vor Arbeitsbeginn im Betrieb oder zu Hause online suchen die Arbeitenden einen Platz – sollte keiner mehr vorhanden sein, soll – oft per Laptop – im Homeoffice gearbeitet werden.

Das Einsparpotenzial erkannten Unternehmen schnell. Mietverträge werden gekündigt, Neubaukonzepte infrage gestellt. Mit Homeoffice-Konzepten sollen Kosten auf die Beschäftigten verlagert werden. Für Arbeitnehmer sind die erforderlichen Arbeitsmittel vom Unternehmen zu beschaffen. Dies ergibt sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). In § 670 heißt es:

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatze verpflichtet.

Homeoffice-Beschäftigte tragen Miet- und Energiekosten

Damit stehen den Beschäftigten auch Aufwandsentschädigungen für Miete, Energie und Reinigung der Arbeitsräume zu Hause zu – die Unternehmen umgehen diese Pflicht mit dem Argument, die Beschäftigten wünschten dies. Eine für Beschäftigte leichter durchsetzbare gesetzliche Regelung ist für Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kein Thema.

Wurde das Arbeiten zu Hause direkt nach der Pandemie noch als Konzept für Eigenverantwortung und Selbstbestimmung der Belegschaften dargestellt, setzen Unternehmen zunehmend auf Kontrolle.

Ein Beispiel für Software, die eingesetzt wird, ist Microsoft Workplace Analytics. Auf Basis von Daten über E-Mails, Kalendereinträgen und Videokonferenzen kann diese Software Fehlverhalten aus Vorgesetztensicht herausfiltern. Algorithmen werten die Dauer und Teilnehmer von Videokonferenzen aus und wie lange von wem an einem Dokument gearbeitet wird.

Rennlisten, neudeutsch Benchmarks genannt, dienen der Leistungskontrolle. Die Technik soll "Top-Performer" ermitteln. Eine bundesweite Regelung zum Schutz vor Überwachung wäre angebracht. Einen Gesetzesentwurf der Bundesregierung für ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz gibt es bis heute nicht.

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