Homo sovieticus – eine demokratische Meistererzählung

Seite 2: Ausblick: schon weit über den Ukrainekrieg hinaus

Wenn wir uns im Kräftemessen des 21. Jahrhunderts global behaupten wollen, dann müssen wir alle unsere Instrumente auf die Höhe der Zeit bringen – militärisch, politisch, analog, digital, technologisch.

Annalena Baerbock, 18.3.2022

Maßstab für das gigantische Aufrüstungsprogramm der USA und der Nato ist nicht der Krieg in der Ukraine und die mit ihm verkündete "100 Milliarden-Zeitenwende", sondern das Recht der "westlichen Lebensform" (Harry S. Truman) auf erfolgreiche Selbstbehauptung im "Kräftemessen des 21. Jahrhunderts."

EU-Global Strategy 2016, EU-Bedrohungsanalyse, Strategischer Kompass und Dialog, Anspruch der grundsätzlichen (Neu-) Gestaltung einer regelbasierten Weltordnung, Nato 2030, nicht zuletzt die deutsche Nationale Sicherheitsstrategie (NSS), waren längst vor und über den Ukrainekrieg hinaus projektiert.

Neu an der ausgerufenen Zeitenwende ist eher dies: Die Systemfeindschaft gegenüber Russland zu ihrem erfolgreichen Ende zu bringen, wozu der Krieg in der Ukraine eine gute Gelegenheit bietet und in diesem Zug, die in den USA und Nato-Ländern inkorporierten Völkerschaften auf das Vorkriegs- und Kriegsprogramm dahingehend einzustimmen, dass die neue Sittlichkeit lautet: Ausnahmslose Parteilichkeit fürs nationale, europäische und, das immer noch, transatlantische Wir oder Wertegemeinschaft; weiter: Verzicht- und Opfergesinnung als neues sittliches Selbstbewusstsein.

Darüber hinaus: Pflege des (imaginären) Bild des russischen Hauptfeindes. Gelingt all dies zufriedenstellend, dann ist die Liebe zur gerechten Gewaltanwendung gegen ungerechte Gewaltanwendung so frei sagen zu können:

Man muss immer im konkreten Fall prüfen, ob ein Einsatz zu mehr oder zu weniger Leid führen wird und ob er auf dem Boden des Völkerrechts steht.

Annalena Baerbock, 26. April 2021

Ist das gewissenhaft geprüft, dann steht auch einer notfalls nuklearen Auseinandersetzung mit dem Aggressiven und Bösen nichts mehr im Wege.3