Hotel Guantanamo
Das Lager ist auch in den USA umstritten, aber, so Abgeordnete im Rahmen einer Anhörung, den Gefangenen geht es gut, besser als den US-Soldaten, zumindest was die Verpflegung angeht
Guantanamo auf Kuba, wo die USA noch immer mehr als 500 angebliche "feindliche Kämpfer", teils schon seit Jahre, festhalten, ist schon vor Abu Ghraib zum Symbol für die Willkürjustiz und das Hinwegsetzen über die Menschenrechte im "globalen Krieg gegen den Terror" (GWOT) geworden. Trotz anhaltender Kritik und Forderungen, das Lager zu schließen oder die behaupteten Vorfälle von einer unabhängigen Kommission untersuchen zu lassen, weil dies dem Image der USA schadet und der Rekrutierung der Terroristen dient, will die Bush-Regierung darauf nicht verzichten – und damit auch nicht auf willkürliche, zeitlich unbefristete und heimliche Gefangennahme von Verdächtigen. Für den notwendigen Spin sorgte nun auch eine Anhörung vor dem Streitkräfteausschuss des Repräsentantenhauses, in dem behauptet wird, dass es den Gefangenen in Guantanamo eigentlich besser als jemals zuvor ginge.
Der Vorsitzende des Ausschusses ist der Republikaner Duncan Hunter, ein treuer Anhänger der Bush-Regierung und ein Verfechter des Irak-Kriegs. Kürzlich hat er den Irak-Krieg mit dem Krieg gegen Hitler-Deutschland verglichen und gegen diejenigen, die einen Zeitplan für den Rückzug fordern, angeführt, dass man Kriege solange führt, bis ihr Ziel erreicht sei. Jetzt also sollte Guantanamo gerechtfertigt werden. Und wie treue Anhänger manchmal so sind, wird dabei auch übertrieben.
Zur Anhörung wurden kritische Stimmen nicht geladen. Man hörte sich Vertreter des Pentagon an, aber nicht, wie demokratische Ausschussmitglieder monierten, beispielsweise einen Anwalt, der Gefangene vertritt. Dass es um die Prozedur des Weißwaschens ging, machte Hunter bei seiner Einführung deutlich. Und zur Demonstration, wie gut es den Gefangenen doch geht, wurde auch gleich der Essensplan des Lagers auf der Website veröffentlicht. Mit anderen Kongressabgeordneten war Hunter nämlich vor kurzem auf Besuch in Guantanamo, um "aus erster Hand die Behandlung der Gefangenen zu überprüfen", und stellte hier neben anderen Lobpreisungen auch besonders das Essen heraus, das ihn offensichtlich beeindruckt hat:
Wir haben nicht den "Gulag unserer Zeit" gesehen. Wir sahen hingegen ein erstklassiges Gefangenenlager, in dem die Gefangenen, die eine Bedrohung unserer nationalen Sicherheit darstellen, wohlernährt sind, Zugang zu besten medizinischen Einrichtungen haben und die Möglichkeit besitzen, sich rechtlich vertreten zu lassen. Während unseres Aufenthalts erhielten wir dieselbe Mahlzeit wie die Gefangenen, beispielsweise ein Mittagessen mit Hühnerbrust in Orangensauce, Reis, Okra und Brot. Nachdem ich es selbst gegessen habe, kann ich sagen, dass das Essen besser ist als das, das unsere Soldaten im Einsatz erhalten. Der durchschnittliche Gefangene hat in Guantanamo mehr als fünf Pfund zugenommen.
Das ist schon fast wie ein Urlaub, zumal Hunter ziemlich offensichtlich noch Ressentiments zu schüren versucht, wenn er sagt, dass die Gefangenen, die Feinde der USA, sogar besseres Essen erhalten als die Verteidiger der USA. Diesem Tenor konnte in der Anhörung der für das Lager in Guantanamo verantwortliche Brigadegeneral Jay Hood nur zustimmen.
Zunächst einmal betonte Hood, wie gefährlich die Gefangenen für die USA seien und dass das Lager notwendig sei, weil man "jede Woche" den Gefangenen durch Verhöre ein weiteres Puzzlestück aus der Nase ziehe, um das Bild vom globalen Terrorismus zu vervollständigen. Die durch mehr oder weniger peinliche Befragung gewonnenen Informationen hätten wichtige Aufklärung über die Rekrutierung, das Training, die Geldwäsche und die Operationsplanung der Terrororganisationen geliefert. Es sei auch wichtig, die Menschen so lange festzuhalten. So hätten manche Gefangene, die zwei Jahre lang geschwiegen hätten, dann plötzlich zu reden begonnen. Man müsse nur entschlossen genug sein und nach der Devise handeln: "Time is on our side."
Dass viele der Gefangenen beispielsweise aus Afghanistan nichts mit al-Qaida zu tun hatten, sondern den Taliban angehörten oder nur von den Warlords oder pakistanischen Sicherheitskräften "eingekauft" wurden, sagt man nicht. Bislang wurde nur gegen vier Gefangene Anklage erhoben. Das ist kein gutes Zeichen nach drei Jahren. Selbstkritik ist im Pentagon und im Weißen Haus verpönt. Dafür aber preist auch Hood die Lebensqualität im Gefangenenlager an.
Misshandlungen oder gar Folter? Nichts da. Höchstens dass man einmal den Gefangenen Eis oder Süßigkeiten gibt, um sie dazu zu bewegen, Informationen preiszugeben. Man ist also lieb, arbeitet nicht durch Bestrafung, sondern mit Belohnung. Es habe zwar einige Verwarnungen des Personals gegeben, aber das sei angesichts der Provokationen und der 10.000 Wärter und Befrager sehr geringfügig. Zudem meint Hood, dass nach seinem Wissen über die Geschichte von Gefangenenlager es noch kein anderes Lager gegeben habe, "bei dem wir die Anstrengungen wie in Guantanamo Bay unternommen haben". Und überhaupt:
Jeder Gefangene hat Kleidung, Unterkunft und die wichtigen Hygienemittel. Sie können Sport treiben und ihre medizinische und dentale Versorgung ist großartig, Wir stellen sicher, dass die Gefangenen ihren Glauben praktizieren können und wir respektieren ihre Religion.
Auch die demokratischen Abgeordneten, die übers Wochenende das Lager besucht hatten, konnten nichts wirklich Negatives feststellen und räumten ein, dass es den Gefangenen gut zu gehen scheint. Die demokratische Abgeordnete Madeleine Z. Bordallo sieht das Lager eher als eine Art Hotel, der demokratische Abgeordnete Silvestre Reyes meint, dass Guantanamo der einzige Ort auf Kuba sei, in dem Religionsfreiheit herrsche.
Noch eins drauf legte der demokratische Abgeordnete G.K. Butterfield, der Journalisten nach dem Besuch erzählte, dass die Berichte über Folter "absolut falsch" seien. Begründung: "Ich habe keine Misshandlung und auch keine Zeichen für eine Misshandlung gesehen." Das ist natürlich ein genialer Beweis, weil man das auch ausgerechnet vor den Augen der Abgeordneten gemacht hätte. Soviel Begeisterung konnte der republikanische Abgeordnete Joel Hefley nicht auf sich beruhen lassen. Er wandte kritisch ein, ob es die Gefangenen nicht zu gut hätten. Hefley hatte zwar an dem Besuch nicht teilgenommen, aber er ist der Meinung:
Niemand will in einem Gefängnis sein, aber wenn man ins Gefängnis muss, dann scheint Guantanamo dasjenige zu sein, wo man sein will. Ich sitze hier und denke: "Lasst mich damit in Ruhe."
Fox News stimmt in die Lobpreisung ein und sieht die Verhältnisse zumindest im Titel andersherum. Misshandelt wurden nicht die Gefangenen, sondern diese sind auch hier die wirklich Schuldigen: Officers: Gitmo Detainees Abuse Guards. Dass das Skandalon von Guantanmo eigentlich nicht primär darin liegt, dass Gefangene misshandelt worden sein können, sondern in der willkürlichen Festnahme und Inhaftierung, also durch die Schaffung eines rechtlichen Ausnahmezustands, ist weder für die Pentagon-Vertreter noch für die Abgeordneten wirklich ein Thema. Obwohl es im Kampf gegen den Terror doch, wie US-Präsident Bush immer wieder betont, um Freiheit und Demokratie geht. Und obwohl Guantanamo nur der bekanntere Teil des Lagersystems ist, in dem mitunter Menschen auch einfach verschwinden und in dem bislang völlige Dunkelheit herrscht.