Hubschrauberangriff auf Russland: "Mit den unseren verwechselt"
- Hubschrauberangriff auf Russland: "Mit den unseren verwechselt"
- Fragen an russisches Verteidigungsministerium
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Berichte von vor Ort und Expertenstimmen sprechen dafür, dass tatsächlich ein ukrainischer Hubschrauberangriff auf ein Erdöldepot im russischen Belgorod stattfand
Russland wirft ukrainischen Kampfhubschraubern vor, am Freitagmorgen ein Erdöldepot in der russischen Stadt Belgorod nahe der Grenze angegriffen zu haben. Wie haben die Leute vor Ort das erlebt und was bedeutet es für sie?
Es ist der zweite medial bedeutsame Vorfall im Krieg Russlands gegen die Ukraine, der auf dem russischen Territorium erfolgt ist. Damals am 25. Februar beschossen ukrainische Streitkräfte den russischen Luftwaffenstützpunkt Millerowo nahe der Grenze in der Region Rostow als eine Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine.
Am frühen Freitagmorgen dann sprach der Gouverneur der Grenzregion Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, von einem Angriff ukrainischer Militärhubschrauber des Typs Mi-24 auf ein städtisches Erdöldepot.
Zerstörung im Ukraine-Krieg (14 Bilder)
Telegram-Kanäle aus der Region veröffentlichten Videos mit mehreren Raketen, die aus geringer Höhe von zwei Hubschraubern auf das Öldepot des Staatskonzerns Rosneft abgefeuert wurden. Es folgte eine Explosion.
Es stünden acht Treibstofftanks mit einem Volumen je 2.000 Kubikmeter in Flammen, teilte die staatliche Nachrichtenagentur Tass unter Verweis auf die Quelle in den Rettungsdiensten mit. Nach offiziellen Angaben gab es keine Opfer.
"Mein Bruder wohnt in der Nähe dieses Öldepots", sagte Andrej (36) gegenüber Telepolis. Der Mann lebt seit vielen Jahren in Belgorod und arbeitet als technischer Direktor bei einer lokalen Firma.
"Er wachte auf, weil er den Beschuss hörte, und erfuhr den Hintergrund gleich aus den sozialen Netzwerken. Einige benachbarte Straßen wurden sofort evakuiert, mein Bruder ging aber wie sonst zur Arbeit." Belgorod liegt etwa 40 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt und 80 Kilometer vom hart umkämpften Charkiw.
"Nicht unsere Luftverteidigung ist so schlecht"
Andrejs Frau sei gerade zwar wegen der Kinder beunruhigt gewesen, doch er selbst spürte keine Panik in der Stadt oder auf der Arbeit, es herrschte lediglich Ansturm an den Tankstellen. Trotz der ausgebliebenen Abwehr will Andrej der russischen Armee kein Versagen vorwerfen.
"Hubschrauber als tief fliegende Objekte können von der Luftverteidigung unbemerkt bleiben", zitiert er Militärexperten. "Es ist nicht so, dass unsere Luftverteidigung so schlecht ist, sondern die Luftverteidigung jedes anderen Landes hätte da wohl auch nicht reagiert. Es sei denn, informierte Militärs würden darauf mit der Freund-Feind-Erkennung lauern, die aus Gründen jedoch nicht immer sagen kann, dass es feindliche Hubschrauber sind und nicht die eigenen."
Denn die Mi-24-Hubschrauber werden nicht nur von den Russen in diesem Angriffskrieg eingesetzt, den einheimische Kritiker jetzt häufiger als Bruderkrieg bezeichnen. Die Ukraine erbte eigene Mi-24 ebenfalls von der Sowjetunion und modernisiert sie fortlaufend.
In Russland werden die Mi-24 im Werk Rostwertol in Rostow am Don hergestellt. Ein anonym bleibender russischer General a.D. schloss gegenüber der Zeitung Moskowski Komsomolez nicht aus, dass die russischen Militärs "unter den Bedingungen der massenhaften Überquerung der Staatsgrenze durch unsere Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen" fremde Hubschrauber "mit den unseren verwechselt" hätten.
Der General merkte jedoch kritisch an, dass Hubschrauber nicht leise fliegen würden und das Grollen ihrer Motoren aus einer Entfernung von drei Kilometern gut zu hören sei. Er zweifelte auch daran, dass die russische Armee alle ukrainischen Flugplätze zerstört habe.
Das russische Verteidigungsministerium meldete dem entgegen bereits am 6. März, "praktisch alle kampfbereiten Luftstreitkräfte der Ukraine" zerstört zu haben.