Hubschrauberangriff auf Russland: "Mit den unseren verwechselt"

Seite 2: Fragen an russisches Verteidigungsministerium

Das russische Verteidigungsministerium äußerte sich am Freitagabend zum aktuellen Vorfall. Um fünf Uhr morgens Moskauer Zeit hätten zwei Mi-24-Hubschrauber der ukrainischen Streitkräfte den Luftraum der Russischen Föderation verletzt und Raketen auf ein Erdöldepot am Stadtrand von Belgorod abgefeuert, hieß es. Sie seien sehr niedrig geflogen. Das betroffene Öllager habe aber nichts mit den russischen Streitkräften zu tun, es sei eine rein zivile Anlage.

Man könne die Aktion nicht als "förderlich für die Fortsetzung der Verhandlungen ansehen", kommentierte seinerseits der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

"Wer ist für die Luftverteidigung in Richtung Belgorod verantwortlich? Wurden die Standorte der angreifenden Hubschrauber zerstört? Wann wird die Sicherheitszone für die Region Belgorod eingerichtet?", attackierte der führende Fernsehpropagandist Wladimir Solowjow auf Telegram fast hysterisch einen unbenannten Adressaten.

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Der Angriff ukrainischer Hubschrauber auf das Öldepot in Belgorod sollte eine einmalige Aktion gewesen sein, beschwichtigte der Militärexperte Konstantin Siwkow gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Nowosti die russische Bevölkerung.

Er wies darauf hin, dass russische Aufklärungsflugzeuge A-50, auch als "fliegende Radare" bekannt, gerade ständige Patrouillen im Himmel über der Ukraine durchführen würden, was offensichtlich zu den Lücken im Himmel über Belgorod geführt habe. Nun würden sie die Lücke im Osten schließen.

Ukrainische Telegram-Kanäle verbreiteten parallel die Version, die Russen hätten mit zwei Ka-52-Hubschraubern den Angriff auf das Öldepot inszeniert. Militärexperten weisen jedoch darauf hin, dass die Schattenbilder der gesichteten Helicopter einer Mi-24P entsprechen würden; auch die abgefeuerten ungelenkten Flugzeugraketen würden zu einer Mi-24P gehören und nicht zu einer Ka-52, die mit gelenkten "Vepr"-Raketen bewaffnet werden.

Der frühere Berater des ukrainischen Verteidigungsministers, Journalist Yury Butusov, gab auf seiner Facebook-Seit stolz bekannt, dass es doch ukrainische Mi-24P gewesen seien.

Zwar dementierte der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats der Ukraine, Oleksij Danilow, dass sein Land für die Attacke verantwortlich sei.

Das Verteidigungs- sowie das Außenministerium der Ukraine wollten die Vorwürfe jedoch weder bestätigen noch dementieren.

Zugleich taten viele deutsche Medien das Geschehen als unüberprüfbare und von der Ukraine dementierte Behauptung ab und rückten es in die Nähe von etwas Zweifelhaftem, einer "Putin-Inszenierung", sogar ohne sich mit den Argumenten der Gegenseite auseinandergesetzt zu haben.

Ukrainische Dementis sind weder stark noch kann der politische Nutzen des Angriffs bestritten werden: Den teilweise realitätsfremden Russen wird hier etwa die Botschaft vermittelt, dass es in der Ukraine durchaus noch kampfbereite Luftstreitkräfte gibt.

"Kein Konflikt zwischen Russland und der Ukraine“"

Andrej aus Belgorod befürchtet jedoch nicht, dass der Ukraine-Krieg über die Grenzen der Ukraine hinaus nach Russland gehen könnte. "Wenn sich der Krieg auf das Territorium Russlands ausbreitet, wird es ein völlig anderer Krieg sein", sagt er.

"Wir verstehen jedoch, dass dies kein Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ist, sondern im Allgemeinen ist dies ein Konflikt zwischen dem Westen und Russland", sagt Andrej weiter. "Und die Rolle der Ukraine ist hier leider eine des Kanonenfutters. Weder ich, noch jemand von meinen Freunden und Bekannten sieht in der Ukraine einen Feind, und die friedliche Bevölkerung der Ukraine tut uns sehr leid."

Auf die Frage, warum er doch nicht anerkennen will, dass es ein Angriffsskrieg und keine "militärische Sonderoperation ist", wie der Kreml sie nennt, verweist Andrej auf die verbreitete Begründung der Staatspropaganda, die Ukraine hätte sonst früher oder später mit der Nato-Unterstützung Russland angegriffen.

"Schon kurz nach dem Ausbruch des Konfliktes fuhren einige Bewohner aus Belgorod wegen seiner Nähe zur Ukraine weg, ansonsten lief alles bisher ruhig", erinnert sich Andrej. Doch wie bisher wird es nach diesem Vorfall nicht mehr bleiben. Er zeigt, dass Russland jetzt auch mit militärischen Aktionen und Anschlägen der Ukrainer auf seinem Gebiet rechnen muss.