Hummus, Hisbollah und Israel

Im Libanon herrscht relative Ruhe, trotz ständiger Scharmützel und einer Propagandaschlacht zwischen Israel und Hisbollah, die beide für den nächsten Krieg aufrüsten

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Am Freitag gab der libanesische Premierminister Fouad Siniora Entwarnung: „Einige sprechen von einer militärischen Intervention syrischer Truppen im Libanon, aber das ist meiner Meinung nach nicht möglich.“ Schließlich habe sich Präsident Michel Suleiman von seinem Amtskollegen, Baschar al-Assad, in Damaskus versichern lassen, dass die Soldaten einzig und allein den Schmuggel verhindern sollen. Seit Wochen sind syrische Truppen an der Nordgrenze stationiert. Es seinen nicht Tausende, sondern nur einige Hunderte, versicherten die syrische Behörden. Zusätzlich werden auch an der Ostgrenze zum Libanon Truppen stationiert, Planierraupen bauen dort derzeit Stellungen aus.

Nach dem Bombenanschlag am 27. September in der syrischen Hauptstadt, bei dem 17 Menschen starben, hatte der syrische Präsident Assad den Nordlibanon als „Stützpunkt des Terrorismus“ bezeichnet, der „Syrien in Gefahr bringt“. Bei antisyrischen Politikern im Libanon läuteten die Alarmglocken. Sie befürchteten einen Vorwand, um erneut in ihr Land einmarschieren zu können. Die Erklärung Fouad Sinioras dürfte sie nun etwas beruhigt haben.

Tatsächlich hat Syrien seit Jahren ein Problem mit Islamisten, die im September 2006 versuchten, die US-Botschaft in Damaskus zu stürmen. Beschuldigt wird die Gruppe Jund al-Sham, die in den palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon ihre Basis haben und sehr leicht über die Grüne Grenze nach Syrien gelangen können. Richtung Syrien findet auch ein reger Drogenschmuggel statt, gerade, nachdem die Bauern eine hervorragende Haschisch- und Opiumernte hatten. Im Schatten der politischen Turbulenzen des letzten Jahres konnten sie ungehindert pflanzen und ernten.

Kämpfe und Scharmützel ereignen sich immer wieder seit es im Mai dieses Jahres beinahe zum Bürgerkrieg gekommen wäre. Zusammenstöße gibt es meist in der im Norden des Libanon gelegenen Stadt Tripoli. Dort vergeht kaum ein Tag, ohne Granatenexplosionen und Schusswechsel.

Für öffentliche Aufregung sorgte Hummus, eine typische libanesische Vorspeise (aus Kichererbsen, Sesampaste, Zitronensaft, Olivenöl und Knoblauch), die Israel nun als eigenständiges nationales Produkt vertreiben will. „Es ist offensichtlich nicht genug, dass die Israelis und Land stehlen“, erklärte Faid Abboud, der Präsident des libanesischen Unternehmerverbandes. „Sie stehlen auch unsere Kultur und Küche.“ Sein Verband will Klage bei der Europäischen Union einreichen. Hummus sei original ein arabisches Produkt, kein israelisches. Man will sich die Rechte sichern lassen, wie sie etwa der Feta-Käse aus Griechenland genießt.

Propagandakrieg zwischen Hisbollah und Israel

Für viele Libanesen ein Skandal, der die Ankündigung Israels für Momente vergessen ließ, mit „überproportionaler Härte“ gegen ihr Land vorgehen zu wollen. Man werde keine Gnade mit den libanesischen Dörfern zeigen, erklärte Generalmajor Gadi Eizenkot, die Hisbollah-Kämpfer beherbergten. Während des Sommerkriegs 2006 zerstörte das israelische Militär die südliche Vorstadt von Beirut, in der Hisbollah nicht nur ihre Büros unterhielt, sondern auch die Unterstützung der Bevölkerung genießt. Das Gleiche „wird jedem Dorf passieren, aus dem man auf Israel schießt“, meinte der Generalmajor. „Wir werden große Schäden und Zerstörungen anrichten, denn nach unserem Standpunkt sind das keine Zivildörfer, sondern Militärbasen.“ Diese Strategie sei keine militärische Empfehlung, versicherte Eisenkot, sondern „wurde auf höchster Ebene abgesegnet“.

Im Gegenzug nannte Sheik Nabil Kaouk, der Hisbollah-Kommandeur im Südlibanon. Israel „einen Papiertiger“, der keine Angst machen kann und im Falle eines neuen Kriegs das Opfer seiner Widerstandskämpfer würde. „Israel, das von seinen internen Skandalen frustriert ist, kann keinen neue Krieg starten“, so der Sheik. Die Zeitung Al Akhbar, die Hisbollah nahe steht, sprach von einer großen Überraschung, die Israel im Kriegsfall erwarten würde. Israel sollte sich die Konsequenzen eines neuen Angriffs gut überlegen, schrieb Ibrahim al-Amin, der Chefredakteur des Blattes, der direkte Kontakte zur Hisbollah-Führungsriege haben soll.

Der übliche Propagandakrieg, der seit Jahren zwischen Israel und Hisbollah geführt wird. Aktueller wie brisanter Hintergrund ist der noch ausstehende Racheanschlag für den im Februar in Damaskus ermordeten Imam Mughniyeh. Hisbollah-Generalsekretär Hasan Nasrallah bekräftigte vor ein paar Tagen, der Plan, den Ex-Kommandeur zu rächen, sei keineswegs aufgegeben und stünde unmittelbar bevor. Anstelle von Imad Mughniyeh, der für die Verteidigungsstrategie während des Libanonkriegs im August 2006 verantwortlich gewesen sein soll, arbeitet nun Mohammad Rida Zahidi alias Hassan Mahdawy. Der neue Sicherheitschef soll ein Mitglied des iranischen Geheimdienstes sein, der in Teheran für die Sicherheit der regierenden Elite mitverantwortlich und zwischen 1998 und 2000 Teil des iranischen Botschaftspersonals im Libanon war. Bei Hisbollah soll er nun Militärtraining, Verteidigung und die Koordination des Waffenschmuggels koordinieren.

Israel hat offizielle jede Beteiligung am tödlichen Bombenattentat auf Imad Mughniyeh geleugnet. Vor wenigen Tagen kürte der israelische Fernsehsender „Kanal 2“ jedoch den Geheimdienstchef Meir Dagan zum Mann des Jahres mit der Begründung des Preiskomitees, er habe den „Hisbollah-Kommandeur in Damaskus ermordet“, und sei für „einige andere mysteriöse Morde sowie die Bombardierung der vermeintlichen Nuklearfabrik in Syrien“ verantwortlich. Für das alles zusammen würde Dagan mindestens 10 israelische Preise verdienen“.

Bei aller Freude um die Verdienste des Mossad-Chefs und insbesondere über seine Bombe im Auto Mughniyes, Israel steht nun ein Racheakt bevor. Die Ankündigung, ohne Gnade und überproportionaler Härte Zivilisten zu ermorden, wird daran nichts ändern.

Israel baut Raketenabwehrsystem aus, US-Regierung rüstet die Armee Libanons auf

In Vorbereitung auf einen neuen Krieg mit dem Libanon (oder auch mit dem Iran) baut man an einem neuen Kombi-Raketen-Abwehrsystem. Das eine wird „Eiserne Kuppel“ genannt und soll vor den Kurzstreckenraketen schützen, die aus Gaza und dem Nordlibanon abgeschossen werden. „Die Magische Wand“ richtet sich gegen alle Arten von Langstreckenraketen, von denen Hisbollah auch einige Typen in ihrem auf 30- bis 40.000 geschätzten Raketenarsenal haben soll.

Kopfzerbrechen kleinerer Art dürfte die Neugründung einer palästinensischen Hizbollah-Organisation sein. Die sunnitische Dschihad-Gruppe soll sich aus allen bisher bekannten Widerstandsgruppen Palästinas zusammensetzen. Darunter Mitgliedern von Hamas, Fatah, Islamischer Dschihad und Linke. Hamas und Fatah haben offiziell jedoch jede Beteiligung dementiert . Allerdings gab der Kommandeur der Al-Aksa-Brigaden und Chef der Imad Mughniyeh Gruppe zu, dass es finanzielle, logistische und strategische Unterstützung von Hisbollah gebe.

Die US-Botschaft in Beirut erklärte für die erste Hälfte des Oktobers eine Warnung an amerikanische Staatsbürger, nicht in den Libanon einzureisen. Begründet wurde dies mit dem Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan, das Anschläge wahrscheinlich mache. Die Entführung der zwei US-Journalisten war wohl nur ein unglücklicher Zufall, der keinen islamistischen Hintergrund hatte. Beide wurden vom syrischen Militär wegen illegalen Grenzübertritts verhaftet und später wieder freigelassen. Ob die Reisewarnung der US-Botschaft ein Hinweis auf einen bevorstehenden Hisbollah-Anschlag ist, muss sich erst noch rausstellen.

Die Regierung in Washington hat die Libanesische Armee mit 400 Mio. Dollar aufgerüstet und weitere 60 Mio. Dollar warten auf die Bestätigung des Kongresses. Zum einen soll die Armee mehr Sicherheit vor Attentaten sunnitischen radikalen Gruppen bringen und zweitens eine Abschreckung für Syrien sein, nicht wieder in den Libanon einzumarschieren. Gleichzeitig will man natürlich auch den anti-syrischen Fraktionen den Rücken stärken, zu denen Ministerpräsident Fuad Siniora oder auch Saad Hariri zählen. Die libanesische Armee soll ein militärisches Gegengewicht zu Hisbollah werden.

Eine Strategie, die sich als eine Schuss nach hinten erweisen kann. Zumal Hisbollah waffentechnisch weit überlegen ist und obendrein ihre Existenz als Widerstandsgruppe erneut durch die amtierende Regierung offiziell bestätigt wurde. Die Tendenz geht zu einer nationalen Verteidigungsstrategie, in der Hisbollah und die Armee gemeinsam das Land gegen Israel oder andere Aggressoren beschützen wollen.

Vor drei Tagen veröffentlichte die israelische Tageszeitung Maariv den Report, den Hisbollah im Zuge des Gefangenenaustauschs vom Juli dieses Jahres über Ron Arad geliefert hatte. Danach sei der israelische Navigator, der 1986 in seinem Flugzeug über dem Libanon abgeschossen worden war, auf der Flucht umgekommen. Zwei Jahre nach seiner Gefangenschaft habe er sich in der Nacht vom 4. auf den 5. Mai 1988 aus seinem Gefängnis befreit und sei Richtung des damals von Israel besetzten Südlibanon marschiert.

„Er war in einer bergigen, verlassenen Gegend, in die kaum ein Mensch seinen Fuß setzt“, hieß es in dem Bericht. Verletzungs- oder krankheitsbedingt, vielleicht auch durch einen Unfall sei er dann irgendwo auf seiner Route gestorben. Die israelische Regierung, die offiziell davon ausgeht, dass Ron Arad noch lebt, wies den Bericht als „völlig unbefriedigend“ zurück. Irgendwo in der Wildnis zu sterben, ein grausamer Tod, aber wenig spektakulär für einen Soldaten, der als Held und Legende in Israel gilt. Aber wer weiß, vielleicht "entdeckt" Hisbollah irgendwann neue Spuren über den Verbleib Arads und zwar dann, wenn es zum Vorteil der Organisation ist.