Hunde, wollt ihr ewig leben?

Können Forscher in Pittsburgh toten Hunden wieder Leben einhauchen?

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Was sich anhört wie das Szenario eines Horrorfilms, in dem Zombiehunde knurrend über den Friedhof der Kuscheltiere streifen, soll laut Meldung der britischen Daily Mail in den Labors des Safar Center for Resuscitation Research an der Universität Pittsburgh wissenschaftliche Realität geworden sein: Die US-Forscher behaupten demnach allen Ernstes, eine überraschend simple Methode gefunden zu haben, ausgeblutete Hundekadaver wieder zum Leben zu erwecken. Und angeblich können es die Forscher kaum erwarten, ihre Techniken auch an menschlichen Probanden auszuprobieren

Anlässlich des dritten „Annual Safar Symposium“ haben die Mediziner, die das wissenschaftliche Erbe des Wiederbelebungs-Gurus Peter J. Safar (1924-2003) verwalten, die Sensationsmeldung hinausposaunt: In einer Kette makaberer Experimente wollen die Mediziner des für Reanimationstechnik bekannten Forschungszentrums Dutzende Hunde aller Größen und Rassen zuerst vom Leben zum Tod und dann, wenige Stunden später, vom Tod zurück ins Reich der Lebenden befördert haben.

Laut Presse- und TV-Berichten wurde den bedauernswerten Hunden das ganze Blut abgezapft; die Venen der so getöteten Versuchstiere wurden mit einer fast eiskalten Salzlösung gefüllt, die die Körpertemperatur schlagartig auf 7 Grad C. absinken lässt. Der auf diese Weise herbeigeführte „hypothermische Zustand“ soll verhindern, dass Gewebe und Organe zerstört und die Hirnfunktionen Schaden nehmen.

Nach drei Stunden wurde den Hunden dann wieder Blut zugeführt; mittels Elektroschocks und der Verabreichung von Sauerstoff wurden die bereits eindeutig als klinisch tot diagnostizierten Tiere erfolgreich reanimiert – und die gerade noch leblosen Hundekörper begannen sich wieder zu rühren. Sämtliche Organ- und Körperfunktionen sollen dabei keine Beeinträchtigungen aufweisen, obwohl Gehirn und Kreislauf kurz zuvor noch nachweislich zum völligen Stillstand gekommen waren.

Entgegen ersten Jubelmeldungen sollen jedoch keineswegs alle Versuchstiere ihren Tod auch heil überlebt haben. Während die glücklichen Exemplare wieder mit dem Schwanz wedelnd durchs Labor sausen, tragen andere schwere körperliche Beeinträchtigungen und Verhaltensschäden davon. „Wir behaupten ja in keiner Weise, dass wirklich jedes Resultat auch normal ausfällt“, gibt sich der Institutsleiter Patrick Kochanek mittlerweile etwas zurückhaltender.

Lange Zeit schien es, als wären alle Wiederbelebungsversuche des „Suspended Animation Program“ nach dem Maximum von zwei Stunden zum Scheitern verurteilt. In der Glukose- und verstärkten Sauerstoffzufuhr haben die Forscher dann aber das angebliche Wundermittel entdeckt und die Zeitgrenze für die vorübergehende Reise ins Jenseits immer weiter hinausgeschoben. An der Drei-Stunden-Marke sind sie aber bis heute gescheitert: „Wir haben versucht, bis zu vier Stunden zu gelangen“, zieht Kochanek eine erste Zwischenbilanz, „aber wir haben es einfach noch nicht geschafft!“

Zukunftsmusik fürs Schlachtgetümmel

Ganz so spektakuläres Neuland betritt die wundersame Wiederauferstehung der toten Hunde bei genauerem Hinsehen allerdings dann doch wieder nicht. Die Absenkung der Körpertemperatur bei Animationspatienten gehört bereits seit einigen Jahren zur medizinischen Praxis, um Schädigungen des Zentralnervensystems möglichst gering zu halten. Auch bei speziellen chirurgischen Eingriffen kommen, wie Sergio Pintaudi der „Repubblica“ erläutert bereits ähnliche Techniken zum Einsatz:

In der Herzchirurgie zum Beispiel ermöglicht es die Anästhesie, die Hirnaktivität radikal herabzusetzen, indem ein lang andauernder Zustand einer extrem tiefen Narkose herbeigeführt wird. Noch nicht eingefrorene Kryonik-Freaks dürften die Projektberichte aus Pittsburgh dennoch mit pochendem Herzen verfolgen. Den US-Medizinern geht es allerdings erklärtermaßen nicht darum, den Traum vom ewigen Leben mittels Tiefkühltechnik (Europäisches Kryonik-Projekt zur "Lebensverlängerung" in Planung) Wirklichkeit werden zu lassen. Sie begnügen sich lieber mit der Aussicht, all jenen Unfall- oder Verbrechensopfern, für die aufgrund eines besonders raschen Blutverlusts momentan noch jede Hilfe zu spät kommt, die rettende Zeit zu verschaffen. Auf diese Weise könnte schon in wenigen Jahren die – jetzt oft noch verhängnisvolle – Zeitspanne bis zur medizinischen Behandlung ohne Organ- und Hirnschäden überbrückt werden.

Vor allem das US-Militär brennt offenbar schon darauf, die neuen Weiderbelebungsmethoden endlich zur Anwendung zu bringen. Denn wo bislang verwundete Soldaten auf den Schlachtfeldern verbluteten, bevor sie medizinisch ausreichend versorgt werden konnten, soll ihnen – innerlich tiefgekühlt – in zukünftigen Kriegen etwas mehr Zeit bleiben. Angeblich sind deshalb zurzeit Gespräche mit Kliniken im Gang, damit sich das „Safar Center“ bei seinen Versuchreihen nicht mehr ausschließlich mit Vierbeinern begnügen zu muss.

Die Hundeschlächter von Pittsburgh

Zwar ist kaum zu befürchten, dass die Forscher auch ihre menschlichen Probanden eigenhändig ins Jenseits befördern werden, doch die aktuellen Erfolgsmeldungen werden noch einen mächtigen Chor ethischer Bedenkenträger auf den Plan rufen. Tierschützer laufen schon jetzt Sturm gegen die „Hundeschlächter“ von Pittsburgh. So kann beispielsweise die Organisation PETA (die dieser Tage übrigens selbst wegen der Massentötung von Hunden unter Beschuss geraten ist) kein Verständnis für die Versuche des „Safar Center“ aufbringen:

Diese Experimente sind nicht zu verteidigender Unsinn und die Ergebnisse für Menschen werden sich als vernachlässigbar gering erweisen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es sehr wohl schwerwiegende Folgen für diese Tiere gibt, die nicht zur Sprache gebracht werden.

PETA-Sprecherin Mary Beth Sweetland

Die Einwände, dass die Grauzone zwischen Leben und Tod hier zu einem ethisch höchst fragwürdigen Experimentierfeld werde, wo man bedenkenlos jedes Tieropfer am blutigen Altar der Wissenschaft als gerechtfertigt ansehe, hält der Projektleiter für blanken Unsinn: „Von unserem Standpunkt aus glauben wir, dass es sich hier um ein äußerst wichtiges Forschungsfeld handelt“, erklärt Kochanek.

Dass seither kaum ein Medienbericht der Versuchung widerstehen konnte, an den Filmplot von Flatliners zu erinnern, und auch im Internet das Schlagwort vom zähnefletschenden Zombiehund die Runde macht, finden die Mediziner in Pittsburgh bedauerlich; sie fühlen sich in ihrer Arbeit gänzlich missverstanden.

Es ist so unfair und bizarr! Irgendjemand muss sich gedacht haben, „Zombiehund“ würde eine griffige Formulierung abgeben. Und offensichtlich haben sie da Recht behalten, aber offensichtlich ist eben auch, dass nichts weiter entfernt ist von dem, was wir tun, nämlich versuchen, Leben zu retten.

Die Kunde von den lebenden toten Hunden wandert einstweilen rund um den Erdball und erntet, je nach Laune, Staunen oder Kopfschütteln – im „Museum of Hoaxes“ wird sie jedenfalls schon eifrig diskutiert. Die Skeptiker unter den Kollegen, die die Meldungen wohl ebenfalls nicht ganz ohne Argwohn aufgenommen haben, müssen sich indes noch ein wenig gedulden: Die mit Spannung erwartete Studie aus Pittsburgh liegt nämlich vorerst noch gar nicht als Publikation vor.