Hurra, der (Pseudo-) Aufschwung ist da!

Seite 5: Auf zur nächsten Spekulation!

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Was wäre solch ein schuldenfinanzierter Aufschwung ohne eine ordentliche Aktienmarktrallye? Egal ob DAX, Dow-Jones oder Nikkei – monatelang schon steigen die wichtigsten Indizes in immer neue Höhen. Ironischerweise wird dieser Aufschwung an den Aktienmärkten auch noch mit der sich auffallenden Konjunkturlage erklärt, die ja vor allem durch schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme entstand.

Auch für diese Aktien-Hausse wurden astronomische Summen aufgewendet. Tatsächlich lassen die Beträge, die zur Reanimierung der darniederliegenden Finanzmärkte aufgewendet werden, selbst die globalen Konjunkturaufwendungen als bloße „Peanuts“ erscheinen. Diese weltweite Aktienmarkthausse erweckt somit den Anschein, als ob diese billionenschweren Stützungs- und Hilfsmaßnahmen für das Weltfinanzsystem, die von etlichen Regierungen rund um den Globus hektisch aufgelegt worden, tatsächlich ihren Zweck erfüllt hätten.

In gewisser Weise trifft das ja auch zu. In einem viel beachteten Bericht kommt der Marktanalyst Andy Xie zu der Schlussfolgerung, dass die „Zentralbanken der Welt“ vermittels ihrer expansiven Geldpolitik eine neue Liquiditätsblase geschaffen haben. Diese manifestiere sich „zuerst in steigenden Rohstoffpreisen, dann in den Aktienmärkten und zuletzt in einigen Immobilienmärkten“, erläuterte Xie unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung in China. Radikal gesenkte Leitzinsen seitens der Zentralbanken, vor allem der amerikanischen Fed, wie auch wegfallende Beschränkungen bei der Kreditvergabe in China, hätten zu diesem Boom maßgeblich beigetragen.

Insbesondere der chinesische Finanzmarkt scheint Anzeichen einer spekulativen Überhitzung aufzuweisen. Ende August brach der Leitindex in Shanghai um mehr als 20 % binnen kürzester Zeit ein. Diese Panik war durch Ankündigungen der chinesischen Regierung ausgelöst worden, die expansive Geldpolitik zu revidieren, die in Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise von Peking Ende 2008 forciert wurde. Chinas Banken haben in der ersten Jahreshälfte 2009 umgerechnet 760 Milliarden Euro an neuen Krediten ausgereicht. Laut FTD war somit die Kreditvergabe im Reich der Mitte dreimal so hoch wie im Vorjahreszeitraum. Ein erheblicher Teil dieser Gelder wurde nicht investiert, sondern floss in Spekulationen bzw. den Konsum. Es drohen somit Kreditausfälle, aber auch spekulative Exzesse auf den Aktien- und Immobilienmärkten.

Dieser monetäre Kurs in China und den USA erinnert fatal an die Reaktionen der Geldpolitik nach dem Platzen der Spekulation mit Hightechaktien in 2000 (Dot-Com-Blase). Damals senkte ebenfalls die amerikanische Federal Reserve massiv die Zinsen, um durch die so geschaffene Liquidität die Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt zu schaffen. Dieses 2001 vollführte geldpolitische Manöver wird inzwischen als der Great Bubble Transfer, der große Spekulationsblasen-Transfer, bezeichnet.

Etwas Ähnliches scheint sich also auch derzeit anzubahnen. Nur nehmen diesmal die Staaten – hier vor allem die USA – eine zentrale Rolle bei der Wiederbelebung der Blasensbildung ein. Gerald Celente, Direktor des Trends Research Institute, bezeichnete das derzeitige Manöver im Gespräch mit dem Fernsehsender CNBC als eine regelrechte „Bailout Bubble“, eine durch die Rettungsmaßnahmen der Regierung initiierte Spekulation:

Wir sehen gerade eine Bailout-Blase, die viel größer ist als die Dot-Com-Blase und die Immobilienblase, aus die wir rauszukommen versuchen. ... Das ganze ökonomische System wird derzeit umstrukturiert. ... Die Politik hat 12,8 Billionen US-Dollar in der Pipeline, um ein scheiterndes System aufrechtzuerhalten.

Gerald Celente

Da aber die US-Regierung nun eine dermaßen starke Position innerhalb der Finanzinstitution habe, werde es keinen weitere Blasenbildung geben können, erläuterte Celente: „Wenn diese Blase platzt, wird man sie nicht erneut inflationieren können, weil die Regierungsintervention so tief reicht.“ Die nahezu 13 Billionen US-Dollar, die Regierung und Notenbank in den USA in Form von Krediten und Garantieren zur Stützung des Finanzsektors bislang aufgewendet haben, bilden nicht einmal das Ende der Fahnenstange.

Die Wirtschaftsquerschüsse zitierten aus einem Bericht an den US-Kongress, der eine theoretisch maximal mögliche staatliche Bruttoexposition der USA von schwindelerregenden 23,7 Billionen Dollar nennt, die im Zuge der Krisenbekämpfungsmaßnahmen entstand. So könnte das auf 700 Milliarden US-Dollar veranschlagte TARP-Programm zum Aufkauf fauler Kreditvertiefungen sogar auf bis zu drei Billionen Dollar anwachsen. Der amerikanische Einlagensicherungsfond könnte dem Bericht zufolge schlimmstenfalls 2,3 Billionen US-Dollar zum Schutz der Kundeneinlagen insolventer Banken aufwenden müssen. Rund um den zusammengebrochenen Hypotheken- und Immobilienmarkt könnten sogar 7,2 Billionen US-Dollar fällig werden.

Es ist klar, dass diese Summe in ihrer Gänze niemals fällig wird, da diese von Neil Barofsky, dem Generalinspekteur des TARP-Programms erstellte Berechnung die maximal mögliche Belastung in jedem durch staatliche Hilfsmaßnahmen gestützten Sektor nennt. Dennoch könnten die 12,8 Billionen US-Dollar, die bislang im Zusammenhang mit der Stabilisierung der Finanzmärkte genannt werden, leicht übertroffen werden.

Ein guter Teil dieser Gelder, die zur Stabilisierung des Weltfinanzsystems aufgewendet werden, geht in die Spekulation und befördert die derzeitige Hausse an den Aktienmärkten. Insgesamt wurden von der US-Regierung 250 Milliarden US-Dollar zur Aufrechterhaltung der Liquidität des Finanzsektors aufgewendet. Hiervon konnten die betroffenen US-Banken bereits dank der Börsenhausse 70 Milliarden US-Dollar zurückzahlen. Der amerikanische Finanzminister Timothy Geithner geht sogar davon aus, dass binnen der nächsten 18 Monate weitere 50 Milliarden US-Dollar an Staatskrediten von den betroffenen Finanzinstituten zurückgezahlt werden können.

Der Publizist Mike Whitney erläuterte, wie diese Hilfsmaßnahmen zur neuesten Börsenrallye beitrugen. Es lohnt, dieses anschauliche Beispiel in aller Ausführlichkeit zu zitieren:

Say you bought a house at the peak of the bubble in 2005 and paid $500,000. Then prices dropped 40% (as they have in Calif) and your house is now worth $300,000. If you only put 5% down, ($25,000) then you are underwater by $175,000. Which means that you own more on the mortgage than your house is currently worth. (This is essentially what has happened to the entire financial system. The equity has vaporized, so institutions are using dodgy accounting tricks instead of reporting their real losses.) So Bernanke comes along and gives you $175,000 no interest, rotating loan to you so that no one knows that you are really busted and you can continue spending just as you had before. Not bad, eh? This is what the lending facilities are all about. It is a charade to conceal the fact that a large portion of the nation's financial institutions are insolvent and propped up by state largess.

Now that Bernanke has given you $175,000 no interest, rotating loan; you expect that eventually he will ask for his money back. Right? So your only hope of saving your home, in the long run, is to engage in risky behavior, like dabbling the stock market. It's like playing roulette, except you have nothing to lose since you are underwater anyway. This is exactly what the financial institutions are doing with the Fed's loans. They're betting on equities and hoping they can avoid the Grim Reaper. ...

Only a small portion of the money that has gone into the stock market in the last 6 months (since the March lows) has come from money markets. The fed's loans are being laundered into stocks via financial institutions that are rolling the dice for their own survival. The uptick in the markets has helped insolvent banks raise equity in the capital markets so they don't have to grovel to Congress for another TARP bailout.

Mike Whitney: When "Not Bad" is the New "Good"

Die Fed hat also großzügig Kredite an angeschlagene Finanzinstitute verteilt und toxische Kreditverbriefungen in Billionenwert in ihre Bilanzen aufgenommen - und dadurch diese Finanzinstitutionen mit der Liquidität versorgt, die sie brauchen, um auf dem Aktienmarkt zu spekulieren.

Da die Märkte für Hypotheken und Kreditvertiefungen weiterhin „in Scherben“ liegen, wie sich Whitney ausdrückt, hätten die Banken weniger Möglichkeiten, ihre Gewinnerwartungen zu realisieren: „Die Kreditvergabe ist gesunken, aber die Spekulation ist gestiegen. Sehr stark gestiegen.“ Das gesamte Finanzsystem sei aber Bankrott, Billionen von Wertpapieren und Derivaten, unzählige zwielichtige Banken und Versicherungen werden nun durch die US-Steuerzahler gestützt.

Viele durch Fed-Kredite vor dem Kollaps gerettete Finanzinstitute sind folglich dazu übergegangen, auf den Aktienmärkten um ihr eigenes ökonomisches Überleben zu zocken, da sie eigentlich pleite sind! Die betroffenen Banken hoffen einfach darauf, durch geschickte Spekulation doch noch die Insolvenz abwenden zu können. Das Ganze funktioniert aber nur, solange diese jüngste Spekulationsblase noch im Steigen begriffen ist, solange den Aktienmärkten frische Liquidität zufließt. „Bernanke steht mit dem Rücken zur Wand. Das Einzige was er tun kann, besteht darin, noch mehr Geld zu drucken und es durch die Hintertür in die Aktienmärkte zu schaufeln“, so Whitney. Die erneute Blasensbildung soll also den ökonomischen Zusammenbruch verhindern, der aufgrund des derzeitigen Crashs droht. Man könnte auch sagen: Es wird hier mit Benzin gelöscht.

Ökonomische „Leichen auf Urlaub“, längst insolvente Finanzinstitutionen, die nur dank großzügig gelockerter Bilanzierungsregeln und staatlicher Kredite noch ein Scheinleben fristen, spielen derzeit im globalen Finanzmarktkasino ihre letzte Runde russisches Roulette – bis auch diese letzte aller Blasen platzt.