Husch-Mail

Axel jagt seinen Informationen aus dem Internet hinterher - buchstäblich

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Was soll's. Mails ziehen mich runter. Vor allem, wenn ich sehe, wie "Der macht mich wahnsinnig und trinkt Tee dabei"-Axel die erste Generation an Internetgeräten dazu nutzt, meine Mails kreuz und quer durch die Wohnung zu jagen. Aber ich greife vor.

Im Leben eines Mannes gibt es nur drei Dinge, die ihn wirklich restlos fertig machen. Die ersten beiden sind in direkter Linie von Sex ableitbar und das Dritte tut mir Erika hin und wieder an, wobei ich schon froh bin, dass sie es zu ersteren beiden erst gar nicht kommen lässt. Erika, dieses Pestizid meiner Lebensfreude, verdonnert mich jedes Jahr aufs Neue, ein "nettes Gedicht" für den Hochzeitstag ihrer Eltern zu schreiben. Am liebsten für ihre Mutter. Machwerke à la:

Willy, Mensch, die alte Schlampe,
hat sie wohl verdient, die Wampe.

werden dabei prinzipiell abgelehnt und mit vier Tagen Magerquark-Nachspeise belohnt. Es muss schon netter sein, und weil mir eben dieses Mal nichts anderes einfiel, ließ ich ein "Hilfe-Axel"-Mail vom Stapel und machte mich auf den Weg. Das hätte ich mir sparen können.

Die Maschine lebt

Ich denke mir noch: Mensch, die erste Textzeile hast Du ja mit "Deine Waden sind wie ein Kohlrabi" schon in der Tasche, und den Anfang der zweiten Zeile, der mir nun entfallen war, den hatte ja Axel schon in seinem In-Basket. Ich liebe das Internet. Ich klingelte. Nichts. Ich klingelte noch einmal, manchmal hält Axel das für einen Systemklang, da hilft dann nur Forte. Wenn er seine Maschine warmstartet und immer noch "dieses Geräusch" zu hören ist, dann versteht er den äußeren Zusammenhang wieder und paraphrasiert ihn in Pseudo-Code etwa wie folgt:

If Klingel i ++1
Do Door open
While Warmstarting
End if - oder Kühlschrank
Input Bier

Irgendwie so. Aber selbst nach einem Becker-aufschreckenden Schellenkonzert in Stakkato Dur und Forte, das schon mehr wie "Klingelraub" klang, rührte sich nix. Gut, dann nahm ich eben den Schlüssel, der immer neben dem Türschild hing. Ich öffnete die Axelpforten, um gerade noch zwei Weißbrotscheiben aus dem Fenster fliegen zu sehen und Axel "Scheiße !" brüllen zu hören. Gut, ich hätte Nougatcreme auf diesen Weißbroten bevorzugt, aber darum schien es nicht zu gehen. Was das denn eben gewesen sei, wollte ich von ihm wissen.

"Dein Mail."

Nun, es gibt Pausen im Leben eines Mannes, die schlagartig das Universum in ein Glas Marmelade fallen lassen, nur um es dann verkleckert wieder ins Hirn zurückzulegen. Das sei bitte was gewesen? Mir schien der Unterschied zwischen eventuell fäkal beschmiertem Weißbrot und dem Gedichtanfang zum Ehrentag meiner Schwiegereltern an sich eigentlich klar. Ihm aber nicht. Das möge er, so ich, mir deshalb noch einmal in Ruhe erklären.

Axel vernetzt

Das sei einfach, meinte er. Er habe jetzt alle seine Küchengeräte mit Internet ausgerüstet, und jetzt würde sein Computer einfach die Mails abrufen, dann anhand seines Schedules ahnen, wo er sich gerade aufhalte und dann den jeweiligen Text auf das nächste Gerät in seiner Nähe übertragen.

Gut, dass wir so etwas nicht in der Wohnung hatten. In Erikas Trockenhaube würden sonst ständig meine Börsenkurse landen. Aber Axel war nicht zu bremsen. Das sei ganz toll. Im Wesentlichen kämen die Mails oft in seinem Toaster an, und der brenne dann wie bei diesem englischen Studenten die Sätze auf das Weißbrot. Na, ins Frühstücksmüsli könnte das arme Ding meine Infos wohl nicht reinplumpsen lassen. Ob er denn damit sagen wolle, dass eben zwei meiner unsterblichen Gedichtzeilen aus dem Fenster geflogen seien?

Axel war ein wenig verlegen: Ja, man könne sozusagen von einem Flugblatt auf Weizenkeim-Basis sprechen. Wahnsinn. Bei den Romanen, die ich manchmal von ehemaligen Freunden erhielt, würde dazu ja nicht einmal ein Baguette reichen. Der Länge nach!!! Oder dieser Toaster hat einen Patronengurt voller Brotscheiben geladen.

Aber das sei alles nicht so schlimm. Der Toaster pflege eigentlich immer eine Sicherheitskopie im Entsafter abzulegen. "Axel, Orangensaft liest sich unglaublich schwer. Glaub mir. Oder hast Du schon einmal Onkel Dittmeyer ein Märchenbuch in der Hand halten gesehen."

Ich solle mir keine Sorgen machen, er müsse doch nur den Arbeitsspeicher des Entsafters auf seine Armbanduhr übertragen, um damit in Reichweite des PCs zu kommen. Das klang logisch. So habe ich mir immer die internen Arbeitsvorgänge meiner Steuerbehörden vorgestellt und damit viel an Amtswegen erklären können.

Uhr verschusselt

Gesagt getan. Mit einer mächtigen Armbewegung schüchterte Axel den Entsafter ein, der vor Schreck einen halben Apfel in verflüssigter Form aus seiner Saftdüse absonderte. Aber die Uhr begann merkwürdig zu blinken. Axel streckte stolz die Arme aus und wollte sich schon loben.

Niiiiiiiiiiicht. Da hatten wir den Salat. Der Chronometer begrüßte scheinbar den zu nahe stehenden Staubsauger und gab als Gastgeschenk meine Gedichtzeilen weiter. Mist. Wir sahen entsetzt, wie dieses saugende Monster seine Düsen anwarf und mit dem Stangengewirr vor sich irgendwelche Buchstaben in den dreckigen Teppich zu zeichnen begann. Ich hechtete mit einem "Das ist Literatuuuuuuuuuur, Du Schlotzer!" auf seine Kabeltaste, aber dieser blecherne Volltrottel - ich meine den Staubsauger - verkrümelte sich ins Bad.

Axel tippte mir, bevor ich diesem Mistding eine Stehlampe hinterherwerfen konnte, auf die Schulter, ich solle mich umschauen. Hinter uns flogen zwei Scheiben Weißbrot aus dem Toaster, auf denen klar und deutlich stand: "Du kriegst mich nicht, Du kriegst mich nicht.". Na warte.

Ich würde einfach mit dem Druck auf das Ding losgehen, was Axel allerdings nicht so gut fand. Der Raumbefeuchter sei ein Freund vom Staubsauger und manchmal direkt online mit meiner Hausbank verbunden. Ich solle keinen Blödsinn machen oder lieber gleich über einen offensiven Entschuldungsplan nachdenken. Das war ja zum wahnsinnig werden. Dann eben die vollautomatische Teekanne. Das ginge auch nicht, so Axel lapidar, er habe das Passwort vergessen.

"Aber ich will damit doch nur den Staubsauger erlegen!"

Keine gute Idee das sei, meinte Yoda-Axel, viele Freunde der Teekocher habe im Netz. Aber es sei doch denkbar, dem Staubsauger einen Virus zu implementieren. Pause. Mhm. Das klänge spannend. Axel setzte sich an seinen Rechner, gab etwas wie "I love You" mit meiner Absendekennung ein. Wir warteten ...

Zuerst flogen uns Semmelbrösel aus dem Toaster entgegen. Kein schlechtes Zeichen. Dann sprang der Teekocher mit einem lauten Jodeln (!) an und befahl dem Raumbefeuchter, spontan ein wenig Freudennebel in die Wohnung zu zaubern. Was wir dann nur noch mühsam erkennen konnten, war die weiße Fahne des Staubsaugers auf dem Computerschirm. Und die Mail von mir. Toll.

Axel schrieb souverän drei Zeilen dazu, die soviel Liebe an meine Schwiegereltern vorgaukelten, dass sogar mir eine Träne der Rührung über die Wangen lief. Wie er sich da denn hineinfinden konnte, wollte ich wissen ... Nun, er habe einfach an seinen ersten von ihm selbst geschriebenen Druckertreiber gedacht. Danke. Das erklärte zumindest die Textstelle mit den "9 Nadeln der Treue".

Schluss vermasselt

Wir hätten so noch eine halbe Ewigkeit im Semmelbröselregen und im Nebel der Glückseeligkeit sitzen können, aber es schellte plötzlich das Telefon. Axel startete impulsiv seinen Computer warm. Gut, dass wir mir das Gedicht bereits nach Hause gemailt hatten. Der speichert doch nie was, der ist doch Teetrinker.

Erika war dran. Schluchzend. Was war denn nun schon wieder?

Es sei so lieb von mir gewesen, ihr "I love You" zu schreiben, sie hätte es gar nicht abwarten können, diesen netten Brief von mir anzuklicken. NEIN. Und nun - NEIN - seien - NEINNEIN - alle Dateien - NEEEIIIIN - weg, wahrscheinlich. NEIN. Weil der Bildschirm eigentlich einfach schwarz - NEIIIIIIIIIN - sei. Ob das schlimm - NEIN - sei?

NEIIIIIN.

Axel schaute mich lächelnd an. So wie ein Hamster vor einem Tiger steht und "Ich bin doch eigentlich zu klein für Dein Beuteschema, oder?" fiept. Ich hingegen war erst einmal ruhig. Auffällig ruhig ...

P.S.: Axel hat auch eine eigene Homepage

".EXE ungelöst - Die Axel-Files" mit 25 Axel-Geschichten, 4 Hörspielen und einem Axel-Lexikon ist schon längst erschienen. Eine Bestellung ist sogar online möglich.