INSA: Weder Mehrheit für Schwarz-Rot noch für Schwarz-Grün

Symbolbild: cross.ch

Absacken der Union macht Viererkoalition im Bund wahrscheinlicher - neue Unwägbarkeit Freie Wähler

In der neuen Insa-Umfrage im Auftrag der Bild-Zeitung sind CDU und CSU mit einem gegenüber der Vorwoche weiteren Verlust von einem halben Prozentpunkt auf 29,5 Prozent und damit unter die 30-Prozent-Marke abgesackt. Im Juni lagen sie noch bei 38,5 Prozent. Seitdem geht es ziemlich stetig bergab.

Nur die Sonstigen profitieren

Vom jüngsten Verlust der Union konnten weder der jetzige Koalitionspartner SPD noch der vor vielen Beobachtern erwartete zukünftige Koalitionspartner Grüne profitieren: Beide Parteien verharren im Bund bei 17 Prozent. Auch die AfD mit 11,5 und die FDP mit 10,5 Prozent bewegen sich nicht. Die Linke muss sogar einen Verlust von einem Punkt auf jetzt acht Prozent hinnehmen. Lediglich die "Sonstigen" legen um eineinhalb Punkte auf jetzt sechseinhalb Prozent zu.

Würden die Bürger am 26. September so wählen, wie sie den Meinungsforschern von Insa antworteten, dann hätte die jetzt regierende große Koalition aus CDU, CSU und SPD mit zusammengerechnet 46,5 Prozent nicht nur keine absolute Mehrheit an Stimmen, sondern auch keine im Parlament. Dort käme eine Opposition aus Grünen, AfD, FDP und Linken nämlich auf addierte 47 Prozent. Da die Grünen im Bund ohne einen Winfried Kretschmann, sondern mit einer als Kanzlerkandidatin gehandelten Annalena Baerbock, in der Umfrage nicht besser abschneiden als die Sozialdemokraten, gäbe es darüber hinaus auch keine schwarz-gelbe Mehrheit.

Deutschland, Jamaika, Kenia

Damit müssten sich nicht nur drei, sondern vier Parteien auf eine Regierungskoalition einigen. Die könnte beispielsweise aus CDU, CSU, SPD und FDP bestehen - den vier prägenden Parteien aus den Anfangsjahrzehnten der alten Bundesrepublik. Analog zu deren alten Parteifarben und den deutschen Nationalfarben nennt man dieses Modell in den Medien die "Deutschlandkoalition". Unüberwindbare Hindernisse für eine Zusammenarbeit in so einer Deutschlandkoalition sind nicht ersichtlich - immerhin arbeiteten die vier Parteien schon in der Vergangenheit in verschiedenen Varianten zusammen. Es könnte lediglich sein, dass die SPD glaubt, in der Opposition wieder auf einen größeren Stimmenanteil zu kommen als in der Regierung, und ihren Platz für die Grünen frei macht.

So ein Regierungsbündnis aus CDU, CSU, Grünen und FDP nennen die deutschen Medien nach den Nationalfarben der gleichnamigen Karibikinsel eine Jamaika-Koalition. Auf Bundesebene wäre sie zwar ein Novum - aber auf Länderebene gab es sie im Saarland und gibt es sie in Schleswig-Holstein. Da die Liberalen nach entsprechenden Sondierungsgesprächen 2017 die Beteiligung an so einer Koalition auf Bundesebene ablehnten, müssten Ihnen Union und Grüne 2021 womöglich mehr Zugeständnisse machen als damals. Vielleicht ist der Appetit der Liberalen in vier Jahren aber auch so gewachsen, dass es ohne diese Zugeständnisse geht.

Will sich die FDP weder an einer Deutschland-, noch an einer Jamaika-Koalition beteiligen, ist die nächstwahrscheinlichere Variante eine schwarz-rot-grüne Kenia-Koalition, wie sie in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg existiert.

Anti-Lockdown-Kraft

Die Insa-Umfrage, die zwischen dem 12. und dem 15. März durchgeführt wurde, berücksichtigt aber noch nicht, dass es am 26. September Wahlberechtigte geben könnte, die sich nach den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg anders entscheiden, weil sie glauben, dass nun auch die Freien Wähler eine Chance auf einen Einzug in den Bundestag haben könnten. In Baden-Württemberg - wo ihnen Insa am 10. März zwei Prozent vorhergesagt hatte, landeten die Freien Wähler am Sonntag nämlich bei drei Prozent - und in Rheinland-Pfalz zogen sie mit 5,7 Prozent am selben Tag nach Bayern und Brandenburg in das dritte deutsche Landesparlament ein.

Ein Grund, warum sich viele Wähler für diese Partei entschieden, dürfte gewesen sein, dass sie sich im Wahlkampf als Anti-Lockdown-Kraft präsentierte (vgl. Die Lockdown-Testwahlen vor der Bundestagswahl). Ihr Bundesvorsitzender Hubert Aiwanger sagte der Neuen Zürcher Zeitung gestern, während die Union "in erster Linie auf Inzidenzen und Virologen" schaue, habe seine Gruppierung auch "betroffene Existenzen" im Blick und suche nach "pragmatischen Lösungen" jenseits "starrer Richtwerte" und "Ideologie".

Gelingt Aiwanger ein Einzug in den Bundestag, strebt er eine Koalition mit CDU, CSU und FDP an. Dazu müsste seine Partei aber vor allem aus dem Reservoir der Nichtwähler schöpfen. Denn wenn er Union und FDP Stimmen abnimmt, sinkt deren Anteil von aktuell 41 Prozent - und es reicht nicht mehr für so ein Bündnis. Eine weitere Option, auf die der Rahstorfer anscheinend spekuliert, ist die, AfD-Wähler zu den Freien Wählern zu locken: Die, so Aiwanger zur NZZ, nützten "letztlich nur den Grünen, weil sie bürgerliche Mehrheiten verhindert".

Ein Hindernis für einen Einzug der Freien Wähler in den Bundestag könnte sein, dass die Partei - anders als die Grünen, die Piraten und die AfD - nicht als Medienspektakel wuchs, sondern aus der Kommunalpolitik heraus: In Bayern stellte sie zahlreiche Bürgermeister, Landräte, Stadträte und Gemeinderäte, bevor sie dort in den Landtag einzog. Auch in Rheinland-Pfalz war es mit Joachim Streit ein Landrat, der sie von 2,2 Prozent bei der letzten Landtagswahl auf jetzt 5,7 Prozent brachte. Im Landkreis, dem er vorsteht, erreichte die Gruppierung am Sonntag 21,3 Prozent. Ob die Freien Wähler für den Bundestag auch für die Gebiete, in denen sie auf kommunaler Ebene nicht so gut verwurzelt sind, entsprechend zugkräftige Kandidaten finden, wird sich zeigen.

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