IS sprengt 70 bis 90 Menschen in die Luft

Bombenanschlag auf Schiiten zum Ramadan-Ende

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Die salafistische Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hat gestern Abend bei zwei Bombenanschlägen nach Medienschätzungen 70 bis 90 Menschen getötet und über 130 verletzt.

Der erste Anschlag geschah in der Nähe eines Restaurants in einer Einkaufsstraße im gemischten, aber überwiegend von Schiiten bewohnten Bagdader Viertel al-Karrada. Viele der dortigen Opfer sollen Frauen und Kinder sein, die im Fastenmonat Ramadan nach Sonnenuntergang essen und trinken wollten. Den Sprengstoff hatten die Terroristen angeblich in einem kleinen Kühllaster versteckt. Die Explosion setzte zahlreiche Gebäude in Brand, die teilweise auch am Sonntag noch nicht gelöscht waren, als Ministerpräsident Haider al-Abadi den Tatort besichtigte und von aufgebrachten Überlebenden in seinem Autokonvoi mit Steinen beworfen wurde.

Brennende Gebäude in al-Karrada

Der zweite Anschlag, bei dem mindestens fünf Menschen ums Leben kamen, geschah kurz darauf in einem von Schiiten bewohnten Gebiet im Norden der irakischen Hauptstadt. In der Woche zuvor hatte der IS eine militärische Niederlage einstecken und die sunnitische 330.000-Einwohner-Stadt Falludscha räumen müssen.

Gegen die Annahme, dass der Anschlag vor allem eine Reaktion auf diese Niederlage war, sprechen die zahlreichen anderen Sprengstoffattentate, die der IS in den letzten Monaten in Bagdad und anderen irakischen Städten verübte:

Am 9. Juni starben beispielsweise mindestens 30 Menschen durch die Hände zweier Selbstmordattentäter, am 17. Mai 69 bei Autobombenexplosionen in einem sunnitischen und drei schiitischen Vierteln, am 11. Mai 64 als ein Markt im Schiitenviertel Sadr City in die Luft gesprengt wurde und weitere 29 bei weiteren Explosionen, am 1. Mai mindestens 33 in Samawa, am 26. März mindestens 32 bei einem Fußballspiel in Iskandariya und am 6. März 47 bei einer Öllasterexplosion an einer Straßensperre in Hilla. Diese Liste ließe sich noch lange fortführen.

Innenminister von Bangladesch: Dschihadismus ist "Mode geworden"

Gestern hatte sich der IS über seine Nachrichtenagentur Amaq außerdem zu einer Geiselnahme im Café Holey Artisan Bakery in der ostbengalischen Hauptstadt Dhaka bekannt, bei der neun Italiener, sieben Japaner, ein US-Amerikaner, eine Inderin, zwei weitere Geiseln, zwei Polizisten und sechs Terroristen ums Leben kamen (vgl. 20 Tote in Bangladesch). Der italienischen Tageszeitung Repubblica zufolge, die sich auf einen in der Holey Artisan Bakery beschäftigten argentinischen Koch beruft, waren die Täter etwa 20 bis 25 Jahre alt, brüllten "Allahu Akbar" und suchten gezielt nach Ausländern, die sie mit Messern und Sprengsätzen massakrierten.

Asaduzzaman Khan, der Innenminister von Bangladesch behauptet allerdings, tatsächlich sei der Anschlag nicht vom IS, sondern von der einheimischen Dschihadistengruppe Jamayetul Mujahideen Bangladesh (JMB) begangen worden, die keine Verbindung zum Terrorkalifat habe. Das kann entweder auf Erkenntnissen beruhen, die der Öffentlichkeit bislang nicht zugänglich sind - oder es kann eine taktische Behauptung sein, mit der man Panik vermeiden, Investoren beruhigen und IS-Erfolgserwartungen unter Islamisten eindämmen will.

Die Sicherheitsbehörden haben inzwischen Namen und Portraitfotos der sechs getöteten Geiselnehmer veröffentlicht, um zu untermauern, dass es sich um Einheimische handelt. Alle hatten Universitäten besucht und stammen aus relativ wohlhabenden Familien. Khan hat deshalb nur eine Erklärung dafür, warum sie zu islamistischen Extremisten wurden: Das ist seinen Worten nach "eine Mode geworden". Ähnlicher Ansicht ist offenbar auch Ministerpräsidentin Hasina Wajed, die die Bürger Bangladeschs in einer Rede dazu aufrief, ihre Kinder von islamistischen Ideologien fernzuhalten.

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