"Ich gelte als Risiko für die innere Sicherheit"

Cécile Bonnet-Weidhofer. Bild: FDP

Cécile Bonnet-Weidhofer, FDP-Spitzenkandidatin in Mecklenburg-Vorpommern, über Fremdenfeindlichkeit, den Zustand der Polizei sowie die umstrittenen Forderungen von Innenminister Lorenz Caffier (CDU)

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Frau Bonnet-Weidhofer, ist Mecklenburg-Vorpommern ein unsicheres Bundesland?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Die Bürger sind besorgt um ihre Sicherheit, die ihrer Familien und um ihr Eigentum. Wir haben hier eine gefühlte Unsicherheit, die sich schwer kanalisieren lässt. Menschen, die anders aussehen oder eine andere Sprache sprechen, haben es zuweilen schwer; Beschimpfungen und Drohungen sind leider keine Seltenheit.

In Ihrem Wahlprogramm heißt es, die FDP wende sich entschieden gegen die Entstehung rechtsfreier Räume. Gibt es solche in Mecklenburg-Vorpommern?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Es gibt Dörfer, da hängen ausnahmslos Plakate der NPD. Wahlkämpfer anderer Parteien haben aufgegeben, dort zu werben, weil sie wissen, dass ihre Plakate sofort abgerissen oder überklebt würden. Das sollte uns allen eine Warnung sein, denn so entstehen rechtsfreie Räume. Ich habe im Übrigen am eigenen Leib erfahren, wie sich Fremdenfeindlichkeit anfühlt.

Wann war das?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Das war meine erste Erfahrung mit Mecklenburg-Vorpommern, 2007, ich war zu jener Zeit als Dolmetscherin tätig und begleitete eine Austauschgruppe durch Schwerin. Gemeinsam mit den Jugendlichen aus Marseille, Duisburg und Schwerin schlenderte ich gerade durch die Stadt, als plötzlich mehrere Glatzköpfe anstürmten. Sie brüllten herum, drohten uns und warfen Steine. Wir hatten große Angst. Damals dachte ich nur: Was ist das bloß für ein Land?

Wie würden Sie die Frage heute beantworten?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Inzwischen kann ich das einordnen. Ich weiß, dass die meisten Schweriner derlei Aktionen verurteilen. Mecklenburg-Vorpommern ist ein wunderschönes Bundesland mit vielen tollen, fleißigen und engagierten Bürgern, aber leider auch mit Vorurteilen gegenüber Fremden. Wir müssen ran an das Thema, und zwar deutlich früher als bisher. Auch deshalb kann das erste Stichwort nur lauten: beste Bildung. Denn Bildung ist der Schlüssel für alles.

Mit Verlaub, das sagen Politiker nahezu aller Parteien, die in Mecklenburg-Vorpommern zur Wahl antreten.

Cécile Bonnet-Weidhofer: Nicht sagen: tun! Die Politik muss weniger reden und mehr zuhören und umsetzen. Schon in Kita und Schule muss klarer vermittelt werden, dass fremde Kulturen eine Bereicherung sind. Die Skepsis, die Angst, ja all die Vorurteile müssen den Jugendlichen genommen werden. Wir Freie Demokraten sind ohnehin überzeugt, dass Bildung eine elementare Voraussetzung für Freiheit und Toleranz ist. Diejenigen Politiker, die an der Bildung sparen, gefährden unsere Demokratie. Die Landesregierung hat in diesem Feld in den vergangenen Jahren versagt. Wir haben die meisten Schul- und Lehrabbrecher, zudem fallen jedes Jahr tausende Unterrichtsstunden aus.

"Der Innenminister lässt sich treiben von der AfD"

Eingangs des Gesprächs verneinten Sie die Frage, ob MV ein unsicheres Bundesland sei. Zugleich betonen Sie seit Monaten, die Polizei sei überlastet, schlecht ausgestattet und könne teils elementare Aufgaben nicht mehr bewältigen. Wie passt das zusammen?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Ganz einfach, Mecklenburg-Vorpommern ist ein riesiges Flächenland. Die Landesregierung hat in den vergangenen Jahren viele Polizeireviere in der Fläche geschlossen. Der ländliche Raum wird dadurch benachteiligt. Die Gewerkschaft der Polizei sagt seit Jahren: "Leute, wir schaffen das nicht mehr, wir arbeiten am Limit." Mittlerweile haben die Polizisten im Land hunderttausende Überstunden angesammelt. Wenn ich dann höre, dass der Bildungsminister sagt, künftig sollten die Beamten auch noch Schulschwänzer von zuhause abholen, werde ich wütend. Wie, bitteschön, sollen das die Beamten leisten? Das ist eine Art der Realitätsverweigerung.

Wie viele Polizisten würden Sie einstellen?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Entweder 600 Polizeibeamte mehr oder aber 200 Beamte und 300 zivile Verwaltungsmitarbeiter.

CDU-Spitzenkandidat und Innenminister Lorenz Caffier sagt, er wolle 555 neue Polizeibeamte einstellen. Ist das Thema damit nicht vom Tisch?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Derselbe Mann hat in seiner Amtszeit hunderte Polizeistellen abgebaut. Dass er sich jetzt im Wahlkampf als der große Mahner aufspielt, ist eine Beleidigung des Wählers. Wer glaubt denn allen Ernstes, Herr Caffier würde sich bundespolitisch derart in den Vordergrund rücken, wenn hier im Land nicht gerade eine Wahl vor der Tür stünde? Nein, seine merkwürdigen Forderungen nach schärferen Sicherheitsgesetzen sind nur eins: Populismus. Der Innenminister lässt sich treiben von der AfD.

In Ihrem Wahlprogramm heißt es außerdem :"Spätestens ab dem Jahr 2014 war absehbar, dass mit verstärkten Migrationsbewegungen zu rechnen ist. Trotzdem hat die Landesregierung kontinuierlich und in den bestehenden Mangel hinein Personalstellen bei der Polizei abgebaut …"

Cécile Bonnet-Weidhofer: ...das ist richtig!

Was antworten Sie all jenen, die sagen, die FDP erwecke mit solchen Aussagen den Eindruck, von Flüchtlingen gehe eine Gefahr aus?

Cécile Bonnet-Weidhofer: Klar ist: Wir sollten Straftaten von Flüchtlingen weder kleinreden noch aufbauschen, sondern: aufklären. Das ist wichtig. Andererseits ist es unsere Aufgabe, die Migranten zu schützen. Deshalb brauchen wir auch mehr Sicherheitskräfte. Das ist doch eine logische Folge.

Ist es nicht auch eine logische Folge, die Zahl der Polizeistellen zu verringern, wenn die Einwohnerzahl sinkt? Im Jahr 2000 lebten in Mecklenburg-Vorpommern rund 1,8 Millionen Menschen, heute sind es etwa 200.000 weniger.

Cécile Bonnet-Weidhofer: Die Arbeit in den Polizeibehörden ist nicht weniger geworden, im Gegenteil, die Beamten stehen einer Vielzahl neuer Herausforderungen gegenüber.