Identitätszapping

Einmal für 15 Minuten John Malkovich sein ...

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Einmal den Körper wechseln und dabei für kurze Zeit in die Identität eines anderen schlüpfen, ist wohl für viele ein Traum. Obwohl genau dies - zumindest virtuell - im Internet längst möglich ist, aber bei der real-körperlichen Umsetzung dieses Traums (oder Albtraums?) gibt es noch ein paar Problemchen. Nicht so in Spike Jonzes Film, wo jeder, der eine seltsam düstere Pforte durchschreitet, direkt im Kopf des Schauspielers John Malkovich landet, um 15 Minuten später am Rande einer Schnellstraße in New Jersey wieder in sein eigenes Leben zurück geschleudert zu werden.

Klingt gewiss komisch, aber wird in Being John Malkovich so selbstverständlich erzählt, dass man daran selbst bald keine Zweifel mehr hat. Schließlich schaut die Welt in dieser Komödie sowieso aus, als ob sie von Franz Kafka im Drogenrausch als Computerspiel entwickelt wurde. Held dieses Films, der sich im Grunde jeglicher Kategorisierung entzieht, ist ein gewisser Schwartz (John Cusack), ein erfolgloser Puppenspieler, der bei seiner Suche nach einem neuen Job in das 7 1/2 Stockwerk eines Bürohochhauses gerät - wo die Decken übrigens so niedrig hängen, dass alle Angestellten gebückt gehen müssen (und man nicht überrascht wäre, wenn plötzlich die Comedy-Truppe von Monty Python auf der Leinwand erscheinen würde).

Dort fängt Schwartz also an zu arbeiten, verguckt sich allerdings ziemlich schnell in seine Kollegin Maxine (Catherine Keener). Beide zusammen entdecken die besagte Pforte und beginnen dann diesen Trip in den Kopf von Malkovich gewinnbringend zu vermarkten. Doch damit nicht genug, Jonzes Erstlingswerk enthält nämlich so viel Ideen (Drehbuch: Charlie Kaufman), dass man daraus gleich mehrere Filme hätte drehen können.

Beispielsweise einen über die lesbische Beziehung zwischen der Frau von Schwartz und seiner von ihm so begehrten Kollegin, die sich nun mittels der "künstlichen" Malkovich-Identität näherkommen und lieben. Einen über Schwartz selber, der es als Puppenspieler natürlich genießt, eine lebendige Marionette zu bewegen und zu steuern. Oder einen über Malkovich, der es sich nicht nehmen lässt, selber mal in seinen Kopf einzudringen, was wirklich heftige Folgen hat, die der bekannte Videoclip-Regisseur Jonzes (der zuletzt an der Seite von George Clooney in "Three Kings" zu sehen war) visuell faszinierend umgesetzt hat.

Trotz gewisser Längen im zweiten Teil ist "Being John Malkovich" der wohl skurrilste Film seit langem, der sich witzig, dann wieder satirisch oder sogar richtig anrührend mit Identitätssuche und -krisen auseinandersetzt, und dabei über hervorragende Schauspieler verfügt. Allen voran Malkovich, der den schwierigsten Part hat, der sich dabei nicht selber, sondern ein Klischee seiner selbst spielt und dies äußerst souverän meistert. Auch John Cusack überzeugt als ewiger Loser, genauso wie Cameron Diaz als seine tierverrückte Ehefrau. Bleibt zum Schluss eigentlich nur als Resümee: Einmal John Malkovich sein, das wäre doch gar nicht so schlecht - auch wenn es nur 15 Minuten sind. Man ist ja schließlich bescheiden ...