Idlib: Erdogan droht mit militärischer Aktion

Seite 2: Die türkische Verstrickung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Allerdings hat die Türkei am Zustandekommen dieser Lage erheblich beigetragen, weil sie Kriegspartei in Syrien ist. Sie hat, um es moderat zu formulieren, die "radikalen syrischen Milizen" stark gemacht und sie tut es noch immer, inklusive der schlimmsten extremistischen Milizen. Der IS und die al-Qaida-Milizen wären niemals zu ihren Herrschaftszonen gekommen, wenn die Türkei ihnen nicht die Grenze offengehalten hätte, für neue Rekruten, Waffen, Geld und andere Versorgungsleistungen. Der Sitz der politischen Opposition, die mit den bewaffneten, islamistischen Gruppen eng verbunden sind, war oder ist die Türkei.

"Islamistisch" ist, was Idlib anbelangt, bereits ein schönfärberischer Begriff. De facto bedeutet ein türkischer Militäreinsatz in Idlib das Bündnis mit dem al-Qaida-Abkömmling Hayat Tahrir asch-Scham (HTS). Es geht gar nicht anders, wenn die Türkei ihre Beobachtungsposten behalten will. Wenn der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar radikale Gruppen in Idlib davor warnt, dass die Türkei einschreiten werde, so ist das eine "pro-forma-Erklärung" ohne Deckung in der Wirklichkeit, einzig dazu da, der Türkei ein besseres Image zu geben.

Das hat sie nötig, wenn man sich die Realitäten in Idlib genauer anschaut. HTS ist die hauptsächlich involvierte Miliz bei den Kämpfen gewesen, in denen die syrische Armee strategisch sehr wichtige Orte in Idlib erobert hat wie Maarat an-Numan oder Saraqib. Zu den Kämpfen kam die von der Türkei offiziell unterstützte Milizenallianz National Liberation Front, die Seite an Seite mit Hayat Tahrir asch-Scham gegen die syrische Armee kämpfte und Feuerunterstützung von der Türkei bekam.

Nachzulesen ist die Zusammenarbeit im Einzelnen und ausführlich in einem Bericht des türkischen Journalisten Fehim Tastekin, der seine Beobachtungen und Schlüsse gut fundiert.

Al-Qaida-Truppe ist kein Feind

Drei dieser Schlüsse lauten: Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Türkei ihre Unterstützung für die Nationale Befreiungsfront (National Liberation Front) aufgibt. Diese hat einen vorherrschend dschihadistischen Charakter und zu ihr gehören frühere al-Qaida-Mitglieder. Zweitens werde die Türkei ihre "flexible Haltung" zur HTS nicht aufgeben und nicht damit anfangen, die mehrmals umgetaufte Miliz mit dem al-Nusra-Front-Kern, als Feind zu behandeln.

Drittens: Hayat Tahrir asch-Scham ist de facto ein Verbündeter der Türkei in Idlib. Das muss man im Hinterkopf behalten, wenn die Türkei denn wahrmachen wollte, was Erdogan ankündigt. Sie wird dann zum Kampfgenossen der Dschihadisten.

Auch wenn deutsche Berichte sich weiter auf die "bösen Kriegstreiber" Putin und al-Assad als Schuldige am Schlamassel konzentrieren - "Kremlchef Wladimir Putin unterstützt den syrischen Gewaltherrscher Assad im Kampf um Idlib. Russlands Staatsmedien liefern die Propaganda für diesen Feldzug. Die Türkei scheint machtlos" (Spiegel), die Türkei lässt sich bei einem Waffengang in Idlib mit Extremisten ein, die sie selbst als Terroristen bezeichnet (HTS, al-Nusra).

"Hayat Tahrir asch-Scham hat nichts von seinem Dschihad-Kern verloren, der ein Staatsgebilde mit Scharia-Gesetzgebung will." (Fehim Tastekin)

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.