Impfpflicht: Freiheit, die gemeint ist
Seite 2: Bürgerliche Impfgegner
- Impfpflicht: Freiheit, die gemeint ist
- Bürgerliche Impfgegner
- Auf einer Seite lesen
Mit einer solchen Kritik ist die vorherrschende Skepsis gegenüber der offiziellen Pandemie-Politik leider nicht weiter befasst. Impfverweigerer teilen mit den Impfwilligen zwar die Miseren, die aus der epidemischen Lage und der marktkonformen Weise ihrer Bekämpfung hervorgehen und auch sie nach "Normalität" rufen lässt.
Die Christenmenschen unter den praktizierenden Impfgegnern setzen dem aber lieber die Forderung entgegen: "Wir sind freie Kinder Gottes, kein Impfzwang!". Vielleicht meinen sie, wegen ihrer special relations nach oben so frei sein zu dürfen.
Das Verlangen nach Freiheit ertönt aber auch in der ganz profanen Fassung: "Meine Gesundheit, meine Entscheidung, mein Recht!" Und diese Kombination von Medizin, Gesundheit und Recht auf freien Willen ist erklärungsbedürftig. Was ist denn die Freiheit, die die Impfgegner meinen?
So sehr nämlich der eigene Wille bei der Zustimmung zu einer gesundheitlichen Maßnahme im Spiel ist, so sehr tritt er zurück im Verhältnis zum medizinischen Grund und Inhalt der Entscheidung. Niemand würde im Alltag den Gang zum Zahnarzt oder zur Krebsvorsorge daraus erklären, dass er die Freiheit dazu ergreift. Umgekehrt wird jedes Kind, das die Zahnuntersuchung verweigert, weil es "das eben will", dazu angehalten, auf "Warum?" nicht stereotyp mit "Darum!" zu antworten und die Folgen zu bedenken.
Es ist nicht üblich, den Inhalt einer Willensbekundung für grundverkehrt zu halten, vor ihr selbst aber den Hut zu ziehen. Ein freier Autofahrer, der vor Jahren die Gurtpflicht mit dem Argument zurückwies, sein Bauch gehöre ihm, würde sich heute lächerlich machen. Freiheit und Gesundheit gehen rationell betrachtet so nicht zusammen. Wenn, ist es die Einsicht in das medizinisch Notwendige, die (letale Befunde außen vor) Freiheitsgrade bei der Verfolgung eigener Interessen eröffnet.
Auch bei einer Risikoabwägung, die mit der Covid-Impfung zweifellos einhergeht, folgt die vernünftige Entscheidung bestimmten Kriterien und orientiert sich an Schadens-Wahrscheinlichkeiten.
Definitive Impfgegner allerdings folgen solchen Überlegungen eher nicht. Wie bei vielen Impfbereiten auch gilt in ihren Reihen der geforderte, gewohnte und verschleißende Einsatz der eigenen Physis für Arbeit und Beruf als persönliche Tüchtigkeit. Das Impfrisiko bei einer "Giftspritze", die den "Selbstheilungskräften" widerspricht oder am Ende noch die "Gene verändert", weisen sie lautstark zurück.
Dieser Einstellung kommt es freilich entgegen, wenn Covid-19 die fragliche "Selbstheilung" nicht praktisch Spitz auf Knopf stellt. Überdies macht nicht die Logik, vielmehr die Empörung über die vermeintliche Verletzung der Freiheitsrechte die kruden medizinischen Theorien plausibel.
Das gilt auch für die politischen Narrative über globale Eliten, die unter dem Vorwand einer Virus-Bekämpfung ihre finsteren Ziele verfolgen würden. An den staatlichen Maßregeln wird nur die abstrakte Repression gegen ihre volksgesundheitlichen Gründe festgehalten, für die dann je nach weltanschaulicher Orientierung ganz eigene Befunde ersonnen werden.
Den Kapitalismus kennen die meisten Impfgegner als den Reibach von Biontech/Pfizer & Co., als wäre der Profit nicht das allgemeine Prinzip dieser Ökonomie, in der ein Pharma-Konzern sogar einen Extragewinn, am besten einen deutschen, schöpfen kann.
Dazu passt, dass diese Kritiker in der existenziellen Angewiesenheit auf ein Arbeitsentgelt, dessen Zustandekommen völlig dem eigenen Einfluss entzogen ist, keine Freiheitsberaubung entdecken können. Das ist für sie eben die Normalität, der man sich stellen muss – und in der und gegen die man zugleich die Fiktion eines selbstbestimmten Lebens festhalten will.
Es liegt in den Umständen dieses Willens, dass er schnell beleidigt sein kann und sich dann um den verdienten Lohn der Anpassung, die bürgerliche Freiheit eben, betrogen sieht.
Wie zuvor erwähnt, nicht durch den unabweisbaren Zwang, zum Monatsersten die Miete zu bezahlen, durch eine Masken- oder Impfpflicht aber schon. Das berechtigt enttäuschte Mitmacher dazu, bei ihren Klagen über die "Corona-Diktatur" nach den Schmähungen zu greifen, die im nationalen Arsenal für einen solchen Befund bereitstehen: "wie in der DDR" und "wie bei Hitler".
Und ihre Etikettierung als rechte Querschläger bringt redliche Zeitgenossen schon gleich auf hundertachtzig. Wutbürger unterschiedlichen Grades entschließen sich also, die Stimme zu erheben und den Freiheitskampf aufzunehmen, der in der Spitze über die Schreierei wegen der Mundschutzpflicht in der Straßenbahn inzwischen deutlich hinausgeht.