In Spanien verboten, in Frankreich legal
Die in Spanien verbotene baskische Wahlplattform Herritarren Zerrenda kann im französischen Baskenland legal zu den Europaparlamentswahlen antreten; amnesty kritisiert im Jahresbericht 2004 Spanien wegen Folter sowie Parteien- und Zeitungsverboten
Gerade hatte im französisch-baskischen Hendaye HZ gestern den Wahlauftakt beendet, als von der anderen Seite des Flusses Bidasoa die Nachricht kam, dass die Plattform im spanischen Staat verboten ist. Gegen 20 Uhr bestätigte das spanische Verfassungsgericht damit das Verbot des Obersten Gerichtshofs. Die Richter kamen einstimmig zur Ansicht, es handele sich um eine Fortführung von Batasuna.
Damit ist auch das Verfassungsgericht dem Antrag des Generalstaatsanwalts Cándido Conde-Pumpido gefolgt. Der hatte für die neue sozialistische Regierung den Verbotsantrag begründet. 50.000 Menschen hätten mit ihrer Unterschrift eine Liste unterstützt, die eine "Fortsetzung mit einfachem Namenswechsel" der verbotenen Partei sei (Kriminalisierung von Batasuna). Auf dem ersten Treffen des sogenannten "Antiterror-Pakts" nach den Wahlen (Lügen haben kurze Beine, auch in Spanien), eigentlich sollte es um islamistischen Terror gehen (Spitzel in Madrider Anschläge verwickelt), hatten sie sich die Sozialisten (PSOE) mit der konservativen Volkspartei (PP) darauf geeinigt, auch gegen HZ ein Verbotsverfahren einzuleiten.
Batasuna war im März 2003 mit einem extra geschaffenen Parteiengesetz illegalisiert worden, weil sie die Anschläge der Untergrundorganisation ETA nur bedauert, aber nicht verurteilt hatte, wie es das neue Gesetz forderte. Obwohl es seit der Gründung von HZ keine Anschläge der ETA gab, hatten die Verfassungsrichter im Voraus eine "eindeutige Distanzierung, Ablehnung und Verurteilung der kriminellen Organisation und ihren politischen Instrumenten" erwartet.
Die Begründung ist genauso dürftig wie die des Obersten Gerichtshofs. Der war zur "tiefen Überzeugung gelangt, dass es eine gemeinsame Strategie gibt, die von der Terrorbande ETA und Führern verbotener Parteien geplant, angeführt wird". Doch beide Gerichte "beweisen" dies vor allem damit, dass Batasuna-Mitglieder zur Wahl von HZ aufgerufen haben. Auf deren Liste befand sich niemand, der schon einmal für verbotene Parteien der linken Unabhängigkeitsbewegung kandidierte. Bei den Kommunalwahlen 2003 wurden mehr als 200 Listen verboten, wenn sich darauf ein solcher Kandidat befand.
Mit Blick auf die angekündigte Klage von HZ beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte folgten die Verfassungsrichter nicht dem Generalstaatsanwalt. Der hatte behauptet, alle Parteien gehörten zur ETA, die sich an "die linken Patrioten wenden". Etwa 20 Prozent der Basken, welche die Parteien der linken Unabhängigkeitsbewegung wählen, "identifizieren sich mit der ETA".
Der Europaparlamentarier Koldo Gorostiaga (Batasuna), 1999 für die Koalition Euskal Herritarrok (EH) gewählt, dementiert, dass seine Partei hinter HZ stehe. Auch EH wurde in Spanien mit Batasuna verboten und befindet sich sogar auf der EU-Terror Liste ohne Konsequenzen für Gorostiaga im Parlament. "Es werden politische Ideen verboten und keine Organisation, und das müsste zum Ausschluss Spaniens aus der EU führen, weil damit die Europäische Konvention und die Menschenrechtskonvention verletzt wird", sagte Gorostiaga zu Telepolis. Diese Verbote seien "Werbung" für die ETA. Die baskische Linke lasse sich aber nicht in die Illegalität drängen: "Es kann nur eine politische Lösung des Konflikts per Dialog geben, woran wir weiter arbeiten werden."
Zufall war, dass die Veröffentlichung des Jahresberichts von amnesty international mit dem neuen Verbot zusammen fiel. Amnesty kritisiert darin neben der Folter und den Zeitungsverboten auch die Parteiverbote. Auch gegen die Folter werde in Spanien nichts getan, die Vorschläge des UN-Sonderberichterstatters der Menschenrechtskommission oder des Komitees zur Folterprävention des Europarats (CPT) würden nicht umgesetzt.
Die UN und das CPT fordern die Abschaffung der fünftägigen Kontaktsperre, welche die Folter ermöglicht, weil Gefangene nach dem Anti-Terror-Gesetz keinen Kontakt zu einem Anwalt oder Arzt ihres Vertrauens oder ihrer Familie haben (Isolationshaft ermöglicht Menschenrechtsverstöße) Auch der neue Direktor des UN-Komitees gegen Folter, der Spanier Fernando Mariño Menéndez, forderte am Dienstag von Spanien Garantien für die Beendigung der Folter. Verhöre, in denen oft Geständnisse unterschrieben werden, müssten auf Video dokumentiert werden.