In Texas kursieren krause Verschwörungsängste vor dem Zweck der großen Militärübung Jade Helm

Aus dem Pentagon-Dokument über Jade Helm

Zwei Monate lange üben ab Juli Spezialeinheiten "unkonventionelle Kriegsführung" in sieben Bundesstaaten, Texas gilt dabei als Feindesstaat

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Vor kurzem hat die dem russischen Innenministerium unterstehende Nationalgarde in einigen Regionen Russlands Übungen zur Bekämpfung von Aufständen abgehalten. Explizit war davon die Rede, dass man sich damit auch auf Proteste wie auf dem Maidan vorbereite. In den USA findet ab dem 15. Juli zwei Monate lang eine der bislang größten Militärübungen mit Spezialeinheiten wie den Navy SEALS, Green Berets oder Army Rangers in Arizona, Florida, Louisiana, Mississippi, New Mexico, Utah und Texas statt. Es soll eine "realistische Militärübung" für eine "unkonventionelle Kriegsführung" werden.

Aus dem Pentagon-Dokument über Jade Helm

Gerüchte zirkulieren auf den üblichen Verschwörungsplattformen wie Infowars.com, dass es sich etwa um eine verdeckte Operation handeln könne, um in Texas das Kriegsrecht einzuführen, die Bürger zu entwaffnen und den Bundesstaat zu übernehmen. Der Radiokommentator Alex Jones, der schon lange Verschwörungstheorien verbreitet, sprach davon, dass die "Feds" sich auf eine Invasion von Texas vorbereiten würden. Das Militär würde sich verstärkt auf Staaten konzentrieren, wo rechte Bewegungen wie die Tea Party an Einfluss gewinnen. Überdies würden die US-Truppen mit anderen Ländern gemeinsame Übungen machen, um die nationale Souveränität zu unterminieren.

Die Ängste gegenüber der Bundesregierung in Washington füllen schon lange die Paranoia vor allem von Rechten in den USA. In Texas wurde das Misstrauen zusätzlich auch deswegen geschürt, weil auf einer Einsatzkarte neben Ohio dieser Bundesstaat rot eingefärbt war und als fiktiver Gegner (hostile) dargestellt wird.

Richtig in Fahrt kamen die Gerüchte, als sich Greg Abbott, der Gouverneur von Texas, Ende April einschaltete und ankündigte, dass die ihm unterstehende Texas State Guarde (TXSG) die Militärübungen beobachten und sicherstellen werde, dass die "Sicherheit, die Verfassungsrechte, die Eigentumsrechte und die Bürgerrechte der Texaner" gewahrt bleiben. Die State Guard verfügt über 1.900 Soldaten und hat erklärt, den Anweisungen des Gouverneurs Folge zu leisten.

Kritik kam auch aus den Reihen der Republikaner. So schrieb der frühere texanische Abgeordnete Todd Smith, er sei beschämt, dass der Gouverneur dem Unsinn Glaubwürdigkeit verliehen habe, den diejenigen äußern, "die Entscheidungen aufgrund der durch das Internet, durch Radio oder verquere Radiomoderatoren geschürten Hysterie treffen".

Am 1. Mai hat Abbott die Ankündigung wieder zurückgezogen und sprach nur noch davon, dass die State Guard nur die "Kommunikation" zwischen den Spezialeinheiten erleichtern soll, aber es sonst nichts gebe, worüber man sich sorgen müsse. Und er warnte vor einer "Überreaktion", die er allerdings selbst begangen hat. Er verwies darauf, dass ihn viele Bürger nach der Übung gefragt haben.

Aber rechte Republikaner, die zumindest so lange gegen die Bundesregierung Misstrauen schüren, so lange sie nicht selbst an der Macht sind, scheinen die Verschwörungsängste bei ihrem Wahlvolk doch bedienen zu wollen. So erklärte auch der texanische Senator Ted Cruz, einer der Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, dass er die Sorge der Menschen über die Militärübung verstehen könne:

Das ist eine Frage, die mir oft gestellt wird. Der Grund besteht teilweise darin, dass wir nun sechs Jahre lang eine Bundesregierung gesehen haben, die die Freiheit der Bürger missachtet - und das erzeugt Angst. Wenn man beobachtet, dass die Bundesregierung unsere Rechte auf freie Meinungsäußerung, auf freie Religionsausübung und auf den Zweiten Verfassungszusatz angreift, dann erzeugt dies Misstrauen gegenüber der Regierung.

"Das Wesen des Kriegs verändert sich ständig", erläuterte Mark Lastoria, der Sprecher des U.S. Army Special Operations Command. Es bestehe der Auftrag des Kommandos sicherzustellen, dass die unterschiedlichen Spezialeinheiten ausgebildet werden und organisiert sein müssen, um "weltweit erfolgreiche Sondereinsätze zur Unterstützung der nationalen Interessen" ausführen zu können.

Jade Helm soll den Soldaten und Offizieren dabei helfen, die "gegen eine stetig verändernde ausländische Bedrohung erforderlichen Fähigkeiten zu verbessern". Lieutenant Steve Warren versicherte, dass Jade Helm "keine Bedrohung der Bürgerrechte" darstelle, man habe die Übungen ausführlich mit den Behörden in den betroffenen Bundesländern abgestimmt.

In einem vom United States Special Operations Command (USSOCO) stammenden Dokument für Texas wird begründet, dass man hier bereits viele Übungen durchgeführt habe, weil die Texaner historisch das Training von Soldaten zur Bekämpfung der Feinde der USA immer unterstützt hätten.

Man führe die Militärübung in großen, nicht landwirtschaftlich genutzten Gebieten mit geringer Bevölkerung, aber mit Zugang zu Städten durch, damit es "wirkliche Hindernisse" für die Planung und Ausführung der Übungen gebe. Das würde beispielsweise eine Anpassung an "unbekanntes Terrain und soziale und wirtschaftliche Bedingungen" erfordern. Man würde in und um Orte operieren, wo alles Außergewöhnliche sofort entdeckt und berichtet würde. Zudem sei eine der Aufgaben, mit Zivilisten zu arbeiten, um deren "Vertrauen und Verständnis" zu gewinnen.

Zu viel Information vorab weiterzugeben, wäre dann allerdings für "realistische" Übungen nicht sonderlich gut. Offenbar wird das auch gerne mal bei solchen Übungen nicht gemacht. 2013 hat eine Übung im Stadtkampf Einwohner von Houston verschreckt und flüchten lassen, als Männer in Kampfanzügen und Gewehren in Hubschraubern eine Schule stürmten und dabei um sich schossen.

Ähnlich will man auch jetzt wieder verfahren, wenn das Militär sagt, die Menschen vor Ort müssten damit rechnen, dass Nachts vermehrt Flugzeuge unterwegs sind, dass einige Personen verdächtige Aktivitäten ausführen, dass die übenden Soldaten mit Waffen und scharfer Munition unterwegs sein können und dass sie zivil gekleidet sowie Zivilfahrzeuge fahren können. Man würde die lokalen Sicherheitsbehörden informieren (was wohl auch heißt, dass die Menschen nicht unbedingt Bescheid wissen, was die Spezialeinheiten so treiben).