Incirlik: Türkische Regierung verweigert Besuchsrecht deutscher Abgeordneter
Bundesregierung droht mit Abzug der Bundeswehr-Einheiten nach Jordanien, Kuwait oder Zypern
"Misslich" sei das Incirlik-Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete, meinte Merkel und verwies auf die Notwendigkeit der Besuche von Abgeordneten bei der Parlamentsarmee. Man habe das auch "auf verschiedenen Kanälen klar gemacht".
Die Kanäle zwischen der Türkei und Deutschland, so viel ist auch klar, sind voll mit Problemen. Mit großem Hochdruck bitte man auf dafür vorgesehenen Kanälen darum, ja man dränge darauf, so schnell, wie das nur irgend möglich geht, "zu Frau Tolu gehen zu können", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, bei einer Pressekonferenz am vergangenen Samstag.
Die deutsche Staatsbürgerin Mesale Tolu sitzt in einem Untersuchungsgefängnis "in der Gegend von Istanbul" (siehe dazu: Türkei: Deutsche Journalistin und französischer Fotograf verhaftet). Es geht ums Besuchsrecht des Generalkonsuls.
Dazu gibt es noch den Fall Yücel und von vier weiteren deutschen Staatsangehörigen, "bei denen jeweils die Frage des konsularischen Zugangs in Rede steht", so Schäfer. Auch die zehn wahrscheinlich geflüchteten, der Spionage verdächtigte, Imame der Ditib gehören mithinein in den Korb der Beziehungsprobleme zwischen der deutschen und der türkischen Regierung wie auch der Streit über das Auftrittsrecht türkischer Politiker in Deutschland vor dem Referendum, der noch nachhallt. Vielleicht reagiert die türkische Regierung nun auch darauf.
"Absolut inakzeptabel"
Am Montag zog die Regierung Erdogan nämlich den Klassiker aus dem Ärmel. Ankara untersagte eine Reise von Bundestags-Abgeordneten - Mitgliedern des Verteidigungsausschusses - zu deutschen Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik, wie die Tagesschau berichtet.
Als Grund wurde nach Tagesschau-Informationen von türkischer Seite ein weiteres diplomatisches Problem vorgebracht: die von Deutschland anerkannten Asylanträge türkischer Soldaten. Hurriyet Daily News berichtet mit Bezug auf Reuters, dass das türkische Außenministerium den Besuch in dieser Woche als "zu diesem Zeitpunkt nicht angemessen" abgelehnt habe, ohne weitere Gründe zu nennen.
Außenamts-Sprecher Martin Schäfer fand offensichtlich deutlichere Worte als Merkel: Für die Bundesregierung sei dies "absolut inakzeptabel". Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Wolfgang Hellmich (SPD) und CDU-Obmann des Ausschusses, Henning Otte, sagten: "Wir lassen uns von der Türkei nicht erpressen."
Eine klare Aussage, die allerdings einem Wunsch näher steht als einer Forderung, die politisch durchgesetzt werden kann, angesichts der wie gesehen vielen Möglichkeiten, die Erdogan hat, um Druck auszuüben, und dem Bestreben der Bundesregierung, nicht allzu viel zu riskieren. Immerhin gibt es ja auch das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei.
Die Alternativen und Investitionen in Incirlik
Was den Nato-Stützpunkt Incirlik angeht, wo etwa 260 deutsche Soldaten stationiert sind, wird nun laut über Alternativen nachgedacht, die schon seit einiger Zeit erkundet werden:1 Jordanien (Al Azraq Air Base; Al Jaffr Air Base; Prinz Hassan Air Base), Kuwait (Ahmed Al Jaber Air Base; Ali Al Salem Air Base; Kuwait International Air Base) oder Zypern (Akrotiri Air Base; Paphos Air Base).
Jordanien soll als favorisierter Standort gelten, berichtet die Zeit. Laut Angaben aus dem Verteidigungsausschuss soll die Entscheidung "in den nächsten Wochen fallen". Die Links-Fraktion hat Ablehnung angekündigt.
Wie sich beim Streit über das Besuchsrecht der Abgeordneten im vergangenen Jahr herausstellte (vgl. Incirlik: Weiterhin keine Besuchserlaubnis für deutsche Politiker), gab es von deutscher Seite millionenschwere Pläne für einen Ausbau in Incirlik. Für rund 65 Millionen Euro sollte ein eigener Flugbereich, neue Unterkünfte für deutsche Soldaten und ein voll ausgerüsteter Gefechtsstand gebaut werden.